Ästhetik

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Ästhetik (grch. aisthetike [techne] = Lehre vom sinnlich Wahrnehmbaren). Dem neuzeitlichen Terminus haben vorher andere Begriffe entsprochen. Im Altertum haben Heraklit, Polyklet, Sokrates, Plato und Aristoteles über das Wesen der Schönheit nachgedacht. Für Plato war das Schöne göttlich und von absoluter Wahrheit. Schönheit der Einzeldinge stellt nur ein Abbild der absoluten Schönheit dar. Aristoteles betonte die Bedeutung von Ordnung und Symmetrie für das Wesen des Schönen. Die Neuplatoniker setzten “schön” in eins mit “sittlich” und “göttlich”. Augustinus übernahm diese Auffassung und forderte, dass Werke des Schönen der Erkenntnis göttlicher Wahrheit dienen sollten. Dieser Anspruch galt für die Künste während des ganzen MA.: der Künstler (artifex) dient in seinem Streben nach Schönheit und Vollkommenheit dem Ausdruck göttlicher Wahrheit. Rein intellegible Schönheit als Attribut Gottes und sinnlich wahrnehmbare Schönheit in Natur und Kunst konnten so parallel gedacht und empfunden werden.

Eine Definition von Schönheit gibt Augustinus: “Worin besteht die körperliche Schönheit? Im richtigen Verhältnis (congruentia) der Teile zueinander in Verbindung mit einer gewissen Lieblichkeit der Farben”. Ma. Definitionen von Schönheit dagegen bedienen sich eines unbeholfen anmutenden Begriffearsenals. Thomas von Aquin: “Denn zur Schönheit gehört dreierlei. Einmal Reinheit oder Vollkommenheit [integritas sive perfectio]: denn was unvollendet ist, ist eben dadurch hässlich. Sodann gehörige Entsprechung oder Übereinstimmung [proportio sive consonantia]. Und schließlich Klarheit: weshalb das, was eine reine Farbe hat, schön genannt wird.” “Claritas” bedeutet neben Klarheit: Helligkeit, Lichte. Der mittelalterliche Vorstellung des göttlichen Lichtes, aus dem alles hervorgeht, das die Finsternis der Materie erhellt und die Seelen erleuchtet, stammen die mittelalterliche Lichtästhetik und Lichtmetaphysik.

®Robert Grosseteste schreibt in “De divinis nominibus: “Die Schönheit aber ist Einklang und Proportion eines Dinges in sich selbst und Harmonie aller seiner einzelnen Teile in sich selbst und in Bezug auf die übrigen und in Bezug auf das Ganze und des Ganzen in Bezug auf alle Teile”. (s. Harmonie, Proportion)

Noch im Spätmittelalter lautete ein Titel “De venustate mundi et pulchritudine Dei”; die Welt konnte also hübsch, lieblich (venustus) sein, die wahre Schönheit kam nur Gott alleine zu.

Menschliche Schönheit konnte in der höfischen Vorstellung nur als Verbindung eines ebenmäßigen, schlanken Körpers (gescheffede, geschepfede = Gestalt) mit schöner Kleidung (wat) gedacht werden. Die Schönheit des nackten, unbekleideten Körpers entsprach also durchaus nicht dem höfischen Ideal, dem ritterlichen Wunschbild. “Waetlich”, eigentlich: “einen schönen Körper habend”, war eines der gebräuchlichsten mhd. Wörter für schön. Zur leiblichen Schönheit gehörten gerade, gut ausgebildete Gliedmaßen, ein lächelnder roter Mund, regelmäßige, weiß strahlende Zähne, hellleuchtende Augen, gute Bemuskelung bei Herren, Zartgliedrigkeit und wohlgeformte feste Brüste bei Damen; dazu Blondheit, Helläugigkeit und weißer, rot überhauchter Teint. (Von den in der Manessischen LHS abgebildeten 467 Herren und Damen sind 384 blond, 74 sind behelmt oder sonstwie verhüllt, sechs sind – als alte Leute – grau oder weiß, nur drei sind schwarz, davon ist einer ein Heide.)

Der ästhetischen Kategorie “Schön” entsprach der moralische Wert “Gut” – und umgekehrt. So wurde in der darstellenden Kunst und auf der Bühne der edle, vornehme, heiligmäßige Mensch schön und strahlend hell, der gemeine, ungebildete, lasterhafte Mensch schwärzlich und in abstoßender Hässlichkeit wiedergegeben. (s. Schönheitspflege)

(s. Hässlichkeit, Hautfarbe)

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