Spion

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Spion, Spionage (nhd. Wortbildung nach ital. spia, spione = Späher, frz. espionner; ahd. spheon = spähen; mhd. spehen, uz-spuren; kuntschaft = Kenntnis, Erforschung; lat. spicare, explorare, speculari=ausspähen, explorator, speculator=Späher, exploratio=Ausspähung). So alt wie das gegenseitige Bekriegen und Übervorteilen-Wollen ist der Versuch, “anderer heimlichkeiten mit list und zu ihrem nachtheile zu erforschen (zu) suchen” (J. C. Adelung bei Grimm). Träger der Auskundschaftung waren zunächst Leute, die wegen ihrer Profession in fremden Ländern unterwegs waren, also Reisende (Kleriker, Studenten, Händler, Schausteller) und fahrendes Volk aller Art, die Spionage als Nebenbetätigung betrieben . Es gab aber auch hauptberufliche Spione, die unter einem ehrsamen Deckmantel reisten und im Sold von kirchlichen, feudalen oder städtischen Obrigkeiten standen.

Bereits Alexander d. Gr. hat sich beim Aufbau seines Weltreichs der Dienste von Spionen bedient, die ihm Informationen über das persische Heer zutrugen, und er ließ die eigenen Truppen überwachen, um mögliche Aufrührer rechtezeitig auszumachen. Julius Caesar soll gesagt haben: “Ich liebe den Verrat, doch ich hasse den Verräter.” Auch er unterhielt ein großes Netz aus Spähern und Spionen um seine Kriegszüge zu planen und sein Reich zu sichern.

Wenn auch die Spionage zur Erlangung kriegswichtiger Informationen das Genre begründet hat, so wurde sie im Laufe der Zeit unverzichtbar für weltl. und geistl. Herrscher, für Händler und Handwerker. Ausgeforscht wurden nicht nur Befestigungsanlagen sowie Standort, Stärke und Bewaffnung von Kämpfern, sondern auch die privaten Lebensumstände und Verwandtschaftsbeziehungen adliger Dynastien, die Verhaltensweise von Mönchen und Klerikern, Lage und Ertrag von Erzminen, die Herstellungsweise handwerklicher Produkte, Preisschwankungen auf dem Geldmarkt, die mögliche Verstrickung in Hexendelikte u.v.a.

Nicht mit militärischem sondern mit merkantilen Interessen waren die Mönche (?) unterwegs, die im 6. Jh. Seidenraupen und Maulbeersamen in ihren Wanderstäben aus China nach Byzanz brachten. Dies kann als erster Fall von Wirtschaftsspionage im Mittelalter bezeichnet werden (s. Seide). Insgesamt dürfte Spionage beim Wissens- und Technologietransfer des Mittelalter eine bedeutende Rolle gespielt haben. Wegen dieser Gefahr und zum Schutz von Werksgeheimnissen, galt im Spätmittelalter für manche Gesellen ein Wanderverbot, so für Nürnberger Metallwerker und Apparatebauer (s. Gesellenwandern).

Eigenen Handelsinteressen und dem Nachteil der muslimischen Konkurrenten dienten auch die Seereisen, die im Spätmittelalter hauptsächlich von Portugiesischen Fernhändlern nach Fernost unternommen wurden, um Seerouten, Hafen- und Handelsstädte sowie exotische Handelswaren zu erkunden. Als erster hauptamtlicher und namentlich bekannter Spion gilt der arabisch sprechende Diplomat Pedro de Covilhao, der Ende des 15. Jh. im Auftrag von König Johannes II. von Portugal – als muslimischer Kaufmann verkleidet – zur Erkundung der indischen Westküste (“Pfefferküste”) reiste und Calicut erreichte.

Zu den Arbeitstechniken mittelalterliche Spione gehörten Verkleidungen (beliebt waren die als Pilger, Mönch oder Kleriker), das Zulegen einer gefälschten Biographie, die Verschlüsselung brisanter Nachrichten, die Zahlung von Bestechungsgeldern, das Abfangen und ggf. das Fälschen von Briefen und Urkunden, die Kommunikation mit geheimen Zeichen und Gesten usw. Vorteilhaft war stets die Kenntnis von Fremdsprachen. Im Spätmittelalter kamen zunehmend auch weibliche Spione zum Einsatz.

Als Nachrichtenbörsen für Informationen dienten Wirtshäuser, Märkte und Messen, Söldnerlager und Bordelle, Rathäuser und Fürstenhöfe. Der Spionage Überführte wurden wie Verräter und Verschwörer zu spiegelnden Strafen oder zum Tod verurteilt (s. Verrat).

Hatte Spionage ursprünglich als anrüchiges, ritterlicher Kampfesweise nicht angemessenes Mittel gegolten, so wurde sie spätestens im Hundertjährigen Krieg (1337-1453) zu einem legalen Mittel der Kriegskunst. Es erschienen volksprachliche Übersetzungen von einschlägigen Werken der Spätantike, so der “Kriegslisten” (“strategemata”) des röm. Autors Sextus Julius Frontinus (1. Jh. u.Z.). Verbreitet war auch der “Abriss des Militärwesens” (“Epitoma rei militaris”) des Flavius Vegetius Renatus (Ende 4. Jh. u.Z.). Das Erstere rechtfertigte alle zum Sieg führenden Mittel, das Letztere betonte die Pflicht der Heerführer, sich Informationen über den Feind zu beschaffen. Sowohl der Chronist Jean Froissart (1335-1405) wie sein Zeitgenosse, der Diplomat und Schriftsteller Honorè Bonet (ca. 1340 – ca.1410) gaben detaillierte Anleitungen zur Praxis der Spionage, bezogen auf den Hundertjährigen Krieg.

(s. Bestechung, Fahrende, Geheimschrift, Hexenriechen, Legat, Seide)

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