Beschimpfung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Beschimpfung (zu mhd. schimph, schimpf = Scherz, Kurzweil, ritterliches Kampfspiel; Spott, Verhöhnung, Schmach; mhd. grembschafft = Kränkung, scheltat = das Schelten). Beleidigende, meist ehrverkürzende Anwürfe, häufig dem Fäkalbereich entstammend, waren im Mittelalter geläufige Mittel des Konfliktaustrags. Ob Taglöhner oder Dirne, Bauer oder Bürgerin, Ratsherr oder Ritter – beleidigende Äußerungen von Zorn oder Verachtung waren in allen Schichten gang und gäbe und häufig von provokanten Gesten (ungehabe) begleitet, etwa indem man mit den Fingern vor der Nase des Kontrahenten schnippte, ihm den vorgestreckten Mittelfinger (“digitus infamis”) zeigte, die gekrümmten Zeigefinger – Hörnern gleich – vor die Stirn hielt (um ihn als betrogenen Ehemann zu verspotten) oder vor ihn hinspie (um ihn verächtlich zu machen). Dabei traf eine Beschimpfung umso tiefer, wenn sie öffentlich geschah.

Der gesellschaftliche Friede konnte derart nachhaltig durch heftige Schimpfereien gestört werden, dass behördliche Verordnungen gegen Wortdelikte erlassen wurden. So wurde z.B. in Colmar einer, der seinen Kontrahenten mit “bogkes gesingkeloch” oder “bogkes arsloch” titulierte, mit einer Buße von fünf Schillingen und 14 Tagen Stadtverweisung abgestraft (boc, bogk steht dabei verhüllend für Gott). In Wien standen anno 1221 60 Pfennig Buße darauf, andere als “filii meretricis” zu beschimpfen; die Buße verdoppelte sich, wenn eine “honesta persona” betroffen war; Zahlungsunfähige wurden ausgepeitscht. In Hof (Oberfranken) kostete es um 1500 fünf Pfennige, jemanden “umb das arsputzen gehaissen” zu haben. In Göttingen drohte der Rat eine Strafe von vier Schilling demjenigen an, der einen anderen als “van vader und van moder” schilt, was mit Hunde- oder Hurensohn gleichzusetzen ist. Zänkischen Frauen wurde der Schandstein (Laster-, Hader-, Pagstein) angehängt, sofern sie nicht mit einer vergleichsweise geringen Geldstrafe davonkamen (durch eine höhere Geldbuße wäre ja der unschuldige Ehemann mitbestraft worden). Den Gebrauch von Scheltworten gegen Genossen untersagten auch Satzungen von Zünften und Gilden. So galt für hansische Kaufleute in England, dass einer, der einen anderen schmähte oder bedrohte, 100 Schilling in die gemeinsame Kasse zu zahlen habe. Allgemein wurde bei der Strafzumessung verschärfend berücksichtigt, wenn eine Beschimpfung ehrabschneiderischen, leumundschädigenden Charakter hatte – etwa “Fälscher”, “Betrüger”, “Ketzer”, “Meineidiger” oder “Mörder”).

Beschimpfungen und Verfluchungen schlugen mittelalterliche Aberglauben zufolge Krankheitsdämonen, böse Geister oder drohende Unwetter in die Flucht. So soll die hl. Adelheid durch Schelten kranke Nonnen geheilt haben. Beim Exorzismus war es üblich, die eingefahrenen Dämonen zu beschimpfen und verfluchen. Verächtlichmachende Benamung und herabsetzende Schmähungen sollten Mensch, Vieh und Sachen (etwa die Saat) für die Aufmerksamkeit der Dämonen herabsetzen, des begehrlichen Interesses unwert erscheinen lassen.

(s. Feige, Fluch, Lasterstein, Mittelfinger, Schimpfworte)

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