Lebensalter

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Lebensalter (lat aetates). Ma. Autoren religiös-moralischer, medizinischer und didaktischer Schriften unterteilten den menschlichen Lebenslauf in mehrere Abschnitte, deren Grenzen nicht eindeutig definiert sind, zumal schon das Geburtsdatum höchstens bei Hochadliegen bekannt war. Bevorzugt wurde eine Unterteilung in Sechs-, aber auch in Sieben- oder Acht-Jahres-Gruppen. Die frühe Kindheit (infantia) umfasst die ersten sieben Lebensjahre. In dieser Phase sind die Kinder auf elterliche Fürsorge angewiesen und ohne eigene Verantwortlichkeit. Daran schließt sich als zweite Lebensphase die pueritia an, gekennzeichnet durch Beherrschung der Sprache und Unterscheidungsvermögen zwischen Gut und Böse. Während dieser Phase, die bei Mädchen bis zum 12., bei Jungen bis zum 14. Lebensjahr dauert, besteht noch keine Strafmündigkeit. Ein von einem Jungen unter 14 geleisteter Eid ist ungültig. Gemäß dem Sachsenspiegel (Landrecht 1, 42, 1) galt als rechtsfähig, wer Haare am Kinn, im Schambereich und unter den Achseln hatte. Weniger klar ist die Eingrenzung des dritten Lebensabschnitts, der adolescentia, deren Ende bei 21, 28 oder 35 Jahren angenommen wurde. Sie endete für Jungen mit der Wehrhaftmachung oder mit der Gründung eines eigenen Hausstandes. Ledige adolescentes (Junggesellen) zwischen Beendigung der Ausbildung und Heirat oder Einsetzung in ein Lehen wurden der iuventus (Jugend) zugerechnet. Die iuventus konnte so bis zum 30. oder 40. Lebensjahr dauern. Als adultus galt einer zwischen dem 20. und 40. Jahr; als maturus zwischen 40 und 60 Jahren. Das Alter (senectus) setzte ab dem 35. Jahr ein, das Greisentum (senium) ab dem 60.

In der mittelalterliche Symbolik wird den – je nach Betrachtungsweise – drei, vier, sechs, sieben oder zehn Lebensaltern sinnfälliger Ausdruck gegeben. Als Allegorien der “drei Lebensalter” beispielsweise stehen das ungestüme Ross, der schaffensstarke Stier und der mürrische Hund hinter dem Ofen oder die Hl. Drei Könige, die als Jüngling (Kaspar), reifer Mann (Melchior) und Greis (Balthasar) dargestellt werden (Tympanon der Goldenen Pforte am Dom zu Freiberg/Sachsen).

Hildegard v. Bingen bringt die Lebensalter mit den vier Jahreszeiten in Verbindung: nach Erwachen, Reinwerden und einer Zeit ambivalenter Stimmungen (infantia) kommt der Mensch erst im Mai zu voller Entfaltung und Mündigkeit (adolescentia). Der Herbst ist die Zeit der Weisheit und innerlichen Reife (virilitas), aber auch beginnender Eigenbrötlerei und Erstarrung. Der elfte Monat bringt Kälte und Schwermut, der zwölfte sieht den Menschen hinfällig, kalt und unfruchtbar (senectus), “gleich einem Kamel beladen mit dem Gestank seiner Laster, und er befleckt sich immerfort”.

Eine Einteilung in sechs Lebensalter – gemäß den sechs aetates mundi des Augustinus – unterscheidet zwischen infantia (Adam und Eva), pueritia (Noah), adolescentia (Abraham), iuventus (David), virilitas (Jeremia) und senectus (Christus). Auch Isidor von Sevilla stellt fest: “Gradus aetatis sex sunt”.

Sieben Lebensalter werden – außer mit den sieben freien Künsten, den Wochentagen oder den Sakramenten – mit den sieben Planeten in Zusammenhang gebracht: infantia/Mond, pueritia/Merkur, adolescentia/Venus, iuventus/Sonne, virilitas/Mars sowie senectus/Jupiter und senium/Saturn.

In Spruchform werden im 13. Jh. 10 Lebensstufen vorgestellt: “Zehen jar: ein kint. zweinzec jar: eyn jungelinc. drizec jar: eyn man. vierzec jar: wol getan. vümfzec jar: stille stan. sehzec jar: abe gan. sibenzec jar: eyn grise. ahtzec jar: uz der wise. niunzec jar: der kinder spot. hundert jar: genade got!.”

In der bildlichen Darstellung finden die sieben Lebensalter Darstellung als:

1. spielende Kinder

2. mit kindgemäßer Arbeit beschäftigte Kinder

3. Jüngling auf der Jagd, Jungfrau im Brautschmuck

4. Mann in eindrucksvoller Pose, Frau mit Wickelkind

5. Mann mit Geldkatze oder Degen, Frau beim Spinnen

6. alter Mann mit Krücken oder beim Lesen, alte Frau Rosenkranz betend

7. Greis auf dem Krankenbett, Greisin Feuer schürend

Als Kuriosum sei noch erwähnt, dass der Naturphilosoph Thomas von Chantimpre in seiner Enzyklopädie “Von der Natur der Dinge” eine Auflistung von Wunderwesen gibt, in der auch Frauen erwähnt sind, die Greise gebären, die immer jünger werden und solche, die alle fünf Jahre Kinder gebären, die acht Jahre alt werden.

(s. Alter, Kindheit, Säuglinge)

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