Verkehrte Welt

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
Erkunde das Mittelalter: Über 3.979 Seiten und mehr als 6.400 Einträge bieten dir einen tiefen Einblick in diese Ära. Vom Ablass bis zur Zunftordnung - dieses eBook ist dein Guide durch die Geschichte, Gesellschaft und Kultur Europas von 500 bis 1500 n. Chr. Entdecke in „Leben im Schatten der Zinnen“ auf 122 Seiten die mittelalterliche Burgenwelt: Architektur, Alltag und ihre Rolle im Mittelalter kompakt erklärt.

verkehrte Welt. Komisches, auf antike Vorbilder (Aristophanes, Virgil) zurückgehendes Motiv mittelalterliche Dichtung, bei dem dargestellt wird, dass die Welt in Unordnung geraten ist, auf dem Kopf steht. Beliebtes literarisches Stilmittel war dabei die – möglichst umfängliche – Reihung von Beispielen der Entartung und der Rollenverkehrung (adynata, impossibilia); den Rahmen bildeten Topoi wie “Zeitklage”, “Zeitrüge”, “Torenspiegel” oder auch die Sehnsucht nach der guten alten Zeit, als noch die rechte Ordnung herrschte, oder nach dem utopischen Schlaraffenland (Cucania), wo einem alles Begehrenswerte zufliegt, Fleiß bestraft und Faulheit belohnt wird. (Das Schlaraffia-Motiv erscheint erstmals mit dem “Abbas Cucaniensis” in den Carmina Burana.)

Beispiele für das Genre finden sich bei Theodulf (er verspottet Dichterlinge am Hofe Karls d. Gr., indem er Schwanengesang mit Rabengekrächz und den Sänger Orpheus mit dem Hirten Tityrus vertauscht), bei Walahfrid Strabo (die Zeit sei dergestalt, dass denn die Hühner Böcklein werfen und die Ziegen Eier legen möchten), in den “Carmina Burana” (Schumann Nr. 37: das Vieh redet, der Ochs ist hinter den Wagen geschirrt, Säulenkapitell und -basis sind vertauscht, ein ungelehrter Tölpel wird Prior), bei Alanus ab Insulis (im “Anticlaudianus”: im Hain der Fortuna sind große Bäume klein, singt statt der Nachtigall die Lerche), bei Johannes de Hanville (im “Architrenius” lässt er die Schildkröte fliegen und den Hasen gegen den Löwen angehen) oder bei Chrestien des Troyes (im “Cliges” flieht der Hund vor dem Hasen, jagt der Fisch den Biber und das Lamm den Wolf). Beliebte Rollenverkehrungen, wie etwa das böse, den Rocken als Zepter schwingende Weib und der haspeldrehende Ehemann, oder die Hasen, die einen gefesselten Jäger tragen, erscheinen in der bildenden Kunst. Rollentausch findet auch statt beim Fasnachtstreiben (s. Fasnacht, Fasnachtsspiel) oder beim Kinderbischofspiel. Manche bildhafte Vorstellungen, wie z.B. der seinen Knecht bedienende Herr, die auf die Tische steigenden Stühle oder der Bauer, der seinen Esel trägt, verraten sozialrevolutionäre Phantasien.

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