Backsteinbau

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Backsteinbau (mndd. backstein, wohl Lehnübersetzung von lat. later coctus = gebackener Baustein, Backstein; Backsteinmacher = laterarius). Nach dem Niedergang des röm. Imperiums gab es im Bereich des heutigen Deutschlands jahrhundertelang keine Ziegler und Ziegelsteine mehr. Erst in klösterlichen Ziegeleien (mhd. zygelhus; mlat. tegularium, domus latericium) wurde die Ziegelmacherei neu belebt. Backsteine fanden schon bei der von Einhard in Steinbach (einem Ortsteil von Michelstadt i. Odenwald) erbauten Basilika Verwendung (vollendet 821), sowie bei der Seligenstädter Abteikirche (begonnen 826).

Der Mangel an gewachsenem Stein in der gesamten norddeutschen Tiefebene führte dazu, dass hier länger an der traditionellen Holzbauweise festgehalten wurde. Nur gelegentlich wurden Kirchen oder wenigstens deren Turm aus Granitfindlingen (Feldsteinen) aufgeführt. Etwa zeitgleich mit der Ostkolonisation (bis zur Mitte des 12. Jh.) breitete sich – wahrscheinlich unter dem Einfluss lombardischer Fachleute und getragen von Zisterziensern und Prämonstratensern – die Kunst des Ziegelformens und -brennens aus, wofür genügend Rohmaterial in Form von Lehm und Schlick zur Verfügung stand. Es entwickelte sich ein eigenständiger norddeutscher Backsteinbau-Stil, der sich im Bereich der Hanse und des Deutschen Ordens, also bis nach Skandinavien, Polen und dem Baltikum verbreitete. (Älteste Beispiele: Klosterkirche von Jerichow, fertiggestellt 1155 von Maurern aus Pavia; Domtürme, Johannes- und Andreaskirche in Verden/Aller, etwa ab 1150; Dom zu Ratzeburg, beg. um 1160; Dom zu Brandenburg, beg. Um 1161; Klosterkirche in Doberan, gegr. 1171; Klosterkirche Lehnin, um 1180; Klosterkirche Eldena, 1199). In Süddeutschland erscheint der Backsteinbau auf dem Gebiet der Schotterflächen zwischen Lech und Inn (Benediktinerklosterkirche Tierhaupten in Bayerisch-Schwaben, vollendet vor 1170; St. Peter in Augsburg, um 1182). Beispiele bayerischer Backsteingotik sind die Frauenkirche in München (beg. 1468) und die Martinskirche in Landshut (beg. 1389).

Das damalige Ziegelformat (“Klosterformat”) war deutlich größer als das heutige, nämlich etwa 1 x 1/2 x 1/3 Fuß (nach neuzeitl. Normierung 28,5 cm x 13,5 cm x 8,5 cm). Bis zum Ende des 13. Jh. steigerten sich die Maße auf 32 cm x 15 cm x 9 cm (Marienburg). Das Gewicht betrug ca. 6 – 8 kg. Wichtig war, dass der Maurer vor Ort den Stein mit einer Hand greifen und versetzen konnte, damit er die andere Hand für die Kelle frei behielt (“Einhandstein”). In Altbayern hat es “zweihändige Ziegel” mit ca. 36-38 cm x 16-17cm x 7 cm gegeben.

Backsteinmauerwerk bestand aus zwei eine Steintiefe starken Schalen; der dazwischenliegende Raum wurde mit Bruchwerk und Mörtel verfüllt. Die Mauerfläche wurde durch wechselnde Anordnung der Steine als Läufer (Langseite sichtbar) und Binder bzw. Köpfe (Schmalseite sichtbar) gegliedert. Als “gotischen” oder “Kloster-Verband” bezeichnet man eine Ziegelanordnung, bei der zwei Ziegellangseiten (Läufer) mit einer Schmalseite (Binder) wechseln. Dabei liegt der Läufer mittig über dem Binder der darunter liegenden Schicht; die Schichten sind gegeneinander verschoben, so dass die Fläche ein geschlossenes, teppichartiges Bild ergibt. Beim “wendischen” oder “polnischen Verband” wechseln Läufer und Binder, wobei die Stoßfugen jeder zweiten Schicht wieder übereinanderstehen. Charakteristisch für die mittelalterliche Fugentechnik war ein dachartiger Mittelgrat, der durch zweifaches gegenläufiges Abstreichen der Fuge entstand; nachmittelalterliche Fugen sind glatt abgestrichen.

Bemerkenswert ist, dass die mittelalterliche Baumeister die Verwendung von Backsteinen im Fundament- und Sockelbereich vermieden haben.

Weiß verputzte Blendnischen und Fensterleibungen kontrastierten zum warmen Grundton der Mauern. Gelegentlich wurden bunt glasierte Backsteine (vor allem schwarze, dunkelgrüne, braune, gelbe) zur farblichen Bereicherung verwendet. Auch Säulen samt Basis und Kapitell wurden aus Backstein gemauert. Für Kreuzrippen, Fenster- und Portalleibungen, Maßwerk und anderes architektonisches Zierwerk wurden in besonderen Modeln gebackene Formsteine verwendet.

Auch beim norddeutschen Backsteinbau unterscheiden wir eine romanische und gotische Stilepoche (s. Backsteinromanik, Backsteingotik).

Häufig galt das Rot der Backsteine als nicht ausreichend, und man half mit einer farbigen Fassung nach. Ein überliefertes Rezept für einen roten Farbanstrich enthält neben einem Teil caput mortuum (rotes Eisenoxid) zwei Teile Heringslake und fünf Teile Wasser. Salz, Fett und Eiweiß der Heringslake erhöhen die Haltbarkeit des Anstrichs.

(s. Ziegelherstellung, Ziegler)

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