Gicht

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Gicht (ahd. giht, fargiht; mhd. gich, giht, gegihte, gesühte, vergiht, ghida, git = Krämpfe, Schmerz; das Wort kam um das 9. Jh. in der Volkssprache für reißende, ziehende Schmerzen – seien sie im Rücken oder am Bewegungsapparat – auf. Der Terminus podagra [grch./lat., = Fußfalle] stand zunächst ausschließlich für die Gicht des Fußes [fuß sichtum], besonders der großen Zehe [auch zipperlin, zippeltrit]. Vom 15. Jh. an gebrauchte man “Gicht” und “Podagra” als Synonyme. In Weinbaugegenden war die Krankheit auch als “St. Urbansplage” bekannt.) Die Krankheit entsteht durch Ablagerung von harnsauren Salzen vornehmlich in Gelenken oder in deren Umgebung. Für die Entstehung sind erbliche Komponenten, purinreiche Ernährung, Erkältung, Alkoholabusus und chron. Bleivergiftung als Ursachen anzusehen.

Der breite Raum, den die Gicht in Literatur und Malerei des Mittelalter einnimmt, deutet auf starke Verbreitung hin sowie darauf, dass nicht zwischen Gicht, Neuralgien, Lähmungen, Rheuma und Athritiden unterschieden wurde.

Unter der Bezeichnung “Darmgicht” sind kolikartige Schmerzen im Bauchraum zu verstehen, gleichgültig welcher Ursache.

Als auslösende Ursache der Gicht wurde ein Überschuss an kalten Feuchtigkeiten oder eine Anhäufung überflüssiger Schleimstoffe im Sinne der galenischen Säftelehre angenommen, auch Gemütsbewegungen, Unmäßigkeit bei Essen, Trinken und Ausschweifungen beim Geschlechtsverkehr. Hildegard nennt häufigen Genuss von Taubenfleisch als Ursache der Gicht: “Caro turturis Gicht in homine excitat”. – Zur Behandlung verordnete man Aderlässe, Abführmittel, Heilbäder, Schwitzkuren, örtliche Wärmeapplikationen sowie Medikamente pflanzlicher und tierischer Herkunft. Hildegard schreibt in “Causa et cura”: “Bei gichtiger Lähmung hat der Mensch unterdrückte Säfte in sich, die sich unruhig bewegen … er soll nüchtern Wein trinken … oder Bier oder Brot und Wasser kochen und durch ein Tuch laufen lassen; das Wasser jeden Tag lauwarm trinken. Dann werden die Wellen der Gichtstürme in ihm gebändigt.” Gegen Rückengicht (inter scapulas) sollte in Baumöl eingelegtes Rehherz aufgelegt werden. – Als Patrone der Gichtigen galten die Heiligen Andreas, Kilian und Barbara; in Weingegenden wurde St. Urban als Krankheitsheiliger der Gichtkranken angerufen. Seit dem 5. Jh. war römischen und byzantinischen Ärzten die heilsame Wirkung der aus Asien stammenden Herbstzeitlose (Colchicum autumnale; Wirkstoff: das Alkaloid Colchizin) bekannt; unter dem Diktat der galenischen Säftedoktrin kam sie jedoch nur selten zur Anwendung. Ansonsten fanden weder arabische Ärzte noch ihre Kollegen der scholastischen Medizin neue Erkenntnisse.

Dem mittelalterliche Aberglauben entstammen Heilempfehlungen wie rituelle Übertragung auf Bäume (Verspunden; s. Vernageln), Besprechen (s. Gesundbeten), das Tragen von “Gichtzetteln”, das Hersagen von “Gichtsegen” u.a.m.

(s. Brennnessel, Giersch, Wermut, Zaunrübe, Ziest)

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