Glasherstellung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Glasherstellung (mhd., ahd. glas ursprüngl. = Bernstein, da die Germanen die Bezeichnung für das von Römern als Schmuck mitgebrachte Glas gebrauchten). Die Kunst, aus Sand Glas zu erschmelzen, war schon in vorgeschichtlicher Zeit bekannt, aber erst die Erfindung der eisernen Glasflöte (in Syrien, kurz vor der Zeitenwende) ermöglichte die Herstellung einer Vielfalt von Glasformen. Die Römer brachten die neue Technik (ars vitraria) unter anderem auch in ihre germanischen Besitzungen. So entstanden etwa bei Trier und in Köln bedeutende Glashütten, die jedoch den Untergang des Römerreiches nicht überlebten.

Vom 9. Jh. an blühte auch nördlich der Alpen das Glashüttenwesen wieder auf, und zwar zunächst als Domäne der großen Abteien. Eine um 800 arbeitende Glashütte bei Trier lieferte Flachglas bis nach Schweden. Um 900 ist im Kloster Reichenau ein Bruder Mattheus Vitriarius belegt; um 1000 florierte die Tegernseer Glasmacherei. (Das wohl wichtigste Zentrum der europäischen Glasmacherei bildete sich im 10. Jh. in Venedig. Wegen der großen Feuersgefahr und um die Verfahrenstechniken besser geheim halten zu können, wurde das Gewerbe 1291 auf der Insel Murano konzentriert. Venezianische Glasmacher hatten sich auf die Verwendung syrischer Soda als Flussmittel spezialisiert und vermochten seit der ersten Hälfte des 15. Jh. hochreines Glas herzustellen, das dem Bergkristall glich und daher als “cristallo” bezeichnet wurde.) Ausschlaggebend für die Glasfertigung war – nachdem die Kirche die im Heidentum üblichen gläsernen Grabbeigaben und auch liturgisches Gerät aus Glas verboten hatte – der große Bedarf an Glas für die Fenster (glaswerc) einer wachsenden Zahl von Kirchen. Die Herstellung von Harnschaugläsern, Apothekengefäßen, Trinkbechern, Krügen oder Flaschen war dagegen von minderer Bedeutung. Um 1175 wurden in Deutschland die Glasspiegel (s. Spiegel) erfunden, welche bald steigende Nachfrage fanden. Vom 13. Jh. an ging die Glasmacherei in die Zuständigkeit nichtmonastischer Handwerker über.

Frühe urkundliche Erwähnung von Glashütten findet sich für das Zisterzienser-Kloster Doberan bei Rostock (1268), für den Bayer. Wald (Glashütt, eine Gründung des Klosters Tegernsee; 1305), für das Fichtelgebirge (Bischofsgrün, 1340), für das österr. Waldviertel (14. Jh.), für das böhmische Winterberg (1359) und für den Nürnberger Reichswald (1363). Es folgen Beurkundungen für ein Hütte im Amt Suhl (Thüringen; Beginn der 60er Jahre des 14. Jh.), für Solling (an der Weser; 1397) und für den Spessart (in einer Zunftordnung von 1406).

Da zur Glasherstellung (außer Sand) große Mengen von pflanzlichen Aschen (Stroh-, Schilf-, Buchen-, Eichen- oder Farnasche bzw. von Pottasche oder Soda zur Erniedrigung der Einschmelztemperatur) und Holzkohle (zum Erhitzen des Schmelzgutes) benötigt wurden, fanden sich Glashütten stets in waldreichen Gegenden, so in den Vogesen, im Pfälzer Wald, im Spessart, im Fichtel- und Riesengebirge, im Bayerischen Wald, im Thüringerwald, im Schwarzwald und im Böhmerwald. Die Glasmacher (“Glasbauern”) wanderten den Eichen- und Buchenwäldern nach, die sie nach durchschnittlich 10 Jahren großflächig gerodet zurückließen. In Küstenländern, besonders des Mittelmeerraumes, verwandte man anstelle von Buchen- oder Eichenasche verbrannten Seetang. Das damit erschmolzene Glas (“Strandglas”) bleibt innerhalb eines breiteren Temperaturbereichs plastisch und lässt sich daher leichter formen.

