Jungfräulichkeit

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Jungfräulichkeit (mhd. juncvrouwelicheit, lat. virginitas). Nach christlicher Morallehre gehörte die Tugend der lebenslangen freiwilligen sexuellen Enthaltsamkeit (castidas), ebenso wie Gottes- und Nächstenliebe, Gehorsam und Armut, zur evangeliumsgemäßen asketischen Vollkommenheit, entsprechend der Consilia evangelica (s. evangelische Räte).

Der hl. Hieronymus (um 348-420) argumentiert gegen die Ehe und für die Jungfräulichkeit der Frauen mit praktischen Argumenten: Jungfräulichkeit würde die Frauen vor der Tyrannei eines Ehemanns und vor den Fährlichkeiten des Kindbetts bewahren. – Bischof Ambrosius von Mailand (um 339-397) urteilt lapidar: “Keuschheit macht Engel. Wer sie bewahrt, ist ein Engel, wer sie verliert, ist ein Teufel.” Der hl. Augustinus (354-430) dagegen schreibt: “Ehe und Enthaltsamkeit sind zwei Güter, von denen das zweite das höhere darstellt.”(Zitate nach R. M. Karras)

Wie aus frühmittelalterliche Bußbüchern hervorgeht, genoss die inkorrupte Jungfräulichkeit besonders hohen Stellenwert; Geschlechtsverkehr mit einer noch “unberührten” Frau, ohne dass der Partner sie anschließend geehelicht hatte, war mit fünfjähriger Buße belegt. Verehelichte Frauen hatten, da sie sich ja den “Werken des Fleisches” hingaben, geringeren Anspruch auf jenseitigen Lohn; nach Mt 19,29 (Gleichnis vom Sämann) stand unberührten Frauen der 100-fache Lohn (centuplum) zu, Ehefrauen dagegen nur der 30-fache – es sei denn, sie hätten mit ihrem Mann in “geistlicher Ehe” gelebt – wären nicht “zwei in einem Fleisch” sondern “zwei in einem Geist” gewesen – , in welchem Fall sie den sechzigfachen Lohn (wie enthaltsame Witwen und Kleriker) erhalten hätten.

Aus dem Keuschheitsideal, das für Männer und Frauen gleichermaßen galt, wurde der Zölibat für Priester, Mönche und Nonnen abgeleitet. (Priester und Inhaber höherer Weihestufen hatten sich stets der Beschmutzung [pollutio] durch Sexualverkehr zu enthalten, da sie für den Altardienst zu jeder Zeit im Stande der Reinheit zu sein hatten. Ebenso wie Mönche und Nonnen konnten sie keine eheliche Bindung eingehen, da sie sich Christus anverlobt hatten.)

Der Benediktinermönch Guibert von Nogent (1053-1121) schrieb in einem Traktat über die Jungfräulichkeit, diese sei weniger der körperliche Zustand der Unberührtheit als ein geistiger Prozess, eine “Verlagerung von der inneren Mitte des Fleischlichen hin zur Seele.” (Zit. nach R. M. Karras)

Dem Ideal der Jungfräulichkeit entsprangen die Bilder der jungfräulichen Muttergottes und der Ehelosigkeit von Jesus, Johannes d.T., Paulus und den Märtyrern.

Im Volksglauben, in Sagen und Märchen spielte die Figur der Jungfrau eine herausragende Rolle (z.B. bei Fruchtbarkeitszauber und Frühlingsriten, beim Glauben an die Heilkraft jungfräulichen Blutes und an die Gabe der Jungfrau, Schätze zu heben). Märchen kennen die vom Drachen gefangene Jungfrau und den “Jungfernsprung”, die Sage weiß von drei jungfräulichen Schwestern, die sich den Nachstellungen des lüsternen Königs Dagobert durch kühne Flucht entzogen, Legenden ranken sich um die ®”Drei hl. Jungfrauen”.

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