Glockenläuten

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Glockenläuten. Bevor (im 14. Jh) das Stundengeläut aufkam, erklangen die Glocken jeweils zu den verschiedenen Anlässen des Kirchenkultes (Tauf-, Mess-, Gebetläuten, Totengeläut usf.) und des städt. Alltagslebens (als Alarmzeichen bei Feuersbrunst [sturmglocke], als Aufruf zum abendlichen Feuerlöschen [viurglocke] oder zu Versammlungen, als Warnung vor Gefahr, als Aufruf zur Hilfeleistung oder zur Begrüßung hochgestellter Gäste). Die apotropäische Macht des Glockenläutens nutzte man zum Abwenden von Unwettern. Außerdem wurden sie bei einbrechender Dämmerung oder bei ungünstiger Witterung eigens für irrende Wanderer geläutet. Dies war besonders im Frühmittelalter von Bedeutung, als es nur wenige dichtbesiedelte Gegenden gab, in denen Ortschaften oder Behausungen in Sichtweite zueinander lagen (wie etwa im Rhein-Main-Dreieck). Weithin bedeckten urwüchsiger Wald- und Buschwuchs, Sumpf und Gestrüpp das Land. Das Wegenetz war weitmaschig, Wegweiser waren so gut wie unbekannt. Außerdem verödeten Wege aus mancherlei Gründen (Windbruch, Ausspülung, Vermurung usf.) und waren bald wieder zugewachsen, sodass – zumal bei Nebel, Schneetreiben oder Dunkelheit – der Wanderer stets in der Gefahr war, sich in der Ödnis zu verirren. So war der Glockenklang des nächsten Klosters oder Hospizes, der nächsten Stadt- oder Dorfkirche ein willkommener Richtungsweiser. (s. Stadtglocken)

Besondere Bedeutung kam dem Totengeläut zu: es war Todesnachricht, Gebetsruf, Totenehrung, Seelengeleit und Dämonenabwehr. Vom übrigen Läuten unterschied sich das Totengeläut durch das Einlegen von Pausen (“Facto parvo intervallo iterum pulsetur signum eadem modo”). Zudem konnte aus der Zahl der Läutesequenzen entnommen werden, ob ein Mann oder eine Frau, Kleriker oder Laie verstorben war (… pro muliere quidam bis, … Pro viro vero ter pulsatur … Si autem clericus sit, tot vicibus compulsatur, quot ordines habuit ipse”).

Bis zum Ende des Mittelalter hatte sich eine Vielzahl Glockentypen gebildet, die mit je eigener Tonlage und Schlagfolge zu den unterschiedlichen Verrichtungen des Alltags und zur Abwehr von Gefahren aufriefen: Man unterschied Gerichts-, Rats-, Markt-, Schul-, Kehr-, Tor-, Bier-, Wein-, Abend- und Nachtglocken, dazu Feuer-, Wetter- und Wachtglocken, die Schandglocke, (deren Klang den Vollzug von Ehrenstrafen begleitete), das Armesünderglöckchen (auch Blut- oder Diebsglocke, unter deren Klang Todesurteile vollstreckt wurden) und ein großes Geläut (Brand-, Sturm-, Feind-, Mordglocke), mit dem alle Wehr- und Hilfsfähigen – wie auf das Gerüfte hin – zusammengerufen wurden (“an die große Glocke bringen”). Nur wer ein Glockensignal richtig deuten konnte, wusste, “was die Glocke geschlagen hatte”.

Unter “Glockengeläute” versteht man das harmonische Zusammenklingen von mindestens zwei aufeinander abgestimmten Glocken. Das älteste Geläute des Abendlandes ist das des Kölner Doms. Die zur Zeit der Weihe des Chors (1322) gegosssenen Glocken (“Angelus-” und “Wandlungsglocke”) klingen im E-Dur-Akkord; sie waren (und sind wieder) im Dachreiter untergebracht und wurden mittels langer Seile vom Chorraum aus geläutet.

(s. Gebetläuten, Glöckchen und Schellen, Nebel)

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