Naturwissenschaften

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Naturwissenschaften. Der Begriff einer auf quantifizierenden Messverfahren basierenden und den Geisteswissenschaften gegenüberstehenden Naturwissenschaft war dem Mittelalter fremd. Die frühmittelalterliche Denker des christl. Abendlandes erachteten die Beschäftigung mit physikalischen Problemen oder Fragen der Naturphilosophie nur insofern als zulässig und belangvoll, als dadurch Aussagen der Heiligen Schrift und damit die göttliche Weltordnung gedeutet oder bestätigt wurden. Hinter jeder Erscheinung der Natur sah der Kundige eine verborgene göttliche Botschaft, alle Naturerscheinungen wurden symbolisch ausgedeutet. Darüberhinaus galt die Beschäftigung mit den heidnischen Wissenschaften als überflüssig, gar schädlich. Eine Ausnahme stellte die medizinische Wissenschaft dar, folgte sie doch dem Vorbild des Heilers Christus.

Die naturwissenschaftlichen Denkkategorien der griechischen Klassik, allem voran die des Aristoteles, waren tradiert und bereichert worden von Römern, Byzantinern, Juden, Persern und Muslimen, und gelangten durch die Arbeit der Übersetzer im 12. Jh. über Süditalien und Spanien ins christliche Europa. Die befruchtende Wirkung vor allem der muslimischen Gelehrsamkeit auf die mittelalterliche christl. Wissenschaft kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Durch sie dürfte auch das Aufblühen der Universitäten wesentlich gefördert worden sein.

Das Erkenntnisstreben des Hochmittelalter spielte sich in einem geschlossenen System ab, in dem Glauben und Wissen, Aberglaube und Magie, religiöse Offenbarung und wissenschaftliche Erkenntnis ein untrennbares Ganzes bildeten, worin die Summe der göttlichen Wahrheit enthalten war. Ideen wie die des Aristoteles, die in bestimmten Teilen dem Glauben widersprachen, wurden zunächst gänzlich indiziert, danach teilweise anerkannt und letztlich in der artistischen Manier der Scholastik dem System einverleibt. Erst im Ockhamismus des 15. Jh. siegte die Trennung von Glauben und Wissen, wurde allerdings auch der großartige Versuch einer einheitlichen Weltsicht aufgegeben.

Ma. Naturwissenschaften fanden ihren Niederschlag in den Schriften namhafter Autoren und in den schulbildenden Arbeiten verschiedener Universitäten. Alchemie, Astrologie, Astronomie, Biologie, Geographie, Kosmogonie, Kosmologie, Mathematik, Medizin, Meteorologie, Pharmazie und Physik wurden teils als Einzeldisziplinen entwickelt, teils in wechselweisem Bezug gesehen. Insgesamt gelangte man – gegen die hemmenden Einflüsse von abergläubischen Vorstellungen und kirchlichen Doktrinen – von dem kompilatorischen System der Enzyklopädiker über reproduzierbare Experimente zur Formulierung allgemeingültiger Naturgesetze und damit an den Beginn moderner naturwissenschaftlicher Forschung.

Zum Bestand naturkundlicher Schriften, die im christlichen Abendland kursierten, gehörten die des ® Aristoteles (zu Physik und Metaphysik), Plinius (Historia naturalis), Solinus (“De mirabilibus mundi”), Dioskurides (“De materia medica”), der anonyme ® “Physiologus” (ein Buch über Tiere und Fabelwesen), “De universo” des ® Hrabanus Maurus, “Etymologiae” des ® Isidor von Sevilla (ein universalistisches Kompendium), “Physica” des ® Honorius Augustodunensis, “De proprietatibus rerum” des ® Bartholomaeus Anglicus, “De natura rerum” des ® Thomas von Chantimpre, “Speculum naturale” des Vinzenz von Beauvais (s. Enzyklopädiker) und das “Buch von den natürlichen Dingen” des ® Konrad von Megenberg und verschiedene Arbeiten des ® Albertus Magnus (zu Tieren, Pflanzen, Steinen, Erzen, Alchemie).

Weiters sind zu nennen Schriften des Odo de Meung (s. Herbarien), des Bischofs ® Marbod und der Äbtissin ® Hildegard von Bingen sowie das “Circa instans” des Matthaeus Platearius (s. Arzneibuch).

“Im späten Mittelalter vollzieht sich allmählich eine Wende von der konsequent christlichen Welt- und Naturdeutung zu einer Welt- und Naturkunde, die nicht mehr ausschließlich vom christlichen Erkenntnisinteresse beherrscht wird.” (Zitat bei Hilkert Weddicke, S. 77)

(s.a. Fachliteratur, medizinische Fachschriften, nautische Orientierung, Schule von Chartres, tierheilkundliche Fachschriften, Wissenschaft)

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