Kleidung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Kleidung (von mhd. kleit = das mit Klei gewalkte [Tuch]; mhd. auch gewant, gewat, gewæte; lat. vestis). Die Kleidungsarten im Mittelalter hatten neben ihrer Bedeutung als Schutz gegen die Unbilden der Witterung auch die Funktion, die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht oder einer geistigen oder beruflichen Gruppe zu signalisieren. Ersteres wurde durch eine der jeweiligen Witterung angepasste Form und Stoffart gewährleistet, die Signalwirkung beruhte in erster Linie auf modischem oder gruppentypischen Schnitt, auf Farbigkeit und Accessoires. Der Zuschnitt der Kleidung war umso beständiger, je niedriger oder stabiler der Stand der Träger war; so änderten sich Bauernkleidung wie Mönchshabit kaum, wohl aber die Gewandung in höfischem Umfeld.

Da in schriftlichen Quellen des Mittelalter nur wenig über zeitgenössische Kleiderformen enthalten ist, und sich Originalkleider nur ausnahmsweise erhalten haben, sind bildliche Kleidungs-Darstellungen die wichtigste Grundlage für unser Wissen.

Die Kleidung des Frühmittelalter stand in germanischer und spätrömischer Tradition: das Gewand der Frauen war die knöchellange, das der Männer die knielange gegürtete Tunika. Frauen wie Männer trugen darunter ein leinenes Hemd, z.T. mit weiten Ärmeln, Männer zusätzlich lange, mit Binden umwundene Leinenhosen. Vor Kälte schützten Fellweste und gefibelter Umhang. Seidene Prachtgewänder des Adels kamen aus dem Orient und aus Byzanz (“pallia transmarina”). Das Mönchsgewand bestand aus Untergewand (Tunika), Skapulier (über Brust und Rücken bis zu den Füßen fallender Tuchstreifen mit Kopfloch) und Talarkukulle. Weltgeistliche trugen ursprünglich die Tunika (Schlupfgewand ohne oder mit Ärmeln) als Untergewand und darüber die Supertunika (cappa clausa), ein glockenartiges Gewand mit Armschlitzen. Die Tunika wurde von der Soutane abgelöst, aus der Supertunika entwickelte sich der klassische Priestermantel. Das Tragen modischer oder auffälliger Kleidung musste Weltklerikern verschiedentlich untersagt werden. Der Ornat der kath. Geistlichkeit ging auf die spätrömische Tracht zurück (s. Paramente). Sie bestand aus der Paenula (einem geschlossenen runden Oberkleid mit Kapuze), der Dalmatica (einem weiten, ungegürteten Umhang) und der mit dem Zingulum gegürteten Tunika (wegen ihrer weißen Farbe später Albe genannt). Dazu kamen im Lauf der Zeit noch eher den Insignien zuzurechnende Teile wie z.B. Manipel, Stola und Pallium. –

Bauern trugen über einem groben Woll- oder Leinenhemd ein sackartiges, knielanges Gewand (Leibrock) mit Gürtel, dazu im Winter die Glocke, einen Umhang mit Kopfloch, an welchen oft noch eine Kapuze angearbeitet war, sowie frei fallende Hosen mit röhrenartigen langen oder halblangen Beinen.

Im Hochmittelalter entwickelte sich in höfischen Kreisen (durch die Einflüsse der Kreuzzüge und durch die Erfindung des Schnitts im 12. Jh.) eine körpernahe, figurbetonende Damenmode mit hoher Taille, deren Idealbild etwa die Skulptur der Synagoge im Dom zu Bamberg verkörpert. Auch bei vornehmen Herren verlängerte sich die Tunika bis auf Knöchellänge, und wurde so dem Damenrock ähnlich. Auf Reisen oder zur Jagd wurden enganliegende Beinkleider, halblanger, gegürteter Rock und ein aus einem Halbkreis oder einem Rechteck geschnittener offener Mantel getragen, der von einer Schnur oder einer Spange (mhd. tassel, mlat. tassellus) über der rechten Schulter gehalten wurde. Als Männer- und Frauenoberkleid kam die ärmellose Suckenie (mhd., auch suggenie) auf, die über dem Unterkleid und unter dem Mantel getragen wurde. Als Reisekleidung für Damen und Herren war die Kappe beliebt, ein Umhang mit Kopfloch, oft mit angeschnittener Kapuze. Im 14. Jh. wurde der Tasselmantel vom Nuschenmantel abgelöst, der seinen Namen davon hatte, dass er vorne am Hals von einer Spange (mhd. nusche) zusammengehalten wurde. “Reiche”, d.h. mit kostbarem Pelzwerk (Feh) gefütterte Mäntel, waren den oberen Ständen vorbehalten und galten als hochgeschätztes Geschenk.

Zumal bei Festen versuchte man sich gegenseitig an Raffinement und Kostbarkeit der Kleidung und der Accessoires zu übertreffen. Gegen Ende des 13. Jh. war die Buntfarbigkeit integraler Bestandteil der Mode. In den Klöstern sorgte der hohe Anteil von Adeligen und Ministerialen für weltlich-modischen Kleidungsluxus. Bei der Männerkleidung kam anstelle des wadenlangen Rockes die Schecke in Mode (v. frz. jaque, jaquette; eine kaum mehr über den Schoß reichende, geknöpfte Jacke), sowie enge, an die bruech (eine knappe Unterhose) oder ans Hemd genestelte paarige Beinlinge (beinwat) und die Gugel, eine an einem breiten Kragen befestigte, oft langzipflige Kapuze, bei der Frauenkleidung kam das Schnürleibchen auf.

