Eheschließung

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Eheschließung (v. mhd. ewe, ahd. ewa = Ehe[vertrag]; mhd. auch hochgezit; lat. matrimonium, conubium, coniugium). Die Eheschließung geschah in german. Tradition dadurch, dass der Vater oder der Vormund der Braut diese dem Bräutigam übergab (traditio puellae) und dieser die Braut feierlich in sein Haus geleitete (s. Brautlauf). Zu diesem rein weltlichen Akt, als der der Eheschluss das ganze Mittelalter hindurch galt, kam im Frühmittelalter der Besuch der Brautmesse und der priesterliche Segen. Zwischen dem 9. und 12. Jh. bildete sich ein fester kirchlicher Ritus, der jedoch nicht obligatorisch war. Im “Capitulare Missorum” Karls d. Gr. von 802 wurde empfohlen, unter kirchlichem Segen zu heiraten. Von Frankreich her setzte sich im 12./13. Jh. auch im regnum teutonicum der Brauch durch, der Brautmesse am Tag nach der Hochzeit eine Zeremonie mit Erfragung des Ja-Wortes und Segnung der Eheleute (benedictio sacerdotalis) an der Schwelle der Kirche (“in facie ecclesiae”, “in conspectu ecclesiae”, “ante valvas ecclesiae”) vorangehen zu lassen. Die Verlegung der Segensspendung vor die Kirchentür geschah aus der Absicht, Öffentlichkeit herzustellen (“nuptiae publicae”). Der zusammensprechende Priester sprach vom 14. Jh. an die Formel: “Et ego coniungo vos in nomina Patris, et Filii, et Spiritus Sancti”. Für die Zeremonie war an größeren Gotteshäusern ein eigenes Portal vorgesehen, das meist an der Nordseite gelegen und häufig überdacht war (Brauttür). (Erst vom 16. Jh. an wurde die Hochzeit zunehemend vor dem Altar geschlossen.) Das Aufgebot vor der Eheschließung – die öffentliche Bekanntmachung einer beabsichtigten Eheschließung und die Aufforderung, Ehehindernisse anzugeben – wurde vom 4. Laterankonzil (1215) gefordert. Die Ehewilligen hatten ihr Vorhaben dem Prister, den Eltern und den Angehörigen ihrer Pfarrei rechtzeitig bekannt zu geben, damit diese die Art der Verwandtschaftsverhältnisse klären konnten (“propinquitatem examinare”).

Seit dem 12. Jh. galt die Eheschließung als Sakrament, das kirchliche Eherecht griff in alle Belange der Eheschließung und des Ehelebens ein (s. Ehe).

Ehen wurden von den Eltern, den Verwandten oder dem Grundherrn gestiftet, gründeten also nicht in der gegenseitigen Zuneigung der Brautleute, sondern in dynastischen, sozialen oder fiskalischen Überlegungen. Dies umsomehr, solange Frühehen üblich waren, bei denen die Braut mindestens 12, der Bräutigam mindestens 14 Jahre alt war. (Das durchschnittliche Heiratsalter stieg kontinuierlich an und lag um 1500 bei Männern um 24, bei Frauen zwischen 16 und 21 Jahren. Bei Ehen, die aus dynastischen Gründen geschlossen wurden, kam es gelegentlich zu grotesken Altersunterschieden. So wurde beispielsweise der 17-jährige Welf V. mit der 42-jährigen Mathilde von Tuszien verheiratet (1089), um deren umfangreiche Güter in Italien und Lothringen in welfischen Familienbesitz zu bringen.) Allgemein heiratete man unter Ebenbürtigen, unter Leuten gleichen Standes. Minderbürtige Ehefrauen, auch Frauen “zur linken Hand” genannt, erreichten nicht den Stand des Mannes, waren erbrechtlich benachteiligt, ihre Kinder blieben im geringeren Stand (sie “folgten der ärgeren Hand”; s. morganatisch). Unfreie mussten gemäß dem Hofrecht zur Eheschließung die Zustimmung des Herrn einholen (forismaritagium).

Der Ehevertrag wurde zwischen dem Bräutigam und dem Vater (oder sonstigem Muntwalt) der Braut geschlossen. Mit der Trauung ging die Braut aus der Munt des Vaters in die des Bräutigams über (s. Muntehe). Kirchenrechtliche Bestimmungen forderten seit dem vierten Laterankonzil (1215) unter anderem die Einwilligung der Braut, was deren – wenn auch anfänglich eher theoretische – rechtliche Besserstellung brachte. (Zugrunde lag die alte röm. Rechtsvorstellung vom ehestiftenden Konsens: consensus facit nuptias. [Konsensehe; dazu steht im Gudrunlied, entstanden um 1200:

“Es ward bisher der Sitte noch also getan,

Dass keine Frau je sollte nehmen einen Mann,

Es wäre denn ihr beider Wille”])

Dem Grundsatz des ehestiftenden Konsenses standen bis ins Spätmittelalter dörfliche Weistümer und städtische Gesetze gegenüber, nach denen einer, der eine Frau ohne Einwilligung des Vaters oder – bei Unfreien – ohne Zustimmung des Grundherren geheiratet hatte, streng zu bestrafen war (z.B. mit Enterbung, Stadtverweis, Kerker, sogar mit der Todesstrafe).

