Rätsel

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Rätsel (mhd. ratsal, raetsel, retzel, redesall, ratnisse, ratliet, ratisch, rätersch ; zu mhd. raten [intr.] = beraten, überdenken; lat. aenigma). Denkaufgaben, die vom Adressaten eine Lösung verlangen, waren zu allen Zeiten als geselliger Zeitvertreib beliebt. Auch im Mittelalter gab es vielerlei Rätselformen, die teils aus german., teils aus antiken oder arab. Quellen stammten, und – selbständig oder eingebaut in Sagen, Märchen, Sprüche oder erbauliche Erzählungen – in der mittelalterliche Literatur ihren Niederschlag fanden. Als Beispiele zwei Rätsel des Abtes Aldhelm von Yarrow (gest. 702):

“Von Honigbienen ward ich erst geboren / Im Walde wuchs mir dann die Außenhaut / Den zähen Rücken stiften Schuhe. Gespitztes Eisen / Schneidet kunstvoll wandernd ein edles Bild / Und hinterlässt pflugreich die langen, wohl gewundenen Furchen …”. (Lösung: Wachstafel und Griffel.)

“Einfacher Art bin ich, und ziehe von nirgendher Weisheit, / Doch jeglicher Weise ziehet für immer die Fußspur mir nach. / Heute bewohn ich die gespreitete Erde wie vormals in hohen Himmeln ich zog / Und schein ich auch weiß, lass ich doch hinter mir schwarz meine Spur”. (Lösung: die Schreibfeder.)

Die ältesten Rätselsammlungen des europ. Mittelalter stammen aus der gelehrten angelsächsischen Dichtung des 7./8. Jh. (Aldhelm von Malmesbury, Tatwine, Pseudo-Beda u.a.). Ahd. Rätsel sind nicht überliefert. Früheste schriftl. Zeugnisse aus dem deutschsprachigen Raum erscheinen im 8. Jh. zunächst in lat. Sprache, später auch ins Mhd. übertragen, vom 13. Jh. an als mhd. Schöpfung.

Alkuin stellte in der Sammelhandschrift “Propositiones ad acuendos iuvenes” (“Aufgaben zur Schärfung des Geistes der Jünglinge”; 799) Rätsel und Probleme zusammen, die zu einem großen Teil aus dem arabischen Kulturkreis stammten. Eine Abschrift der Propositiones war seinem Freund und Gönner Karl d. Gr. gewidmet, eine andere dem “überaus geliebten Bruder, Vater Sigulf”. Einige der Rätselfragen haben sich – wie aus der falschen Lösung hervorgeht – als zu schwierig für ihren Kompilator erwiesen. Die ursprünglichen, arabischen Autoren, denen indische Rechentechniken wie das Stellenwertsystem bekannt waren, wären zur richtigen Lösung gekommen. Wo Alkuin richtige Lösungen anbietet, hat er diese nicht anhand zugrundeliegender allgemeiner Prinzipien sondern durch Probieren gewonnen.

Leonardo Pisano, dem die Propositiones bekannt gewesen sein dürften, war schon im Rechnen mit den “neun Zahlen der Hindus” und mit dem Zeichen “0” bewandert und stellte in seinem “Liber Abaci” (1202; richtig als “Buch vom Rechnen” übersetzt) einige Rätsel samt deren mathematischen Lösungen vor.

Als ältestes mhd. Rätselgedicht gilt das “Tragemundslied” (13. Jh.), ein Dialog zwischen einem Fragesteller und einem mit “maister Trougemunt” Angeredetem. Es besteht aus fünf mal vier Rätselfragen und -lösungen in 83 Versen. Inhaltlich behandeln die Rätsel naturkundliche Merkwürdigkeiten, mythisch-sinnträchtige Naturerscheinungen und Moralisches. (Das Pseudonym Trougemunt ist über das mlat. dragomanus von dem arab. targuman = Ausleger, Erläuterer hergeleitet.)

Rätselspiele als Scharfsinns- und Wissensprobe gerieten gelegentlich zu veritablen geistigen Wettkämpfen, bei denen es außer um die Ehre des Wissens auch um ernste Einsätze ging.

Der Freude am Rätselraten kamen auch die großen, zum Abschreiten geeigneten Labyrinthe auf Kirchenfußböden entgegen.

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