Im Spätmittelalter (etwa ab 1350) überspitzten sich die modischen Extravaganzen: das männliche Oberkleid schrumpfte zu einem enganliegenden Wams (mhd. wambais, wambis; lat. wambasium, v. ahd. wamba = Rumpfkleidung unter dem Panzer), an das nun – statt an die bruech – die hauteng anliegenden Beinlinge angenestelt wurden. Das Wams sollte für die kommenden drei Jahrhunderte als Hosenträger dienen. Darüber trug man die die Heuke (ndl.; ein ärmelloser, glockenförmiger, seitlich geschlitzter Mantel) oder den Tappert (mhd. taphart, mlat. tabardium; ein unterschiedlich langer Mantelrock mit oder ohne Ärmel). In scharfem Kontrast zu den enganliegenden und kurzen Kleidungsstücken standen überdimensionale, funktionslose Anhängsel an den Ärmeln in Form von Lappen, Beuteln oder Zipfeln. Von Frankreich her wurde im 14. Jh. der Surkot (mlat. surcotium) übernommen, ein bodenlanges, ärmelloses Obergewand für Damen und Herren gehobener Stände. Im Lauf des 15. Jh. entstand aus den paarigen Beinlingen durch Zusammenfügen mit der Bruech – quasi sekundär – das “Paar” Hosen. Diese blieben enganliegend, im Gegensatz zu den als bäurisch verachteten weiten Hosen, die auf germanische Tradition zurückgingen. In der zweiten Hälfte des 15. Jh. kam die Schaube (mhd. schoube, schuwe; v. ital. giuppa) auf, ein vorne offener pelzbesetzter Mantelrock, dessen Länge auf den Rang des Trägers schließen ließ. Das Damenkleid wurde taillenbetonend geschnürt und an Brust, Rücken und Armlöchern weit ausgeschnitten getragen. Es fiel vom Gürtel in reichen Falten und endete in einer langen Schleppe (die als Teufelsschweif verschrieen wurde). Das bürgerliche Hauskleid war knöchellang, es hatte lange, enge Ärmel und einen Schulterkragen über dem Ausschnitt. Dazu wurden Haube und Schürze getragen.

Beliebt waren Accessoires wie Täschchen, Goldborten, Schellen und Glöckchen, außerdem gezaddelte (zackenförmig, rundbogig oder zinnenartig gesäumte) Kleiderränder und der tief um die Hüften getragene Gliedergürtel (Dusing; er war vom Schwertgürtel abgeleitet, aus Metallplatten zusammengesetzt und mit Edelsteinen verziert. Als reines Schmuckstück ging er auch in die Frauenmode ein). Insgesamt wurde die Mode von zeitgenössischen Autoren als unzüchtig und verschwendungssüchtig gegeißelt.

Von Modeströmungen weitgehend unberührt blieb die Arbeits- und Alltagskleidung der Bauern und städt. Unterschichten. Sie bestand bis zum Spätmittelalter bei Männern im Wesentlichen aus einem kurzen Hemdrock, einer gegürteten Hose, einem Umhang (der “Glocke”) oder der Gugel. Frauen trugen das herkömmliche knöchellange Hemdkleid, dessen Rock an beiden Seiten eingeschnitten war, um bei der Arbeit größere Bewegungsfreiheit zu gewähren. Die Schuhe waren häufig aus einem einzigen Stück Leder geschnitten und oberhalb der Knöchel gebunden. Wofern reichgewordene Landleute einmal imstande gewesen wären, es der Oberschicht gleichzutun und sich mit aufwändiger Kleidung herauszuputzen, so hinderten sie diverse Kleiderordnungen daran. (Schon eine Kleiderordnung aus dem Jahr 808 hatte es den Bauern verboten, mehr als sechs Ellen Stoff für ihre Kleider zu verarbeiten. Außerdem schrieb sie als Farben grau und schwarz vor.)

Allgemein gilt, dass Kleidung im Mittelalter nicht nur als Schutz vor Schlechtwetter, also als Gebrauchsgut aufgefasst wurde, sondern dass sie auch als Wertgegenstand galt sowie als Kennzeichen von Rang, Stand und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht. Kleidung gehörte zur Fahrhabe, konnte an die Nachkommen weitervererbt oder im Bedarfsfall verpfändet oder verkauft werden.

(s. Amtstracht, Arbeitskleidung, Ärmel, Bauernkleidung, Beinlinge, bruech, Fibel (Spange), Gugel, Handschuhe, Heftel, Heftlein, Hose, Hut, Kappe, Kleiderordnung, Knopf, Kopfbedeckung, Kostüme (Theat.), Krönungsornat, Mantel, Mode, Mönchsgewand, Narrenhabit (s. Narr), Nesteln, Nonnengewand, Pelze, Reisekleidung, Schaube, Schecke, Schleppe, Schleier, Schneider, Schuhe, Spielleute, Strumpf, Surkot, Tappert, Unterkleidung, Wappenkleid)

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