Die Gebiets- und Machterweiterung

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Nach dem Tode Pippins folgten ihm seine Söhne Karl und Karlmann. Da Karlmann schon drei Jahre später starb, wurde Karl (768 bis 814) der Alleinherrscher.
Er erhielt den Beinamen „der Große“. Unter ihm erreichte das Frankenreich den
Gipfel seiner Macht. Während seiner Regierungszeit hat Karl fast immer Kriege
geführt, nur die letzten Jahre blieben frei von Auseinandersetzungen. Der
schwerste Kampf war der fast 30jährige Krieg gegen die Sachsen.

Die Sachsen wohnten vor allem im Wesergebiet. Die Vorgänger Karls hatten bereits
Kriegszüge gegen die Sachsen unternommen und sie zeitweise zur Tributzahlung gezwungen; sie mussten außerdem unter Pippin die Mission christlicher Mönche zulassen.

Aber auch die Sachsen hatten die Grenzen des Frankenreiches sehr oft bedroht.
Der Stammesverband der Sachsen gliederte sich in die drei großen Untergruppen
der Westfalen, Engern und Ostfalen. Es gab ungefähr 100 Gaue, die in lockerer Verbindung zueinander standen. Bei den. Sachsen gab es einen starken Adel, die sogenannten Edelinge. Die Masse des Stammes bildeten die Gemeinfreien (Frilinge) und die unterste Schicht waren die Liten. Das waren Minderfreie. zum Teil Nachkommen von Kriegsgefangenen, die aber das Recht hatten, Waffen zu tragen. Im Frieden entsandten die Gaue je 12 Vertreter in den Landtag von Marklo an der Weser. Auch die Liten wurden dabei berücksichtigt. Aus den Reihen der Edelinge wählten die Sachsen einen Herzog als Führer des Heerbannes.

Die Frilinge und die Liten fügten sich der Herrschaft der Edelinge nicht widerstandslos. Diese sahen sich nach Hilfe bei auswärtigen Mächten um. Sie hatten schon die
christlichen Missionare begünstigt, die aus England gekommen waren, um die Sachsen zum Christentum zu bekehren, und ein Teil der Edelinge war bereits zum Christentum übergetreten.

Als dann der Kampf gegen die Franken begann, wehrten sich die Frilinge und Liten
erbittert gegen die Franken, wie schon vorher gegen die Herrschaft ihres Stammesadels während nämlich die Edelinge mit der Hilfe der Franken und der Kirche ihre Herrschaft festigen wollten.

In drei großen Etappen ging die Unterwerfung der Sachsen vor sich, von 772
bis 781, von 782 bis 785 und von 793 bis 804.! Immer, wenn Karl glaubte, die
Sachsen seien besiegt und ihre Kraft erlahmt, flammte ein neuer Aufstand empor.
Einen starken Rückhalt bot ihnen dabei Dänemark. Dorthin flohen die Anführer
und organisierten den Widerstand von neuem. Während dieser Auseinandersetzungen kam es zu mehreren größeren Gefechten, bei denen beide Parteien
abwechselnd erfolgreich waren.

Von den Edelingen, die nicht die Partei der Franken ergriffen, ist der Westfale
Widukind der bekannteste. Mehrere Jahre führte er die Sachsen. Karl hielt 782 in
Lippspringe einen Reichstag und ordnete die Einführung der fränkischen Grafschaftsverfassung für Sachsen an. Sächsische Adlige wurden als Grafen eingesetzt.
Das war für die Partei Widukins der Anlass zu einem großen Aufstand. Die in
Sachsen stehenden Truppen der Franken wurden geschlagen, fränkische Priester
und von den Franken als Grafen eingesetzte sächsische Adlige verfolgt oder getötet.
Als Karl mit einem schnell zusammengerafften Heer in Sachsen erschien, brach der
Aufstand zusammen, und der sächsische Adel lieferte die Empörer zur Bestrafung
an Karl aus. Die Zahl der in Verden an der Aller Hingerichteten wird mit 4500
angegeben. Die meisten waren Frilinge und Liten.

