Tauben

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
Erkunde das Mittelalter: Über 3.979 Seiten und mehr als 6.400 Einträge bieten dir einen tiefen Einblick in diese Ära. Vom Ablass bis zur Zunftordnung - dieses eBook ist dein Guide durch die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Europas von 500 bis 1500 n. Chr. Entdecke in „Leben im Schatten der Zinnen“ auf 122 Seiten die mittelalterliche Burgenwelt: Architektur, Alltag und ihre Rolle im Mittelalter kompakt erklärt.

Tauben (mhd. tuben; lat. columbae; zool. Columbidae). Die Haustauben stammen von der Felsentaube (Columba livia) ab, die im eurasischen Raum südlich 45° nördlicher Breite und in Nordafrika beheimatet ist. Sie schlossen sich wahrscheinlich schon im 5. Jahrtausend v.u.Z. im syrisch-nordpersischen Raum dem Menschen an, und wurden ursprünglich wohl aus religiösen Motiven gehalten (Symbol der Muttergottheit, der Liebe und der Fruchtbarkeit; Opfertier der Juden und der Römer). Die Römer schätzten Haustauben als Speisegeflügel, kannten Taubenhaus (columbarium, tubhus) und Taubenmast und brachten die Haustaube auch in ihre Provinzen nördlich der Alpen. Mit dem Niedergang der Römerherrschaft ging die Haltung der Haustaube in Mitteleuropa wieder verloren. Erst im Frühmittelalter zeugen Knochenfunde von der erneuten Ausbreitung der Taubenhaltung. Taubenhaltung als Adelsprivileg geht darauf zurück, dass sie nach fränkischem Recht der Lehnsherrschaft vorbehalten war. In der Lex Salica wird die Taube als Lockvogel für Beizvögel und als Jagdbeute erwähnt.

Wegbereiter der Taubenhaltung und -zucht waren die Mönche, die einerseits Geschmack und Nährwert des Taubenfleiches zu schätzen wussten und die als erste an die römische Tradition der Taubenhaltung wiederanknüpften, und zum andern sich aufgrund großer landwirtschaftlicher Nutzflächen ganzjährige Taubenmast leisten konnten. Nach dem Vorbild der Klosterbrüder fand sich Taubenfleisch bald auch wieder auf den Tafeln der Adligen. Als höchster der märchenhaften Genüsse galt, “dass einem gebratene Tauben in den Mund flogen”.

Konrad v. Megenberg berichtet – in Anlehnung an Aristoteles -, dass die Taube keine Galle habe und deshalb sanften Wesens sei, dass sie neunmal ihr Augenlicht wiedererlangen könne, dass sie weine, anstatt zu singen, dass sie in der Liebe treu sei und beim Tod des Partners allein bliebe. Sie sei von heißer Natur und schluckte kleine Steinchen, um die Hitze des Magens zu mindern.

In der Küstenseefahrt war die Taube als “Uferfinder” unentbehrlich; vom Schiff aufgelassen, strebt sie nach einer Orientierungsrunde der nächstgelegenen Küste zu.

Für 1397 ist in Prag ein Taubenhändler belegt. Im Spätmittelalter bestand bereits eine bedeutende Formenvielfalt der Haustauben hinsichtlich Ausfärbung und Sonderbildungen des Kopf- und Beingefieders. – Die größte und häufigste Art der mitteleuropäischen Wildtauben war die Ringeltaube (Columba polumbus). Sie wird bei einer Körperlänge von 40 cm bis über 500 gr schwer, lebt als Stand- und Strichvogel in Laub- und Mischwäldern sowie in Feldgehölzen, richtet in Getreide- und Erbsenfeldern großen Schaden an und war als Nahrungskonkurrent und Buchen- und Eichelbeständen verhasst. Deswegen und wegen ihres Fleisches wurde sie intensiv bejagt. – Weniger häufig kam die Turteltaube (Streptopelia turtur) vor, die als einzige der heimischen Taubenarten im Winter nach Äquatorialafrika zieht. Auch sie trat als Schädling auf Getreidesaatfeldern sowie in Raps- und Mohnkulturen auf. – Die Hohltaube (Columba oenas), ein Zugvogel, der in West- und Südeuropa überwintert, brütet in Höhlen alter Bäume (daher der Name). Sie schädigte Getreide-, Erbsen- und Bohnenfelder und vertilgte im Herbst beträchtliche Mengen von Eicheln und Bucheckern.

