Nautische Orientierung

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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nautische Orientierung. Die Erfahrung des Steuermanns war die wichtigste seemännische Orientierungshilfe des Frühmittelalter Er kannte Landmarken (z.B. Steilküsten, Windmühlen, Kirch- und Leuchttürme), Seezeichen (Baken, Körbe, Tonnen) und Meeresströmungen, beobachtete Sonnenhöhe und Sternenstand, zog seine Schlüsse aus Wolken und Wind, aus Eigentümlichkeiten des Wassers (Farbe, Salzgehalt, Treibgut [treibender Seetang z.B. ließ auf Küstennähe schließen]), aus Art der gesichteten Vögel und dem Vorkommen bestimmter Fischarten. Auch eigens mitgeführte Vögel sollen, aufgelassen, die Richtung zum nächstgelegenen Land gezeigt haben (s. Tauben). Man benutzte das Lot (mhd. lot = aus Blei gegossenes Gewicht; lat. catapirates), um die Wassertiefe (in Fuß, Elle, Klafter oder Faden [=6 Fuß]) zu messen und auch, um anhand von Bodenproben vom Meeresgrund auf den Standort zu schließen; zu diesem Zweck war der Boden des Bleikegels ausgehöhlt und mit einer plastischen Masse (“Lotspeise”, z.B. Wachs oder Talg) gefüllt. Spätestens im 13. Jh. wurden Kompass und Seekarten (s. Portulankarten) allgemein gebraucht und so der Grund gelegt für eine immer zuverlässigere Navigation auf hoher See, weit außer Sichtweite jeglicher Küste. Im Idealfall segelte man auf einem bestimmten Meridian so lange in nördlicher oder südlicher Richtung, bis die in der Seekarte verzeichnete Breite des Zielhafens – gesichert durch Himmelsbeobachtung – erreicht war, änderte dann den Kurs um 90° und folgte dem entsprechenden Breitenkreis nach Westen bzw. Osten bis zum Ziel. (Dieser Idealfall war wegen wechselnder Winde und Strömungen kaum je zu erreichen; üblicherweise mussten komplizierte Kurse gesegelt werden.) Außer Kompass und Seekarten benötigte man zur Navigation auf hoher See Messgeräte zur Bestimmung der Höhe von Sonne bzw. Polarstern über dem Horizont (s. Astrolabium, Quadrant, Jakobsstab, Nokturnal), Tabellenwerke für deren Stand zu bestimmten Jahreszeiten (Ephemeriden) sowie als Zeitmesser die Sanduhr. Noch im 15. Jh. war das System der Koppelnavigation ausgereift; dabei wurde der mit dem Kompass festgelegte Kurs sowie die zurückgelegte Fahrtstrecke in die Seekarte eingetragen. (Die Fahrtstrecke errechnete man aus der gegissten [geschätzten], im 15. Jh. vielleicht auch schon aus der mit dem Log gemessenen Geschwindigkeit und aus der mittels einer Sanduhr gemessenen Zeit. Das Log [neuengl., = Stamm, Klotz] besteht aus einem Stück Holz, das an einer Leine befestigt ist und vom fahrenden Schiff ins Wasser geworfen wird. Das Holz bleibt an der gleichen Stelle auf dem Wasser liegen. Nach einer bestimmten, mit der Sanduhr ermittelten Zeit wurde die Länge des ausgelaufenen Seils gemessen. Aus dem Quotient von Seillänge und Zeit ergibt sich die Geschwindigkeit. Das Loggen ist nur zuverlässig, wenn das befahrene Wasser keine Relativbewegung zum Schiff hat, nicht also in Meereströmungen.)

Dem Navigator standen in den “Segelanweisungen” schriftliche Erfahrungsberichte zur Verfügung, die über Lotungstiefen, Landmarken, Seezeichen, Entfernungen nach Segeltagen, Hochwasserzeiten, Kompasspeilungen und anderes informierten. Als ältestes und ergiebigstes Beispiel dieser Gattung gilt das niederdeutsche “Seebuch” aus dem 14./15. Jh.

(s. Barsenmeister, Nebel)

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