Ehre

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Ehre (mhd. ere, ahd. era; ursprünglich akt. = Ehrfurcht, Ehrerbietung einem Herrn gegenüber; später pass. = Ansehen, Ruhm; lat. honor). Die innere Ehrenhaftigkeit (tugent) und das Ansehen, der Ruf, die Wertschätzung, die Achtung, die man in der Gesellschaft genoss, die einem entgegengebracht wurden (werdekeit, lop, pris), waren auf der sittlichen Werteskala des mittelalterliche Menschen von höchstem Rang. Der Begriff war eng verknüpft mit Stand, Besitztum und Amtsrang und galt als Voraussetzung für volle Rechtsfähigkeit. In “Unehrlichkeit” verfiel man – so man nicht hineingeboren war – durch Feigheit, durch Ächtung infolge begangener Meintat (Mord, Vergewaltigung, Raub, Versetzen eines Grenzsteines), wegen Verrats oder Betrugs, durch Hinnahme von ehrrühiger Beschimpfung oder Beleidigug, auch durch erlittene schändliche Strafen (s. Ehrenstrafe), letztlich auch infolge einer abstoßenden Krankheit (z.B. Lepra). Intaktheit oder Beschädigung der Ehre betraf über das Individuum hinaus die jeweilige Sippe, Familie, Bruderschaft usf. Sofern Ehrenhändel nicht auf dem Selbsthilfe- bzw. Fehdeweg erledigt wurden, konnten sie vor Gericht gebracht und durch Widerruf und Abbitte oder durch Geldbuße abgetan werden. Kam es zu keiner einvernehmlichen Lösung, wurde eine der Ehrverletzung entsprechende Ehrenstrafe verhängt.

Die Ehre des Mannes beruhte – umsomehr, wenn er der Elite zuzurechnen war – auf Eigenschften wie Tapferkeit, Treue, Redlichkeit, Gelehrsamkeit, Zucht, Frömmigkeit; die Ehre der Frau wurde im Wesentlichen an deren Keuschheit, Demut und Gottesfurcht festgemacht. Daraus folgte, dass sexuelle Fehltritte des Mannes seiner Ehre kaum abträglich waren, während solche einer Frau deren Ehrsamkeit stets beschädigten und streng geahndet wurden (s. Ehebruch).

Im mittelalterliche Ständesystem galten Leibeigene und Angehörige bestimmter Berufe oder Randgruppen als ®”unehrliche Leute” (z.B. Abdecker, Henker, Spielleute, Türmer, Zigeuner), waren von eingeschränkter Rechtsfähigkeit oder rechtlos.

Nach kirchl. Recht hatte Ehrverlust zur Folge, dass der Betroffene keine Anklage erheben, kein Zeugnis ablegen und keine Weihe erhalten durfte.

Die ritterliche Tugend der Ehre war vom Ehrbegriff des german. Vasallentums hergeleitet, welcher auf dem durch Tapferkeit, unverbrüchliche Treue und Selbstzucht errungenem Ansehen beruhte. Zur Wahrung bzw. Wiederherstellung der Ehre wurde häufig zu Mitteln der Selbstjustiz (s. Blutrache, Fehde) gegriffen. Die Kirche knüpfte an dieser archaischen Ehrauffassung insofern an, als sie Ehre mit christl. Tugenden verknüpfte. Im höfischen Zeremoniell kam ein Ehrbegriff zum Ausdruck, der die Rangfolge adliger Ehrwürdigkeit nach hierarchischen Gesichtspunkten abstufte (etwa bei der Tischordnung oder beim Empfangszeremoniell).

Das Verdikt der Ehrlosigkeit sollte Meintätige und Feiglinge treffen; spätestens in der spätmittelalterliche Niedergangszeit des Rittertums jedoch galten Raub, Mord, Vergewaltigung und Verrat einem Teil der Ritterschaft als geläufige, die Selbstachtung kaum tangierende Taten. Unbeschadet dessen hat der höfische Ehrbegriff seinen Eindruck auf die mittelalterliche Gesellschaft nicht verfehlt, und wirkt noch heute nach.

(s. Ritterlichkeit; Ritterwürde, Verlust der; Würde).

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