In der letzten Etappe der Sachsenkriege kam es nicht mehr zu einer einheitlichen Aktion der Sachsen. Sehr viele ließen sich, wie schon 785 Widukind, taufen.
Sie mussten jetzt der Kirche den Zehnt zahlen und wurden auch zum Aufgebot des
fränkischen Heeres mit herangezogen. Gegen diese Maßnahme kam es zu neuen
Erhebungen. Sie waren nur lokaler Art und wurden 804» beendet. Karl siedelte
Tausende von Sachsen mit ihren Familien aus den Kerngebieten des Aufstandes
aus und brachte sie ins Frankenreich. Damit erlahmte der Widerstand.
Karl hat die dreißigjährigen Kämpfe gegen die Sachsen energisch und unter Anwendung aller Mittel geführt. Die Unterwerfung der Sachsen und ihre allmähliche
Bekehrung zum Christentum gaben die Grundlage für eine gemeinsame Entwicklung der Stämme des später deutschen Gebietes. Es ist Karls Verdienst, die Von
seinen Vorgängern begonnene Einbeziehung der ostwärts des Rheines wohnenden
Stämme in das Frankenreich vollendet zu haben.

In Italien, wo die Spannung zwischen dem norditalienischen Langobardenreich
und dem Papst in Rom immer größer geworden war. griff Karl ein, um die Lage
zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Der Langobardenkönig Desiderius hatte
den Franken gegenüber eine feindliche Haltung eingenommen. Der Konflikt spitzte. sich schließlich so zu. dass Karl mit seiner überlegenen Macht das
Langobardenreich angriff und überrannte (774). Er nahm den Titel eines Königs
der Langobarden an.

In Spanien hatten innere Streitigkeiten die Macht der Araber geschwächt. Als
Karl dies zum Eingreifen ausnutzen wollte, traf er jedoch auf energischen Widerstand. Beim Rückmarsch wurde die Nachhut des Heeres in den Pyrenäen überfallen und vernichtet; dabei fand Roland, von dem das altfranzösische Rolandslied
berichtet, den Tod. Karl mußte sich zunächst mit der Sicherung der Pyrenäengrenze zufriedengeben. Erst später (802) gelang ihm die Eroberung eines Landstreifens jenseits der Pyrenäen. Dieser reichte bis zum Ebro und wurde Spanische
Mark genannt.

Im Osten des Reiches gab es neben den Sachsen auch andere gefährliche Gegner.
Der Bayernherzog Tassilo, ein Neffe Karls, verband sich mit den Langobarden
und den Awaren und versagte dem Frankenkönig offen den Gehorsam und die
Heeresfolge. Der Aufstand brach zusammen. Tassilo wurde in ein Kloster geschickt und im bayrischen Lande fränkische Grafen als Vertreter des Königs eingesetzt.

Gleich darauf begannen die Kämpfe mit den Awaren, die sich über mehrere
Jahre hinzogen. Das Land der Awaren wurde verheerend heimgesucht und der
Krieg erst 796 mit der Verpflichtung zu Tributzahlungen abgeschlossen. Mit den
Slawen ander Elbe stand Karl anfangs in gutem Einvernehmen, er gewann sie sogar
als Bundesgenossen gegen die Sachsen. Erst am Ende seiner Regierung kam es
auch mit ihnen zu Auseinandersetzungen.

Das Reich hatte durch die Eroberungszüge Karls eine ungeheure Ausdehnung
bekommen, es war viel größer als zu Chlodwigs Zeiten. Zum Frankenreich gehörten
viele Stämme, es gab keine einheitliche Sprache, nur die Macht des Königs und
seiner Feudalherren hielt das Reich zusammen.

Zur Sicherung des Reiches nach außen richtete Karl an den gefährdeten
Grenzen sogenannte Marken oder Markgrafschaften ein. Da sie vor allem
militärische Aufgaben hatten, übte der Markgraf eine besonders große militärische Befehlsgewalt aus. Es gab zum Beispiel die dänische Mark zwischen Eider
und Schlei, die sächsische Mark entlang der Kieler Bucht bis zur Elbe, die
sorbische längs der Saale, die böhmische am Bayrischen Wald und die spanische
Mark südlich der Pyrenäen.

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