Fleisch

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Fleisch (mhd. vleisch, ahd. fleisc; lat. caro). Das Mosaische Gesetz bestimmte, welcher Land-, Flug- und Wassertiere Fleisch gegessen werden durfte. Demnach galt als “reines” und damit essbares Landgetier, was durchgespaltene Füße hatte und wiederkäute (also war das Schwein, das zwar gespaltene Füße hat aber kein Wiederkäuer ist, “unrein”). Bei Leviticus findet sich eine lange Liste von verbotenem Fluggetier (einschließlich der Fluginsekten), von der nur das Hausgeflügel ausgenommen ist. Wassertiere durften nur genossen werden, sofern sie Flossen und Schuppen hatten (somit galten Amphibien und Reptilien als nicht koscher). Auch “Was auf der Erde kriecht, soll euch ein Gräuel sein und man soll es nicht essen”, womit Schlangen, Schnecken und Würmer gemeint sind. Grundsätzlich verboten war der Verzehr von “grausamen” Tieren, die andere Tiere fressen, also von Raubtieren aller Art.

Das Christentum wandte sich von den rigorosen Speisevorschriften des Judaismus ab und enthielt sich gewisser Fleischspeisen nur zu den Fastenzeiten (s. Fasten). Im übrigen wurde das Fleisch von Gelehrten nach seinen Qualitäten trocken/feucht/heiß/kalt beurteilt (s. Komplexionen) und je nach körperlicher Befindlichkeit als bekömmlich oder schädlich beurteilt. Das Volk aß alles Fleisch das erreichbar war und satt machte, die Reichen konnten sich die Wahl nach Geschmack und Prestige leisten.

Fleisch war im Frühmittelalter nach Getreide und Gemüsen das wichtigste Volksnahrungsmittel. Hauptfleischlieferant war – mit regionalen Schwankungen – das Rind (ca. 40 % – 60 %), gefolgt von Schwein (ca. 18 % – 35 %), Schaf und ® Ziege sowie Geflügel (je ca. 4 % – 18 %), Hund und Katze. Fleisch von Wild (s. jagdbare Tiere) nahm nur im Speiseplan Hochgestellter einen erwähnenswerten Raum ein (gemäß mittelalterliche Kochbüchern zwischen 8,6 und 14,5 %). Kaum eine Rolle spielte – außer in Notzeiten – der Verzehr von Pferdefleisch, war es doch kirchlicherseits als Reminiszenz an heidnische Speiseopfer verpönt; Hildegard von Bingen hält Pferdefleisch für zäh, schwer zu essen und kaum verdaulich. Das Fleisch vom Esel ist nach Hildegard zu meiden, da dieser geil und von daher dumm sei. Kleingetier wie Igel, Eichhörnchen, Siebenschläfer, Biber und Vögel aller Art galt als willkommmene Fleischquelle. Der Fleischkonsum ging im 12./13. Jh. zugunsten des vermehrt angebauten Getreides zurück, um von der Mitte des 14. Jh. an infolge der spätmittelalterliche Agrarkrise wieder anzusteigen.

Schon in den Capitularien Karls d. Gr. finden sich Vorschriften für gerechtes Maß und Gewicht sowie für einwandfreie Qualität: “Mit aller Gewissenhaftigkeit ist darauf zu sehen, dass alles, was mit der Hand gemacht wird, id est: Speck, Rauchfleisch, Würste, Pökelfleisch, ….. etc. mit der größten Reinlichkeit gemacht wird.” In der nachkarolingischen Zeit verfiel die marktpolizeiliche Überwachung von Quantität und Qualität, erst in den Landfriedensgesetzen des 13. Jh. und in den Stadtverordnungen der gleichen Zeit kommt ihr wieder der gebührende Stellenwert zu. So heißt es beispielsweise in einer Verordnung der Stadt Landshut von 1256: “Die Würste sollen aus reinem Schweinefleisch (de puris carnibus porcinis) gemacht werden, zwei solcher guter und entsprechend großer Würste sollen einen dn. kosten. Wer dagegen verstößt, zahlt ein Pfund [Pfennige] und darf ein Jahr lang seinen Beruf nicht mehr ausüben.” Verboten ist das Inverkehrbringen von Fleisch verendeter oder unreifer Tiere. (Als unreif wurden etwa Kälber unter vier Wochen betrachtet.) Gemaßregeltes Fleisch (z.B. finniges) musste auf gesonderten Bänken angeboten werden: “Und swenne flaisch pfinnig gesagt wirt, so sol man ez für baz niht auf den rehten flaischpänken weder verkaufen noch versneiden.” Auf den Fleischbänken (metzigen) musste das Fleisch nach Tierarten getrennt ausliegen: “Ez ensol auch kain flaischhacker, der schefein flaisch (Schaffleisch) vail hat, der ensol dabei auf derselben pank nicht vaile haben pückein (Bockfleisch) oder gaizeln flaisch.” Frischfleisch durfte im Sommerhalbjahr (Anfang Mai bis Ende September) nur einen Tag lang, im Winterhalbjahr zwei Tage lang feilgeboten werden, danach musste es durch Einsalzen, Räuchern oder Trocknen haltbar gemacht werden. Eine Nürnberger Fleischordnung aus dem Jahre 1356 besagt, dass “kain flaischman” seine Ware auslegen dürfe, er hätte denn eine feste Bank, für die er Zins bezahle. “Ez sol auch nieman kain tot flaisch her ein (in die Stadt) bringen on (es sei denn) gesalzen flaisch, man sol es lebendig her ein treibn und bringen, daz es recht und gut sei und daz ez die maister beschauen ob ez gut und gerecht sei.” Erst nach Einbruch der winterlichen Kälte (nach dem Martinstag) “mag man wol totez flaisch her ein bringen”.