Die Entstehung der Glasmacherei im Fichtelgebirge ist dem dort anstehenden Proterobas (auch Grünstein, Grün-Porphyr) gedankt. Die Fachbezeichnung steht für ein feinkörniges Ganggestein, das bei Temperaturen um 1300° C zu einer tiefdunklen Glasmasse aufgeschmolzen werden kann, und in den Waldglashütten des Mittelalter zur Herstellung von Schmuck- und Rosenkranzperlen verwendet wurde.

Bei der Glasherstellung wurde in einem Frittofen ein Gemenge aus Buchenholz- oder Farnasche, Kalk und Sand bei etwa 700° C gesintert. Das Material wurde anschließend in Häfen aus weißem Ton in den eigentlichen Glasofen verbracht und bei ca. 1150° C erschmolzen. Im Kühlofen wurde danach die Glasschmelze auf die zur Verarbeitung optimale Temperatur von 900° C heruntertemperiert. Buntglas wurde durch Zusatz von Metalloxyden hergestellt: Kupferoxyd ergab sowohl rote wie grüne Farbtöne, Manganoxyd ergab Violett, Kobaltoxyd Blau. Das Erfahrungswissen der Glasmacher, besonders die empirisch entwickelten Rezepte für Glasfarben, wurden streng geheim gehalten. Etwa von der Jahrtausendwende an wurde neben Kaliumhaltigen pflanzlichen Aschen auch aus dem Mittelmeerraum importierte Soda (Natriumkarbonat) als Flussmittel verwendet. Pottasche (Kaliumkarbonat), ein von Begleitstoffen befreites Konzentrat aus Waldaschen, kam im ausgehenden Mittelalter als Flussmittel in Gebrauch, als man unter dem Einfluss der venezianischen Glasmode farbloses Weißglas herzustellen suchte.

Erfinder des Flachglases für den Fensterverschluss waren die Römer; nach deren Technik wurde der Glasfluss auf eine mit Sand als Trennmittel bestreute Steinplatte gegossen und geglättet. Die so hergestellten Glasscheiben waren ca. 10 mm dick, wenig lichtdurchlässig und von bläulich-grüner Färbung. Nach einer jüngeren Machart wurde Flachglas gewonnen, indem man eine glühende Glasblase zu einem Zylinder auszog, diesen nach dem Absprengen von Hals und Boden der Länge nach aufschnitt, nach Wiedererwärmen im Streckofen aufbog und zu einem flachen Rechteck streckte. Typische Werkzeuge waren Pfeife (Glasflöte), Hefteisen, Zange und Schere. – Flachglas für andere Fensterverschlüsse als die von Kirchen kam erst ab etwa 1500 wieder in Verwendung.

Vom frühen 14. Jh. an kamen Butzenscheiben in Gebrauch, die durch schnelle Rotation der Glasblase und die dadurch bedingte Abflachung erzeugt wurden. (Erstmals urkundl. erwähnt in Frankreich, 1330; der dt. Name stammt von der mittigen Erhöhung, der sog. “Butze” (der Ansatznarbe des Hefteisens) und der runden, scheibenartigen Form. Von Letzterer rührt auch die Bezeichnung “Mondglas”. Die Butzenscheiben wurden durch Bleiruten reihenweise oder in vielfältigen geometrischen Mustern zu Fensterverglasungen zusammengesetzt.)

Mittelalterliche Hüttengläser waren einige Millimeter stark, von grüner oder brauner Farbe wegen des Gehalts an Eisenverbindungen, trübe infolge von unvermeidlichen Verunreinigungen, mit Luftblasen durchsetzt und von unterschiedlicher Farbintensität am gleichen Stück. – Um 1400 kam neben dem stark alkalihaltigen “Weichglas” durch Zusatz von Bleioxid ein härteres “Bleiglas” auf, das besonders für hochwertige Fensterbilder Verwendung fand.

(s. Fensterglas, Glas, Glaser, Glasgefäße, Glasmacher, Glasmalerei, Glasofen)

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