Tagwählerei

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Tagwählerei. (Der von Carl Meyer verwendete Begriff steht für den in der paganen Antike und im Christentum verwurzelten Aberglauben von Unglücks- und Glückstagen). Mit der Prognostik verwandt ist die Vorstellung, dass bestimmte Tage für bestimmte Unternehmungen als ungünstig oder als förderlich feststanden. Beispielsweise wurde jeder Freitag als Todestag Christi und als Tag des Sündenfalls für einen Unglückstag (schwarzen, verworfenen Tag; dies aegyptiacus, egipciales) gehalten, waren am Freitag geborene Kinder dem Scharfrichter verfallen, mussten am Samstag Rocken und Kunkel abgesponnen werden (um die Arbeitswoche abzuschließen und den Sonntag um so sicherer zu heiligen), galten Sonntagskinder als Glückskinder usf. Unter besonders bösen Vorzeichen standen Freitage, die auf den 13. eines Monats fielen – wurde doch ihre ohnehin negative Bewertung durch die Unglückszahl 13 noch verstärkt (s. Zahlensymbolik). Am Stefanstag (26. Dezember) mussten Pferde zur Ader gelassen werden, sollten sie für das kommende Jahr vor Krankheiten sicher sein. Am Palmsonntag geweihte Zweige vermochten Gewitter zu vertreiben. Am Urbanstag (25. Mai) trug man Urbans Bild in die Schänken und trank diesem eifig zu; so sicherte man sich den Segen des Heiligen für eine reiche Traubenlese. An allen hohen Kirchenfesten hatte man sich des Geschlechtsverkehrs zu enthalten, wollte man nicht Strafe auf sich oder das sündhaft gezeugte Kind ziehen. Als vorteilhaft für den Aderlass galten St. Martin (11. November), St. Blasius (3. Februar), St. Walpurgis (1. Mai) und St. Bartholomaeus (24. August). Besondere Unglückstage waren der 3. April, der 3. August und der 3. Dezember; an diesen Tagen sollte man werder schröpfen noch Medizin einnehmen, weder pflanzen noch eine Reise oder einen Rechtsstreit anfangen.

Im “Indiculus superstitionum et paganiarum” sind von der Kirche als heidnisch verrufene Tagwahl-Bräuche aufgelistet. Deren Bekämpfung kirchlicherseits wurde jedoch eher lax betrieben, jedenfalls haben sie sich bis in die Neuzeit erhalten. Nicht nur im einfachen Volk, auch unter Gebildeten war die Tagwählerei verbreitet. So wird von Kaiser Heinrich IV. berichtet, er habe – “paganico nimirum auspicio” – alle entscheidenden Kämpfe an Dienstagen begonnen.

(s. Aderlassmännchen, Mond-Prognosekalender, Schröpfen, Unglückstage)

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