Deutschritterorden

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Deutschritterorden (Deutschherren, Deutscher Orden, Marienritter, Kreuzritterorden, Ordo Theutonicorum, O.T.). 1190 gründeten Bremer und Lübecker Kaufleute in Akkon einen Orden zur Krankenpflege und zum Schutz von Pilgern im Hl. Land. Nach einem alten deutschen Marien-Spital in Jerusalem wurde er “Ordo domus [hospitalis] Sanctae Mariae Theutonicorum Ierusalimitanorum” genannt. 1198 wurde der Orden von Papst Innocenz III. bestätigt und zum geistlichen Ritterorden erhoben (Equites Teutonici hospitales s. Mariae virginis Hierosolymitanae; ordo militaris Theutonicorum). 1221 wurde der Orden durch Honorius III. (1216 – 27) endgültig eximiert, nachdem er schon 1196 weitgehend aus der episkopalen Zuständigkeit gelöst worden war. Unter dem gleichen Papst wurden bedeutende Privilegien gewährt, darunter die geldträchtige Vermittlung eines Kreuzzugsablasses. (s. Kommutation)

Die Wirkung des Ordens im Hl. Land blieb gering und auf die Gegend um Akkon beschränkt. Nach dem Verlust der Ordensburg Montfort (1268) verließen die Kreuzritter Palästina und zogen sich auf ihre dt. Ordenshäuser zurück, denen zumeist auch Spitäler angegliedert waren (Halle, Nürnberg, Sachsenhausen, Marburg, Mergentheim u.a.).

In Europa hatte sich der Orden – nach einem nicht eben rühmlichen Zwischenspiel in Siebenbürgen (1211 – 25) – die Missionierung und Kolonisierung der Länder nordöstlich der Reichsgrenze zur Hauptaufgabe gemacht. Zur rechtlichen Absicherung des Einsatzes gegen die Pruzzen schloss Hochmeister Hermann von Salza Verträge mit Kaiser Friedrich II. (Goldbulle von Rimini, 1226) und mit Konrad von Masowien (Vertrag von Kruschwitz, 1230), in denen dem Orden Hoheitsrechte im zu erobernden Preußen und Landgewinn im Kulmer Land zugesagt wurden. 1231 begann von Kulm und Thorn aus der Kreuzzug gegen die Pruzzen. 1234 nahm Papst Gregor IX. das junge Ordensland “in das Recht und Eigen des hl. Petrus”, um es seinerseits dem Orden zu verleihen (Urkunde von Rieti). Bis 1283 war die pruzzische Bevölkerung bekehrt oder ausgerottet, waren verschiedene dt. Städte gegründet worden (Thorn, 1230; Kulm, 1232; Elbing, 1237; Königsberg, 1255). Die dt. Neusiedler im Ordensland lebten nach dem vom Magdeburger Stadtrecht hergeleiteten Kulmer Recht (s. Kulmer Handfeste, 1233). Sie genossen persönliche Freiheit und schuldeten mäßige Abgaben und Leistungen.

1237 hatte sich der Ordensstaat mit Hilfe des Schwertbrüderordens Livland und Kurland einverleibt, 1308 gewann er Pommerellen mit Danzig, 1346 das bis dahin dänische Estland, 1398 Gotland. Mit der 1402 von König Sigismund v. Ungarn gekauften Neumark erreichte der Deutschritterstaat seine größte Ausdehnung. Der Versuch, das Ordensgebiet nach Rußland hinein auszudehnen, wurde aufgegeben, nachdem ein Ritterheer des Ordens auf dem zugefrorenen Peipus-See von dem Nowgoroder Großfürsten Alexander Jaroslawitsch, gen. Newskij geschlagen worden war (05.04.1242). Über Truppenstärken und Verlust gehen die Schätzungen auseinander. Heute gelten 3.000 bis 4.000 Kämpfer auf russischer und 500-600 Ordensritter sowie 1.000-1.200 Mann estnischer Fußsoldaten auf katholischer Seite als wahrscheinlich. Viele Ritter und zahlreiche Fußkämpfer der Ordenstruppen wurden erschlagen, einige Dutzend adliger Ordensbrüder gingen in Gefangenschaft. Im Sommer des gleichen Jahres kam es zu einem Friedensabkommen, in dem die Narwa als östliche Grenze der Ordensländer festgelegt und ein Gefangenenaustausch vereinbart wurde.