Die Eheschließung vollzog sich nach einem festen Reglement. Auf die Werbung (petitio) und die vertragsmäßige Festlegung von Mitgift und Brautgabe (Wittum) folgte die Verlobung (desponsatio) in der Kirche oder im Rathaus, die Heimholung (s. Brautlauf) und schließlich das Hochzeitsfest (nuptiae) mit Brautbad (s. Badhaus), Trauung (traditio), Festmahl und öffentlicher Besteigung des Brautbetts – häufig nach dessen vorsorglicher Einsegnung und Ausräucherung, um der weithin befürchteten Anzauberung von Impotenz (impotentia per maleficionem) entgegenzuwirken. (Das “Beilager” [copula carnalis] galt als rechtserheblicher Akt, ohne welchen die Ehe nach kanonischem Recht keine Rechtsgültigkeit erlangte. Bischof Ivo von Chartres [11./12. Jh.] war der Auffassung, dass Konsenes der Gatten eine gültige Ehe selbst dann begründete, wenn es nicht zum Geschlechtsverkehr komme. Auch der Theologe Petrus Lombardus [um 1100-1160] legte dar, dass es der Konsens und nicht der Vollzug sei, der die Ehe ausmache.)

Am Morgen nach Hochzeitsnacht und erstem Beilager erhielt die Frau als symbolische Entschädigung für den Verlust der Jungfräulichkeit die Morgengabe (donum propter nuptias). Mitgift, Brautgabe und Morgengabe sollten den Unterhalt der Frau für den Fall sichern, dass sie verwitwete. Im Fall ihres Todes gingen diese Vermögensteile an ihre Kinder, bei Kinderlosigkeit an ihre oder ihres Mannes Familie. Um 1200 kam die einseitige Ringgabe (der “annulus pronubus”) an die Braut auf, Ringwechsel der Brautleute (“mutatio anulorum”) wurde erst im 13.Jh. üblich.

Neben der Muntehe gab es im Frühmittelalter die sog. Friedelehe (v. mhd. vriedele, vriedelinne = Geliebte, Buhlin; vriedel = Geliebter, Buhle), die in gegenseitiger Zuneigung der Partner gründete, Standesgleichheit nicht zur Voraussetzung hatte und von jeder Seite jederzeit wieder aufgelöst werden konnte. Sie wurde mit öffentlicher Heimführung und Bettbeschreitung vollzogen, wenn auch ohne Trauung und Brautgabe, die Morgengabe war indes verbindlich. Männer konnten mehrere Friedelfrauen haben (Polygamie), Frauen konnten dagegen nur eine Friedelehe eingehen. Wurde eine vriedele (lat. amica) verstoßen, so musste sie ohne Mitgift das Haus verlassen. Kinder aus einer Friedelehe galten als frei geboren aber unehelich; sie hatten kein Erbanrecht auf Grundbesitz, traten nur in dem Fall in den Erbgang ein, in dem die offizielle Ehefrau unfruchtbar war. Die Kirche wandte sich gegen die Friedelehe und setzte sie mit dem Konkubinat gleich. Nur für den Fall, dass die Brautgabe nachträglich geleistet wurde, wurde eine Friedelehe kirchlicherseits als rechtmäßig anerkannt. Trotz kirchlicher Diffamierung als Konkubinat hat sich ein Nachklang dieser Eheform bis ins Spätmittelalter als ®”Morganatische Ehe” oder “Ehe zur linken Hand” erhalten.

Monogamie und Unauflöslichkeit der Ehe setzten sich unter kirchl. Druck erst im 10. Jh. auch beim Adel allgemein durch, außereheliche Beziehungen und “Ehen zur linken Hand” wurden geduldet. So wurde der außereheliche Geschlechtsverkehr mit Mägden weiterhin als Recht des Herren angesehen und praktiziert.

All dies galt nur für die oberen Schichten der Gesellschaft. Wer ohne Besitz war, hatte keine rechtlichen Angelegenheiten zu regeln; er nahm sich den Ehepartner ohne jede juristische oder kirchliche Formalität.

Im Spätmittelalter suchten Obrigkeit und Zünfte, den für großbürgerliche Hochzeiten betriebenen überbordenden Aufwand (mit Festgelage, Tanz, Gauklern und Musikanten, prächtiger Gewandung, Geschenken usf.) zu beschneiden. Es entstanden Luxusordnungen, welche die Dauer der Festlichkeit, die Zahl der Gäste, den Wert der Geschenke, die Art der Speisen und der Musik usf. teilweise bis ins Detail reglementierten. Ähnliche Verordnungen entstanden auf dem Lande, wo reiche Bauernfamilien dem von Adel und Großbürgertum betriebenen Aufwand nachzueifern suchten. Keinerlei Begrenzung gab es dagegen für Prunk- und Verschwendungssucht bei Hochzeiten in Herrscherhäusern.

Bezüglich des Hochzeitstermins bestanden bestimmte – sowohl praktisch wie abergläubisch bedingte – Schwerpunkte; so waren besonders im ländlichen Bereich Hochzeiten außerhalb der Feldbestellung beliebt, also im Vormärz (etwa vor Fasnacht) oder im Herbst (zur Kirchweihzeit). Als ungünstige Termine galten Sonntage, Tage stürmischen, regnerischen oder nebligen Wetters und Zeiten abnehmenden Mondes.

Viele Hochzeitsbräuche zielten auf Eheglück und reichen Kindersegen, so das Überschütten der Brautleute mit Getreidekörnern (vorzugsweise Hirse) oder das Lärmen zum Vertreiben der Dämonen (Peitschenknallen und Schüsselschlagen am “Polterabend”).

(s. Aussteuer, Hochzeit, Polternacht, Verlobung)

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