Stillen

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Stillen (mhd., = [durch Saugen lassen] still machen). Dem Themenkreis Muttermilch-Milchbildung-Stillen maßen mittelalterliche Naturphilosophen, Mediziner, Moralisten und Didaktiker große Bedeutung bei.

Milch und Blut galten als verwandte Säfte. Nach Hildegard v. Bingen wird nach der Empfängnis “das Blut des Weibes nach oben zu den Brüsten gezogen, und das, was aus Speise und Getränk Blut werden sollte, in Milch umgewandelt. … Im gleichen Maße, wie das Kind in der Gebärmutter … wächst, vermehrt sich auch die Milch in den Brüsten…” Und: “Ihre weiße Farbe erhält die Milch von dem mit der Nahrung aufgenommenen Getreide und anderen, gekochten Speisen, weil das Getreide das weiße Mehl hat und eine Speise beim Kochen einen weißen Schaum aufwirft.” Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen galt als unbekömmlich und wurde Säuglingen auch deswegen nur im äußersten Notfall gegeben, da durch sie die negativen Eigenschaften der Tiere übertragen wurden. Ebenso war die Milch Schwangerer als minderwertig anzusehen, da das “gute” Blut der Frau dem Fetus zukomme und für die Milchbildung nur das “schlechte” Blut bliebe. Gestillt wurde nicht zu festen Zeiten, sondern wann immer der Säugling danach verlangte. Abgestillt wurde häufig beim Durchbruch der oberen Schneidezähne (also mit ca. 8 Monaten), spätestens mit einem Alter von ein bis zwei Jahren. Um die Milch zum Versiegen zu bringen, bandagierten die Frauen ihre Brüste mit straffen Binden, was nicht selten zu Erkrankungen führte.

Die stillende Muttergottes war das Idealbild mütterlicher Hingabe. Verweigerung des Stillens galt den mittelalterliche Predigern als widernatürliche Vernachlässigung der Mutterpflichten. Sie polemisierten daher gegen die Anstellung von Ammen, auch deshalb, weil die negativen Charaktereigenschaften moralisch verdorbener Ammen auf den Säugling übertragen würden.

Richtig erkannt und häufig betont wurde der positive, Vertrauen begründende Einfluss des körperlichen Kontaktes, der beim Stillen zwischen Mutter und Kind zustande kommt. Nach Bartholomäus Anglicus ist es aus physischen und emotionalen Gründen optimal, wenn das Kind von der liebevollen Mutter gestillt wird; deren Milch bekommt ihm am besten, und der Akt des Stillens verstärkt die mütterlichen Gefühle. Wenn denn schon eine Amme angestellt werden sollte, so war sie rechtzeitig und unter Berücksichtigung ihrer körperlichen und moralischen Qualitäten auszuwählen. Wurde eine Amme schwanger, so war – aus den oben angeführten Gründen – das Kind einer anderen Nährmutter anzuvertrauen.

(s. Empfängnisverhütung)

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