Empfängnisverhütung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Empfängnisverhütung galt der Kirche von jeher als schwer sündhaft. Sie zog automatisch Exkommunikation und ewige Verdammnis nach sich und konnte nur durch drakonische Kirchenstrafen gebüßt werden (s. Bußbuch). Einem fränk. Bußbuch von 680-780 zufolge wurde medikamentöse Kontrazeption – ebenso wie Mord – mit zehnjähriger Kirchenbuße geahndet, also völliger sexueller Enthaltsamkeit bei Wasser und Brot für die Dauer von 10 Jahren. Die kirchenrechtliche Gleichstellung von Empfängnisverhütung und Mord (Bischof Cäsarius: “So viel Verhütung, soviel Mord”) blieb im ganzen Mittelalter gültig und fand zu Beginn des 16. Jh. auch Eingang in die weltl. Strafgesetzgebung. Empfängnisverhütende Mittel und Praktiken der Antike wurden über die Araber, die eigene Erkenntnisse beisteuerten, ins mittelalterliche Europa vermittelt. Empfohlen wurden: Rezepturen zur innerlichen Anwendung (z.B. Basilikum-Aufguss); Salben (etwa mit Myrthenöl und Bleiweiß) zum Auftragen auf die Vaginalschleimhaut; arzneimittelgetränkte Wolltampons (z.B. Tampons, getränkt mit dem Saft der Trauerweide oder der Minze); Salben (mit Balsam und Bleiweiß) zum Auftragen auf das männliche Glied; Techniken des ehelichen Verkehrs, bei denen keine Zeugung stattfinden konnte (Coitus interruptus, Anal- und Oralverkehr); postkoitale Praktiken zum Austreiben des Samens aus der Scheide (heftiges Niesen, rückwärtsschnellende Bewegungen); Verkehr zu unfruchtbaren Zeiten. – Um eine Empfängnis zu verhüten, nutzte man auch pflanzliche Mittel zur Dämpfung des männlichen Sexualtriebs oder der Erektionsfähigkeit. Antaphrodisiaca dieser Art waren z.B. Eisenkrautgewächse und Koriander. Es ist anzunehmen, dass diese den Männern ohne deren Wissen ins Essen gemischt wurden.

Die Empfängnisverhütende Wirkung des Stillens dürfte bekannt gewesen sein. Sofern Frauen rund um die Uhr mindestens sechsmal, insgesamt mindestens 80 Min. lang stillen und nicht zufüttern, ist ein hoher Verhütungsgrad gegeben. (Das auf den Saugreiz hin ausgeschüttete Hormon Prolaktin blockiert die Eierstockstätigkeit.) Abnahme der Stilltätigkeit – etwa durch längere Stillpausen und/oder Zufüttern – mindern den Empfängnisschutz. Lange Geburtspausen waren auch in dem mittelalterliche Glauben begründet, dass Geschlechtsverkehr die Muttermilch ungesund mache.

Neben diesen zwar richtigen aber wenig zuverlässigen Mitteln gab es vielerlei abergläubische Empfehlungen. Beispiele: “welche fraue nimpt ij hoden eines catters und binde sie in ein leder von einer mehrlein (= Hermelin) und treget das bei ir, so wirdt sie nicht schwanger” oder: “welche fraue ann ihrem hals tregt hasen dreck, die wird nicht schwanger, so lange sie das tregt an ir.” All dies war, ob wirksam oder nicht, schwere Sünde und wider die Natur. Erlaubt waren lediglich Mittel zum “Dämpfen des Geschlechtstriebes” oder um “die sinnliche Lust zu ersticken” (s. Drogen, Blei, Dill, Hopfen, Iris, Minze, Mönchspfeffer).

Abschließend sei vermerkt, dass wohl den meisten der mittelalterliche Ehepaare eher an Fruchtbarkeit als an deren Unterdrückung gelegen war; Adlige brauchten Nachwuchs für ihre dynastischen Vorhaben, Landleute benötigten nachwachsende Arbeitskräfte, frommen Paaren war es wichtig, dem biblichen Vermehrungsauftrag nachzukommen. Auch die hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit dürfte die Empfängnisfreudigkeit eher gefördert haben als einen Verhütungswunsch.

(s. Menstruation)

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