Über die Gesundheit des Schlachtviehs sowie die Qualität und Preiswürdigkeit des Fleisches wachte eine Schaukommission aus “geschworenen” Altmeistern (Geschaumeister, Viehmeister) und städtischen Marktaufsehern. Die geschworenen Schaumeister sollten ihren Dienst zu Zweien verrichten und hatten das erschlachtete Fleisch nach Verzehrtauglichkeit als auch nach Qulität (und damit nach seinem Preis) zu begutachten. (s. Warenschau)

Bauern und Angehörige der städtischen Unterschichten aßen selten Fleisch, wahrscheinlich nur ca. 500 gr. pro Woche; dabei beschränkten sie sich auf den Verzehr von Fleisch abgearbeiteten Zugviehs sowie von Schweine- und Hammelfleisch. Rindfleisch, Spanferkel, Geflügel und Wild kamen fast ausschließlich in klösterliche oder herrschaftliche Küchen, später auch in diejenigen der städtischen Ober- und Mittelschichten.

H. Kühnel zitiert aus einer Chronik des Konstanzer Konzils (1414-1418) u.a. Angaben zu Fleischgerichten: neben mit verschiedenem Fleisch gefüllten Pasteten habe es Fleisch gegeben von Schwein, Rind, Lamm und Wild (Reh, Hirsch, Hase, Dachs, Biber) und Hühnern, daneben Fisch (Hecht, Hausen, Karpfen, Schleie, sowie gesalzene Meeresfische, vor allem Stockfische und Heringe).

Insgesamt stieg bis zum Spätmittelalter der Fleischkonsum; es wird für diese Zeit für Mitteleuropa ein Durchschnittswert von 100 kg pro Kopf und Jahr veranschlagt (wogegen der heutige Wert bei etwa 80 kg liegt). Allerdings sind in dieser Fleischmenge nicht nur reines Muskelfleisch, sondern alle irgendwie verwertbaren Körperteile (Innereien, Fett, Talg, Blut) enthalten. Deshalb, und weil das Fleisch damals allgemein weniger zart war, waren längere Kochzeiten als heute vonnöten. Als Zubereitungsarten von Frischfleisch kannte man Gebratenes und Gegrilltes, Kochfleisch, Ragout, Hackfleisch in Pasteten und Klößen, vielerlei Würste (s. Wurst), Brühen und Tunken (salsen). Daneben kamen durch verschiedene Arten der Konservierung haltbar gemachten Fleisches in den Verzehr.

Das Schlachtgewicht (Gewicht des Tierkörpers ohne Haut, Magen-Darm-Trakt und Füßen) der Tiere hatte sich im Lauf des Mittelalter leicht erhöht; es betrug im Spätmittelalter für Rinder ca. 100 kg (heute: 300 kg), für Schweine ca. 38 kg (heute: 100 kg) und für Schafe und Ziegen ca. 15 kg (heute: 25 kg).

Im Spätmittelalter kam es zu zu großräumigen Bevölkerungskonzentrationen in den Handels- und Gewerberegionen, mit der die landwirtschaftliche Produktion des Umlandes nicht mehr Schritt halten konnte. Zur Sicherstellung der Fleischversorgung wurde ein transeuropäischer Handel mit Ochsen organisiert, der sich hauptsächlich aus den weiten Ebenen Osteuropas speiste (s. Ochsenhandel).

(s. Ernährung, Finnen, Garküche, Hundefleisch, jagdbare Tiere, Pastete, Ragout, Schlachttiere, Speisevorschriften, Vegetarismus)

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