Nach christlichem Glauben war die Taube Sinnbild der Sanftmut, Arglosigkeit und Liebe. Dies dürfte von der Annahme antiker und – diesen folgend mittelalterlicher – Wissenschaftler rühren, dass die Taube keine Gallenblase habe und somit frei von Bosheit, Zorn und Bitternis sei. Jesus sagt (Matth. 10,16) “… davon seid ohne Falsch wie die Tauben.” In der christl. Kunst verkörperte die Taube den Geist Gottes, der bei der Erschaffung der Welt über den Wassern schwebte, auch den Hl. Geist, wie er zu Pfingsten zu den Gotteskindern niederschwebt (im christl. Kultus ließ man zu Pfingsten mancherorts aus einem Loch in der Kirchendecke [“Heiliggeistloch”, s.Schlussstein] eine hölzerne Taubenfigur niederschweben) . Das Taubenmotiv findet sich auch bei der Taufe Christi im Jordan (wo der Geist des Herrn in Gestalt einer Taube über dem Haupt des Täuflings schwebt), am Ende der Sintflut (wo eine Taube einen grünen Ölzweig bringt und damit nahes Land und das Ende des Zornes Gottes anzeigt), bei der Verkündigung an Maria (wo das Wort Gottes – der Heilige Geist – sich in Taubengestalt offenbart, um Fleisch zu werden; das Motiv stammt wohl daher, dass die Taube in Vorderasien als Träger von Kindeskeimen galt und so die unbefleckte Empfängnis Mariens durch den Hl. Geist bildhaften Ausdruck fand) und in Sterbeszenen (wo eine Taube – als Seelentier – aus dem Munde des Sterbenden zum Himmel emporsteigt). Wortgewaltige Theologen – etwa Gregor d. Große oder Thomas v. Aquin – wurden mit einer auf der Schulter sitzenden Taube dargestellt, die ihnen Gottes Wort ins Ohr flüsterte. – Dem mittelalterliche Volksglauben galt die Taube als “Herrgottsvogel”: sie trug die Seele des Verstorbenen zum Himmel, sie schützte das Haus vor Feuer und Blitzschlag. Mit dem Bild der Taube waren Begriffe verbunden wie Demut, Sanftheit, Reinheit, Treue und kindliche Unschuld (“Taubeneinfalt”).

Besonders die Turteltaube (turteltube) galt wegen des zärtlichen Gehabes (Schnäbeln, Gurren) und wegen der monogamen Lebensweise der Paare als Liebessymbol und als Botschafterin Amors.

Tauben wurden in hochgelegenen hausartigen Verschlägen oder in Türmen gehalten, wo sie vor Fressfeinden (Wanderfalke, Sperber, Habicht, Eule, Rabe, Eichhörnchen, Baummarder, Katze) sicher waren. Das tubhus hatte ein Anflugbrett vor der Nestöffnung und war zur Fütterung (mit Getreide, Erbsen, Bohnen, Linsen), zur Säuberung und zur Entnahme von Eiern für den Wärter (tubheie) zugänglich. Baumaterial konnte Holz, Natur- oder Ziegelstein sein. In unserem Kulturkreis erhaltene Taubenhäuser oder -türme entstammen frühestens der Barockzeit. Tauben legen jährlich 5 bis 6 mal zwei Eier; die Jungen schlüpfen nach 16 – 18 Tagen, sind nach etwa vier Wochen flügge und mit 3 – 4 Monaten fortpflanzungsfähig.

Auch in der Volksmedizin war die Taube von Bedeutung: Genesenden reichte man das zarte, fettarme Taubenfleisch als Diät; bei Zahnweh musste man Brot zerbeißen und es dann an Tauben verfüttern; gegen Ausschlag kochte man Hirsekörner im Urin des Kranken und ließ sie von Tauben aufpicken; frisches Taubenfleisch wurde als Heilmittel auf Wunden aufgelegt; Taubenblut wurde gegen Augenleiden und Nasenbluten eingenommen; Taubenbkot wurde auf schmerzende Gelenke eingerieben usf.

Zuletzt sei noch die Wertschätzung des Taubenkotes als hochwertiges Düngemittel erwähnt, das nur für die anspruchsvollsten Kulturen verwendet wurde.

(s. Brieftaube, jagdbare Tiere, Tiersymbolik)

Bestseller Nr. 1
Bestseller Nr. 2
Bestseller Nr. 3
Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters
Adel bis Zunft, Ein Lexikon des Mittelalters
Volkert, Wilhelm (Autor)
4,41 EUR
Bestseller Nr. 5
Nach oben scrollen