Unter dem Hochmeister Winrich von Kniprode (1352 – 82) stand der Ordensstaat wirtschaftlich und kulturell in voller Blüte, seine Städte (Danzig, Thorn, Elbing, Königsberg, Braunsberg, Kulm) gehörten der Hanse an. Um 1410 waren im Ordensland mehr als 1.400 landesherrliche und ritterschaftliche Dörfer gegründet worden, zählte man 93 vom Orden gegründete oder von ihm mit dt. Recht begabte Städte. Die Kirche des Ordenslandes wurde von den vier Bistümern Kulm, Pomesanien, Ermland und Samland geführt.

Auseinandersetzungen mit König Wladislaw II. Jagiello von Polen und dem litauischen Großfürsten Vytautas führten in der Schlacht von Tannenberg (1410) zu einer vernichtenden Niederlage des Ordens, bei welcher der Hochmeister Ulrich von Jungingen mit allen hohen Ordensführern umkam. (In dieser wohl gewaltigsten Schlacht des Mittelalter trafen geschätzte 27.000 Kämpfer des Ordens auf – wiederum geschätzte – 39.000 polnisch-litauische Kämpfer unter der Führung von König Wladislaw II. Nach zehnstündigem Ringen sind die Deutschen mit Hilfe eines russisch-tatarischen Kontingents eingekesselt und werden aufgerieben.) Im anschließenden 1. Thorner Frieden (1411) verpflichtete sich der Hochmeister Heinrich von Plauen zu hohen Entschädigungszahlungen, das Ordensgebiet blieb (bis auf Samogitien) erhalten. Gegen den geschwächten Ordensstaat erhoben sich die unzufriedenen Städte, Stände und Adeligen; sie sahen ihre wirtchaftliche Zukunft eher bei der Hanse und in Polen, schlossen sich 1440 zum Preußischen Bund zusammen und bekämpften den Ordensstaat mit der Hilfe Polens. Nach langen Kämpfen (1454-1466, “Dreizehnjähriger Krieg”) musste der Orden im 2. Thorner Frieden (1466) große Gebietsteile samt Danzig und Marienburg an Polen abtreten, und für den restlichen, nunmehr Preußen genannten Staat, die polnische Lehenshoheit anerkennen. Die geschichtliche Rolle des Deutschritterordens war zu Ende. (Der letzte Hochmeister, der Hohenzoller Albrecht von Brandenburg, säkularisierte den Ordensstaat und machte ihn 1525 zum erblichen Herzogtum Preußen unter Lehnshoheit des poln. Königs.) Auch die finanzielle Basis des Ordens war durch die spätmittelalterliche Agrarkrise, infolge derer die Getreidepreise verfielen und viele Bauern auf Ordensland in Schulden gerieten und ihre Höfe aufgaben, stark geschwächt worden.

Ordensoberer war der vom Generalkapitel auf Lebenszeit gewählte Hochmeister, der seinen Sitz bis 1291 in Akkon, danach in Venedig, ab 1309 auf der Marienburg an der Nogat und ab 1466 in Königsberg hatte. Ordenstracht der Ritter war der weiße Mantel mit schwarzem Balkenkreuz. Dienende Brüder trugen graue Umhänge (“Graumäntler”). Der Adler, der von Friedrich II. gestiftet worden war, wurde zum Wappentier Preußens. Die Gemeinschaft des Deutschritterordens umfasste gleichberechtigte Ritter und Priester sowie dienende, nichtadlige Halbbrüder und Familiaren – den Laienbrüdern der Zisterzienser entsprechende Landarbeiter und Handwerker in den Betrieben des Ordens. Dem Hochmeister standen fünf Großgebietiger zur Seite. Der erste der Großgebietiger, Großkomtur genannt, fungierte als Vertreter des Hochmeisters. Ordensmarschall, ® “Spittler” und ®”Trap(p)ier” füllten eher Ehrenämter aus, als dass sie – wie früher in Palästina – bestimmte Funktionen hatten; der ®”Tressler” oder ®”Schaffer” war für Handel und Finanzen zuständig.

Das Ordensland Preußen war in Komtureien gegliedert und unterstand wie Livland einem Landmeister. Ordensgebiete außerhalb Preußens – überwiegend Streubesitz – unterstanden dem Deutschmeister. Sie waren in Balleien unterteilt, die wiederum in Komtureien zerfielen. Vorsteher einer Ballei war der Ballivus, der einer Komturei der Komtur, der mit einer Gruppe von Brüdern in einem Ordenshaus lebte.

Ordenspatronin war neben St. Marien die Hl. Elisabeth, deren Grabeskirche und Spital in Marburg dem Orden gehörten.

(s. Deutschordensliteratur, Ostkolonisation)

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