Perlen

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Perlen (mhd. berle, perle, auch: mergrieze = Meeressandkorn; mlat. perula, aus lat. perna = [eine bestimmte Art] Muschel oder perula [kleine Birne] oder sphaerula [Kügelchen]; lat. margarita, von daher mhd. margarite, margarieze). Schalenförmig um einen Fremdkörper (Parasiten) im Körperinnern von Süß- oder Salzwassermuscheln herum gebildete etwa erbsengroße runde, tropfenförmige oder unregelmäßig gefornte Perlmuttkugel (chem. Calciumkarbonat, von daher in Säure löslich) von weißer, grauer oder rosa Farbe und opalisierendem Glanz (“Lüster”). Die Anzahl der von einer Muschel gebildeten Perlen ist sehr unterschiedlich und hängt von der Anzahl der eingedrungenen Fremdkörper ab. Obwohl aufgrund ihrer Entstehung dem Tierreich zugehörig, wurde die Perle seit alters den Edelsteinen zugerechnet.

Durch Reiseberichte wie die des Marco Polo und Ibn Battuta wussten die Europäer, woher die Perlen stammten und um Technik der Perlenfischerei. Perlen waren neben Edelsteinen die teuersten der Luxushandelsgüter. Sie wurden im MA., vermehrt seit den Kreuzzügen, aus dem Orient (Küstenländer des Persischen Golfs, Ceylon, Südindien) – hauptsächlich über den Seeweg Alexandria-Venedig – eingeführt, und dienten zur Verzierung von Kruzifixen, Reliquiaren, Buchdeckeln, Kultgeräten und Prunkgewändern. Die größten Perlen (von mehr als 24 Karat Gewicht) wurden als Schmuck getragen und zierten sogar Königskronen.

Perlenfischerei in flachen Küstengewässern war ein obrigkeitlich reglementierter, anstrengender und lebensverkürzender Beruf. Taucher, meist arme Fischer oder Sklaven, ließen sich – an einem um die Hüfte geschlungenen Seil gesichert – in Wassertiefen von vier bis 20 m hinab. Um schneller in die Tiefe zu kommen, beschwerten sie sich mit einem Stein, den sie beim Auftauchen zurückließen. Am Meeresboden angelangt, brachen sie die handtellergroßen Muscheln mit einem Messer vom felsigen Untergrund los. Wurde nach etwa einer Minute die Atemluft knapp, gaben sie durch Zupfen am Seil das Signal zum Hinaufziehen. Ihre Ernte brachten sie in einem Korb zu ihren Bewachern im Boot.

Süßwasserperlen wurden gelegentlich auch aus mitteleuropäischen Flussperlmuscheln (Margaritifera) gewonnen. So sind z.B. für das 15. Jh. privilegierte Perlfischer für Bayern bezeugt; besonders geeignet als Muschelgewässer waren Bäche, die absolut sauberes und weiches (d.h. kalkarmes) Wasser führten, wie die aus dem Urgestein des Fichtelgebirges und des Bayer. Waldes. Auch die sächsische Weiße Elster war im Mittelalter als Perlenfundort bekannt. Unberechtigtes Perlensuchen war unter strenge Strafe (Handabschlagen) gestellt. Trotzdem hat die Wilderei auf Perlmuscheln deren Population stark dezimiert – trägt doch nur jede 2.700ste Muschel eine Perle. <br

In der mittelalterlichen Heilkunde wurden Flussperlen pulverisiert und in Essig oder Kräutersud als “aqua perlata” eingenommen. Indikationen waren vornehmlich Melancholie und mangelnde Geschlechtslust und Fruchtbarkeit.

In der christl. Kunst fand die Perle hohe Wertschätzung; sie galt Symbol der Erleuchtung, der geistlichen Wiedergeburt und der Unbefleckten Empfängnis Mariens (letzteres wegen der Annahme, dass die Muschel ihre Frucht, die Perle, durch himmlische Kraft – etwa einen Blitz oder Himmelstau – empfange). Der Apostel Matthaeus sah in der Perle ein Symbol der reinen Lehre Christi und alles Heiligen und befahl: “Du sollst die Perlen nicht vor die Säue werfen!” (mhd., 12. Jh.: “man sol diu mergriezer [Perlen] vur diu swîn niht giezzen”). In der RW drückt sich wohl der extreme Gegensatz der jüdischen Symbolik für Rein und Unrein aus.

Waren Perlen in den antiken Kulturen als Schmuck von reichen Damen und Herren hochbegehrt gewesen – Plinius führt in seiner Naturalis historia viele Beispiele an und kritisiert die Prunk- und Verschwendungssucht – so fanden sie im christl. Mittelalter gemäß ihres Symbolgehalts hauptsächlich Verwendung bei der Gestaltung von sakralen Kultgegenständen wie Kelchen, Monstranzen, Bibeln oder liturgischen Gewändern.

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