Erdställe

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Erdställe (mhd. ertstelln = Stellen in der Erde, zu mhd. stal = Stelle, Ort eines Gebäudes; mdartl. Zwergen-, Flieh-, Alraunen-, Erdmännleinlöcher, Seelengänge, Hauslöcher, Schlupf u.ä.m.). Unterirdisch angelegte labyrinthische Gang- und Kammersysteme, verbreitet in Süddeutschland (allein in Bayern sind über 700 Erdställe bekannt), Polen, Tschechien, Slowakei, Österreich, Ungarn, Frankreich, Spanien sowie auf Irland und in Schottland. Sie liegen meist in der Nähe einer Kirche, eines Friedhofs oder bäuerlicher Siedlungen und Wehranlagen (Burgställen), – oft vom Keller der Häuser aus zugänglich -, aber auch mitten im Wald. Die Zugänge sind meist gut versteckt. Zu den bekannten Erdställen kommen laufend neuentdeckte hinzu.

Die Entstehungszeit wird (anhand von Radio-Karbon-Untersuchungen an Holzkohlefunden) in das Hochmittelalter (11.-13. Jh.) datiert. Von Holzkohleresten abgesehen, sind Erdställe fundleer, was die zeitliche Einordnung erschwert. Unklar ist die Zweckbestimmung der Höhlensysteme: diskutiert werden vorrangig Zufluchts-, Heil- (s. Durchkriechen) oder Kultstätten (Zufluchtsstätten für Arme Seelen, “Leergräber”; mit der letzteren Zwecksetzung dürfte es mit der Annahme der Vorstellung vom Fegfeuer Mitte des 13. Jh. ein Ende gehabt haben, musste doch den Seelen bis zum Jüngsten Gericht keine Bleibe mehr geboten werden. Ab dieser Zeit wurden viele Erdställe verfüllt oder dem Verfall überlassen.)

Nutzung als Vorratskeller, Wohnhöhlen oder Viehställe können die Erdställe schon wegen der Raumfeuchte, wegen der räumlichen Beschränktheit, wegen des Fehlens eines zweiten Zu- bzw. Ausgangs (Fluchtweg), wegen einer Möglichkeit zur Entsorgung der Fäkalien, wegen des Fehlens einer Belüftung, wegen der engen “Schlupfe” oder “Schliefröhren” und nicht zuletzt wegen des Fehlens von Artefakten nicht gehabt haben.

Zugang zu dem Gangsystem findet man üblicherweise durch eine senkrecht abfallende Röhre. Die Länge der horizontal und vertikal vielfach systemlos gewundenen Gänge beträgt etwa 20 bis 60 m, die Höhe ist so bemessen, dass man mache Strecken gebückt begehen kann, andere auf allen Vieren oder gar bäuchlings durchkriechen muss. Die lichte Weite verengt sich an “Schlupfen” auf bis zu 35 cm. Die Decken sind oft fachgerecht spitz- oder rundgewölbt. Die Gänge reichen in eine Tiefe bis höchstens 5-6 m. – Die geringen Abmessungen machten glauben, dass Wichtelmänner (Zwerge, Schratzln) die Gänge angelegt hätten. Obligatorisch sind in unregelmäßigen Abständen ausgehauene Wandnischen (Lampennischen) und eine kammerartige Erweiterung mit Sitznischen am Ende. Zur Anlage geeignete Böden sind Sandstein, Mergel, Lehm oder Löss, nicht aber massiver Fels oder Schotter.

Bemerkenswert ist die bautechnische Übereinstimmung der Erdställe und deren bergmännische Qualität sowie die Tatsache, dass keine zeitgenössischen Schrift- oder Bildzeugnisse für diese unterirdischen Bauten vorliegen.

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