Literatur im Mittelalter

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Ein Jahrtausend lang, zwischen dem Ausklang der Antike um 500 bis weit in die hohe Zeit des Humanismus um 1500, blühte im europäischen Abendland die mittellateinische Literatur. Nahezu alles, was im Mittelalter gedacht, gedichtet und gedeutet wurde, hielt man handschriftlich in der von den Römern ererbten, im westlichen Europa einzig literaturfähigen lateinischen Sprache fest, die in der Schule erst erlernt werden musste. Der Umfang der überlieferten mittellateinischen Literatur übertrifft den der antik-römischen wie auch der volkssprachlichen mittelalterlichen Literaturen bei weitem. Heute bewahren Bibliotheken und Archive das reiche Erbe des Mittelalters in Handschriften und Frühdrucken.

In den stürmischen Zeiten der Völkerwanderung nahm das geistige Leben im Römischen Reich schweren Schaden; ganz zum Erliegen kam es aber nicht. Gleichsam in Nischen überlebte die antike gelehrte Bildung, so in Italien, Spanien, Frankreich und auf den Britischen Inseln. Es waren vor allem Männer der Kirche, die, wenn auch unter christlichen Vorzeichen, das antike Erbe weitergaben.

Im Aufwind der karolingischen Bildungsreform wuchsen einige Benediktinerklöster zu wirkungsmächtigen Zentren heran, die miteinander in geistigem Austausch standen und das kulturelle Leben nachhaltig prägten. Hier wirkten berühmte Gelehrte, die an das literarische und wissenschaftliche Vermächtnis der heidnischen wie christlichen Antike anknüpften und es weitergaben. Vom literarischen Leben der Epoche zeugen zahllose Viten in Prosa und Versen, in denen das Leben und Wunderwirken der Heiligen geehrt wird. Vielerorts schuf man geistliche Dichtung, Hymnen, Tropen, Sequenzen, für den Gottesdienst. Auch entstanden umfangreiche exegetische Werke, didaktische Schriften und Annalen, in denen bedeutsame weltliche und kirchliche Ereignisse festgehalten wurden.

Im Hochmittelalter ging die führende Rolle der Klosterschulen auf die Dom- und Stiftsschulen in den Städten über, besonders in Frankreich. Ihre Blütezeit hatten sie im 11. und 12. Jahrhundert. Von hier aus trugen Lehrer und Scholaren Wissen und neue Denkansätze ins Abendland. Mehr als zuvor wurden die praktischen Fächer der Artes liberales gelehrt: Arithmetik, Geometrie, Astronomie und Musik. Ihnen widmete sich im 10. Jahrhundert der hochgebildete Gerbert von Aurillac, der spätere Papst Silvester II., der in Spanien arabische Wissenschaften kennen gelernt und von dort Geräte zum Rechnen (Abakus) und Beobachten der Sterne (Astrolabium) mitgebracht hatte.

Die Franziskaner und Kartäuser widmeten sich mehr der Seelsorge und mystischen Kontemplation. Sie schufen Lyrik und Prosa zur persönlichen Andacht. Im Spätmittelalter fanden die Wundergeschichten des Caesarius von Heisterbach und die „Legenda aurea“, eine umfangreiche Sammlung von Heiligenlegenden des Jacobus de Voragine aus dem 13. Jahrhundert ihre größte Verbreitung. Sie wurden auch durch Übersetzungen zu wahren Volksbüchern.

Klosterzelle, Ordensstudienhaus und Universität waren nicht die einzigen Orte, wo gelehrte, unterhaltende und fromme literarische Werke im Mittelalter geschrieben wurden. Zahlreiche Kleriker fanden nach ihrem Studium Brot und Arbeit an den großen Höfen Europas als Erzieher, Seelsorger oder Kanzleinotare. Sie entwarfen die Schriftstücke für Rechtsakte und Verträge der Herrscher, formulierten und propagierten deren Politik, huldigten ihnen in Dichtung und Prosa. So entstand immer wieder und überall im Auftrag oder aus persönlicher Bindung “Hofliteratur”.

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