Leprosenschau

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Leprosenschau (mhd. schouwe, schouwunge, prüefunge; mlat. examen leprosorum). Bader, Wundärzte, Ärzte und Geistliche waren bei Androhung hoher Strafe dazu verpflichtet, der städt. Obrigkeit Verdachtsfälle von Lepra anzuzeigen. Für die Sicherung der Diagnose “Aussatz” wurden Kommissionen aus Stadt- und Wundärzten, aussätzigen Leprosenmeistern und Insassen von Leprosorien (probatores, schouwer) bestellt, die in Anwesenheit städt. Amtspersonen und anhand eines festen Symptomenkatalogs befanden. Aufgabe der Beschauer war nicht nur die rechtzeitige Diagnose der Krankheit, sondern auch die Feststellung des Fehlens von Symptomen bei – aus Hass oder Neid – zu Unrecht als erkrankt Verdächtigten oder bei betrügerischen Leuten, die durch eine Aufnahme im Siechenhaus Unterkunft und Versorgung erschleichen wollten. Die probatores wurden eidlich verpflichtet, sich bei der Befunderhebung ausschließlich von Fakten leiten zu lassen und keine Geschenke anzunehmen. Ihr Urteil wurde in einem Schaubrief niedergelegt und lautete entweder auf rein (mundus) oder unrein (immundus et leprosus). Das examen leprosorum war gebührenpflichtig, die Taxe wurde nach dem Vermögen des Probanden bemessen. In unsicheren Fällen oder bei Widerspruch des Probanden wurde die Untersuchung zu einem späteren Termin wiederholt. – Im Spätmittelalter bildeten sich in einigen Großstädten (z.B. Nürnberg, Straßburg, Wien, Frankfurt am Main) überregionale Schauzentren heraus, die von Lepraverdächtigen aus Nah und Fern zur Begutachtung aufgesucht wurden.

Als signa leprae galten: 1.) harte und knotige Muskeln; 2.) ausgetrocknete, schuppige oder geschwürige Haut; 3.) Haarausfall; 4.) Muskelschwund; 5.) nervöse Störungen (z.B. Empfindungslosigkeit einzelner Hautpartien oder Muskelkrämpfe); 6.) körnige Anschwellungen (unter der Zunge, an Ohren oder Augenlidern); 7.) Brennen an der Haut; 8.) Gänsehaut bei Luftzug; 9.) Schweißabsonderung; 10.) Fieber; 11.) betrügerisches und zorniges Wesen; 12.) Alpträume; 13.) schwacher Puls; 14.) schwarzes, körniges Blut; 15.) weißer Urin; 16.) knollige Veränderung der Nase, Schwellung der Stirn, knotige Ohren, blaurote Gesichtsfarbe (zusammenfassend Löwengesicht [facies leonina] genannt); 17.) rauhe Stimme (vox rauca; wurde durch Singprobe erkannt); 18.) gesteigerter Sexualtrieb (hielt man doch die Krankheit für eine Strafe Gottes wegen unzüchtigen Lebenswandels).

Die Bezeichnung “Aussatz” wurde auch auf andere Hautkrankheiten bezogen – etwa auf Hauttuberkulose, Ekzeme, Krätze oder Schuppenflechte, bei deren Abklingen man an eine wunderbare Heilung von vermeintlicher Lepraerkrankung glaubte.

(s. Lepra, Leprosorium)

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