Harn

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Harn (mhd. harn, harm, brunne, brunz, wazzer; lat. urina). Was die Harnbildung anbetrifft, hielten sich Naturphilosophen und Ärzte des Mittelalter an die Lehre Galens (s. Physiologie). Aus dieser leitete sich auch das diagnostisch/prognostische Verfahren der Uroskopie ab (s. Harnbeschau). Krankheiten des Harnapparats (z.B. Harnträufeln und Nierenschmerz) deutet Hildegard v. Bingen als Folge einer Schwäche und somit mangelnden Wärme des Magens; folgerichtig empfiehlt sie Behandlungen mit Medikamenten von warmer Primärqualität. Zahllos sind die urologischen Heilkräuterrezepte der Klostermedizin; einige Beispiele: Einnahme von gesottenem Knoblauch oder von Abkochungen von Fenchel, Lavendel oder Breitwegerich helfen gegen Nieren- und Blasenleiden; Einnahme von Zimt sorgt für reichlichen Harnfluss; äußerliche Anwendung von Alanthkraut (als Pflaster mit Honigwein) oder Pyrethrum (in Öl gekocht) lindern Nierenschmerzen. – Gegen Verengung der Harnröhre und die daraus resultierende schmerzhafte Harnverhaltung (mhd. harnwinde; lat. stranguria, difficultas mingendi) ging man nach dem Vorbild von Ärzten wie Avicenna oder Abulcasis mit Sonden und Kathedern vor. Harnröhren- und Blasensteine suchten Ärzte zunächst durch Medikamente (z.B. Kamille, Eibischwurzel, Steinbrech oder Bocksblut) aufzulösen, allenfalls durch Kathederisieung und Spülung abzutreiben. Erst nach solchen meist erfolglosen Ansätzen wurde ein Steinschneider gerufen.

Im “Elsässischen Arzneibuch” (15. Jh.) findet sich folgende Anweisung für die Behandlung einer schmerzaften Harnverhaltung: “Lasse den Kranken über die langen Brennnesseln harnen. Kommt die Krankheit jedoch von der Blase, so gib dem Kranken Theriak.”

In der mittelalterliche Volksmedizin nahmen Harnbeschau und Harnproben – nicht zuletzt zur Feststellung von Fruchtbarkeit und Schwangerschaft – breiten Raum ein. – In mittelalterliche Bußbüchern stehen Strafen auf das therapeutische Trinken von Urin, was auf eine weite Verbreitung dieser Praxis schließen lässt. So galt die Einnahme und äußerliche Anwendung von Eigenurin als probates Mittel gegen Hautleiden; Spülungen mit Eigenurin sollten Mund-, Zahn-, Augen- und Ohrenleiden heilen.

Im Handwerk benutzte man ausgefaulten Urin als Gerbstoff, zum Beizen von Leinen, Wolle und Seide, zum Entfetten der Schafwolle, zum Walken von Wolltuchen, zum Anrühren von Mörtel und zum Abschrecken glühenden Schmiedeeisens.

Vielfältig waren auch die Anwendungen von menschlichem wie tierlichem Urin in Heil-, Liebes-, Wetter- und Schadenszauber oder die magische Wirkung des Wasserlassens im Aberglauben (Hexen werden vom Teufel mit Urin getauft; wer ins Feuer pisst bekommt Grießschmerzen und Harnzwang).

(s. Harnstein)

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