Binnenschifffahrt

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Binnenschifffahrt. Der Waren- und Personenverkehr auf den Flüssen und Seen hatte schon unter der Römerherrschaft eine alte Tradition und war danach, als das Straßennetz verfallen und Landreisen unsicher und teuer waren, von umso größerer Bedeutung. Man darf also schon für das Frühmittelalter einen regen Binnenschiffsverkehr annehmen, wenngleich für diese Zeit kaum archäologische Funde, Urkunden oder bildlichen Darstellungen vorliegen.

Neben ausschließlich talfahrenden Flößen (s. Flößerei) wurden Einbäume und Doppeleinbäume (bis Ende des 13. Jh.) sowie flache Holzschiffe (Plätten, Zillen) unterschiedlicher Größe verwendet, die noch im 13./14. Jh. aus zwei auseinandergerückten Einbaumhälften mit eingesetztem Flachboden bestanden. Solche Schiffe, auf dem oberen und mittleren Rhein “Oberländer” genannt, waren bis zu 15 m lang und hatten bei trapezförmigem Grundriss eine Breite von 6,5 m am Heck und 3,5 m am Bug. Die Tragfähigkeit betrug 40 bis 80 to. Die Talfahrt der Oberländer endete in Köln; hier wurden ihre Lasten, wie die von Flößen, auf die sog. “Niederländer” oder auf Seeschiffe umgeladen. (Niederländer wurde ein dem Oberländer entsprechendes Schiff genannt, das ab Köln den Niederrhein und auch die offene See befuhr. Der Oberländer wurde mit einem Bugruder und dem Seitenruder oder einem am Heck angebrachten langen Senkruder gesteuert, für den Niederländer übernahm man bald nach seiner Erfindung das Hecksteuerruder.) – Auf der Elbe und ihren Nebenflüssen war das wichtigste Transportmittel der Prahm (v. tschech. prám), ein kastenförmiger offener Lastkahn mit flachem Boden und einer Tragfähigkeit von 10 – 20 to. – Im 13. bis 16. Jh. auf Salzach und Inn verkehrende Salzschiffe vom Bautyp “Asch” (wohl nach dem für diesen Schiffstyp bevorzugten Eschenholz) trugen 16 to Fracht und wurden von 9 Mann Besatzung geführt. Daneben gab es kleinere, flachgehende Salzschiffe mit drei Mann Besatzung, die sog. Zillen (mhd. zülle, zulle), mit flachem Boden und angewinkeltem Bug- und Heckteil. Die Bordwände bestanden aus drei kraweelartig auf Stoß gesetzten Plankengängen, dessen oberster mit Löchern zum Verzurren der Ladung versehen war.

Bei Talfahrt wurde mit Bug- und Hecksteuerrudern gelenkt, flussaufwärts wurde gerudert, mit Segelhilfe gefahren, gestakt, meist aber getreidelt (getreckt). Von der Mitte des 14. Jh. an, als überwiegend nicht mehr mit Menschen- sondern mit Pferdezugkraft getreidelt wurde, stellte man auf größeren Flüssen ganze Schiffszüge zusammen. Deren Bergfahrt stellte, zumindest streckenweise, für Mensch und Tier ein anstrengendes und gefährliches Unternehmen dar, bei dem oft gerade an den schwierigsten Stellen Pferde und Treiber auf eigens mitgeführten flachbordigen “Einstellplätten” das Ufer wechseln mussten. Beim Staken hielten die Schiffer ihre Boote in Ufernähe; sie setzten ihre Stakstangen in den Flussgrund ein, und stemmten daran das Schiff gegen die Strömung voran. Dabei wandten sie der Fahrtrichtung den Rücken zu und schritten einen Laufgang längs der Bordwand von vorn nach hinten ab.

Die Reisegeschwindigkeit war abhängig von dem Gewicht der Zuladung, von Wasserstand, Schleusenzahl, Strömungsgeschwindigkeit und – bei der Bergfahrt – vom Ufergelände. (Wo es – wie stellenweise im Rhein, wegen Steilufers keine Treidelpfade gab, mussten die Treidelknechte ins Flussbett steigen.) Karl d. Gr. soll gelegentlich die 90 km lange Rheinstrecke von Ingelheim bis Koblenz an einem Tag zurückgelegt haben. Die Boote wieder zurückzutreideln, dürfte etwa eine Woche gedauert haben.

Flussabwärts wurden – bei freier Fahrt – durchschnittlich 7 km pro Stunde zurückgelegt, was einer 24-Stunden-Leistung von ca. 170 km entsprochen hätte. Flussaufwärts kam man mit menschlicher Zughilfe täglich 10 bis 12 km weit, Pferde schafften 15 bis 20 km. Auf dem Alster-Beste-Trave-Kanal (ca. 100 km) mit seinen insgesamt 21 Schleusen dauerte bei günstigem Wasserstand die Bergfahrt in die Scheitelstrecke im Nienwohlder Moor eine Woche, bei Wasserknappheit mitunter bis zu vier Wochen. Die Talfahrt war in zwei bis drei Tagen zu bewältigen.

Transportgüter waren vor allem Massenwaren wie Bau- und Brennholz, Bau- und Mühlsteine, Getreide, Salz, Wein oder Eisen. Zum Be- und Entladen standen vom Spätmittelalter an auf den Kais der Handelsplätze Drehkräne zur Verfügung. Die Transportkosten in der Binnenschifffahrt betrugen bei der Beförderung von schweren Lasten nur ein Sechstel oder Siebtel der Kosten beim Straßentransport.

Erst im 15. Jh. begann – wohl aufgrund der Behinderung durch Mühlendämme, wegen besserer Straßenverhältnisse und größerer polizeilicher Sicherheit auf den Straßen – der Transport auf Landwegen den auf Wasserwegen zu überflügeln.

(s. Flussreise, Kanalbau, Treideln, Wasserwege, Zoll)

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