Bestattung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Bestattung (mhd. bestatunge {zu mhd. stat = Stätte, Ort}, grabelege, grabelegede; lat. sepultura, humatio). Der Umgang mit toten Körpern war seit je durch Erfordernisse der Hygiene und durch Gefühle wie Furcht oder Verehrung bestimmt gewesen. Die christ. Bestattung in geweihter Erde war schon zu Beginn des Mittelalter allgemein üblich, nur die Slawen, Litauer und Pruzzen blieben bis ins 10 Jh. überwiegend bei der Feuerbestattung (cadaverum crematio). In den Reihengräberfeldern des Frühmittelalter unterschieden sich Heiden und Christen durch ihre Lagerung; Heiden wurden in N-S-Lagerung beerdigt, Christen lagen mit dem Kopf gegen Westen, den Blick nach Osten gewandt. Die Arme waren anfänglich in gestreckter Haltung, etwa ab 1000 in Gebetsgebärde über der Brust gekreuzt gelagert. Im Frühmittelalter waren Bestattungen innerhalb der Stadt verboten. Erst allmählich setzte sich der Brauch durch, Friedhöfe in unmittelbarer Umgebung der Kirche (“ad sanctos”) anzulegen. Die Wahl des Friedhofs war – auch Frauen – freigestellt; Kinder wurden bei ihren Eltern beigesetzt. Entgegen der Forderung des Mainzer Konzils von 813, “dass kein Toter in der Kirche bestattet werden soll”, wurde es Brauch, dass hohe Geistliche und herausragende Laien (Stifter, Patronatsherren) ihre letzte Ruhestätte innerhalb der Kirche oder im Kreuzgang fanden. Ein Konzil zu Tribur (895) untersagte die Beisetzung von Laien in Kirchen. Tatsächlich wurden auserwählte Persönlichkeiten weiterhin in Kirchen und Kapellen bestattet. Von christl. Bestattung ausgeschlossen war, wer der Kirche nicht angehörte (Nichtchristen), ihr noch nicht angehörte (ungetaufte Kinder) und wer ihr nicht mehr angehörte (Ketzer, Exkommunizierte, Schismatiker, Indizierte, Selbstmörder, reuelos hingerichtete Verbrecher); durch ihre Beisetzung wäre der Friedhof entweiht worden. Außerdem versprach man sich von der Verweigerung des christlichen Begräbnisses eine erzieherische Wirkung. Juden hatten eigene Friedhöfe außerhalb der Stadt. Von einer besonders ehrlosen Bestattungsform im Gefolge einer Hinrichtung sprach man im juristischen Sprachgebrauch als von einem “Hundsbegräbnis”.

In das Bestattungsritual gingen vorchristliche und christliche Bräuche ein. Sie zielten darauf ab, den Toten der Liebe und des Gedenkens der Hinterbliebenen zu versichern, ihn seinem Stand entsprechend zu ehren, seinen vergänglichen Teil bis zur Auferstehung zu bewahren und sein Angedenken durch ein Mahnmal (Totenbrett, Kreuz, Epitaph) und durch Gedenkgottesdienste wachzuhalten. Handlungen des Totenkults waren Waschung, Einhüllen in Totentücher, Aufbahrung, Totenklage (Klageweiber), Totenwache, Läuten der Totenglocke (s. Glockenläuten), Abhalten einer Totenmesse und Begräbnis. Mit großem Pomp und unter Beteiligung des Klerus und der Bevölkerung (processionaliter) wurden die Bestattungen von geistlichen und weltlichen Würdenträgern begangen, die ihre Grabstätte meist in Kirchen und Klöstern fanden. Weitaus bescheidener war die Totenliturgie für die Mittel- und Unterschichten (sepultura simplex laicorum et plebeiorum), die ihre letzte Ruhestätte auf den Pfarrfriedhöfen, im Spätmittelalter auch auf den Friedhöfen der Dominikaner- und Franziskanerklöster fanden. Eigene Riten haben sich für Begräbnisse im Mönchtum entwickelt, so das Einnähen in die Kutte und das Aufbahren auf dem bloßen Boden der Kirche.

Aus praktischen Erwägungen (Überführung über weite Strecken) und religiösen Gründen (bessere Reliquiengewinnung) kam es trotz kirchlicher Verbote bis ins Spätmittelalter – hauptsächlich bei Kriegs- und Kreuzzugsteilnehmern – zu Teilbestattungen. Als “mos teutonicus” bezeichnete man das Skelettieren der Leiche durch Abkochen. Während die Fleischteile an Ort und Stelle begraben wurden, konnte das Gerippe in die Heimat zurückgebracht werden. Bei einer anderen Form der Teilbestattung hochgestellter Persönlichkeiten wurde das Herz an einem besonders weihevollen Ort, die Eingeweide und der Körper an anderen Stellen beigesetzt. So wurde z.B. Landgraf Ludwig III. von Thüringen, den auf der Heimreise von einer Kreuzfahrt auf Zyperrn der Tod ereilt hatte, derart bestattet, dass man seinen Leib kochte, die Weichteile begrub und die ausgelösten Knochen in die Heimat überführte.

Um 1300 zeigten sich in den Städten erste Ansätze eines kommunalen Begräbniswesens. Die vom Rat bestellten Totengräber abeiteten nicht immer gegen Lohn, häufig hatten sie das Recht, von den Angehörigen der Toten Gebühren zu fordern. Erst im ausgehenden Mittelalter kam in vielen Gegenden und bei den Vermögenderen der Brauch auf, Tote nicht nur auf einem Totenbrett, in Rinderhäuten oder in einer hölzernen Sargkiste (Totenbaum, Truhe, Lade, Trauf, Hohl, Schrein usw.) zum Friedhof zu tragen, sondern sie in einem hölzernen Sarg (mhd. sarc, sarch; v. lat. sarcophagus) zu beerdigen. Für hochgestellte Persönlichkeiten gab es monolithische Steinsarkophage (sarcstein) oder Bleisärge. Angehörige der Unterschichten wurden im Randbereich des Friedhofs dicht bei dicht beigesetzt, wobei durch Platzmangel bedingte Neubelegungen immer wieder zu Grabstörung führten und die Gräber nur für kurze Zeit mit einem Kreuz oder Totenbrett markiert werden durften. Mancherorts wurden ergrabene Schädel und Gebeine in Beinhäusern gut sichtbar aufbewahrt. Hohe geistliche und weltliche Würdenträger wurden innerhalb von Kirchen bestattet.

(s. Epitaph, Eselsbegräbnis, Friedhof, Grab, Grabmal, Judenfriedhöfe, Krypta, Pestfriedhöfe, Prozession, Sterben, Tod)

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