Ohrkrankheiten

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Ohrkrankheiten (mhd. ore, or = Ohr; lat. auris). Dem Organ, dem zugeordneten Gehörsinn und deren Erkrankungen wurde im mittelalterliche Volksglauben und in der Medizin große Aufmerksamkeit gewidmet. Das Ohr galt als Ein- und Austrittsort der Seele – aber auch der Dämonen. Selbst die Empfängnis Mariens habe durch das Ohr stattgefunden. Verbreitet war der Glaube, dass übel von Einem gesprochen werde, dem das linke Ohr klinge; umgekehrt würde Gutes über den gesagt, dem das rechte Ohr klinge. Die Klostermedizin sah die Ursache von Schwerhörigkeit oder Taubheit gemäß der Säftelehre in schlechtem, zum Hirn aufsteigenden Phlegna. Studierte Ärzte suchten die Gründe für Ohrgeräusche in Hunger, Erschütterung, Trunkenheit, Kälte, Leber- und Magenleiden oder in Ohrwürmern, die aus Luft und verdickten Säften entstanden sein sollten. – Schwerhörigkeit, die ihre Ursache in unsachgemäßem Baden oder heftigem Lärm haben sollte, ging man mit Aal- und Schlangenfett an (“Flos medicinae Salernitanum”). – Gegen Taubheit kannte man u.a. ein Kompositum aus Kalbsmark, Wein und Eppichwurzelsaft. Die Ursache der Taubheit suchte man in Fremdkörpern, Ohrenschmalz, Verstopfung der Nerven, den erwähnten Würmern oder in dämonischem Zauber. – Das Heilkräuterbuch “Macer floridus” rät bei Ohrklingen zu Räucherung mit Ysop. – Arnaldus de Villanova empfiehlt bei Ohrschmerz oder Schwerhörigkeit warme oder kalte Kräuterkompressen. – Die salernitanische Medizin des 12. – 15. Jh., geschult an Werken von Celsus, Galen, Rhazes und Avenzoar, äußert sich zu folgenden Ohrenleiden: Schmerzen mit und ohne Eiterfluss, Abszessen, Würmern, Fremdkörpern, Schwerhörigkeit, Taubheit und diversen Innengeräuschen. Die studierten medicatores aurium wie die handwerklich geschulten Barbiere und Wundärzte kannten eine Anzahl von einschlägigen Medikamenten (Kamille, Mandelöl, Milch, Eppichwurzelsaft u.a.m.), Arzneimittelformen (Tropfen, Pflaster u.ä.), Behandlungs- und Anwendungsarten (Aderlässe, Umschläge, Einträufelungen, Spülungen, Räucherungen, Bedampfungen usw.) und Instrumenten (Haken, Saugröhrchen, Sonden, Zangen). Ein Spekulum zur Untersuchung des äußeren Gehörgangs wird erstmals von Guy de Chauliac erwähnt (14. Jh.).

Die Laienmedizin verfügte über ein breites Spektrum von wahngläubischen Heimitteln, so z.B. örtliche Einreibungen mit “Glockendschmalz” (dem Fett aus dem Lager der Kirchenglocken), das Einbringen von Spinnweben in den äußeren Gehörgang, das Tragen von Ohrringen oder von Armbändern aus Bernstein, heiße Fußbäder, die Öffnung der “Froschader” unter der Zunge, das Austreiben des Ohrwurms (mhd. or-wurm) durch Pulver aus Ohrwürmern oder durch Zaubersprüche.

Im Volksglauben galten St. Mauritius und St. Thomas als Patrone bei Ohrleiden.

(s. Kopfleiden, Ohr, Ohrwurm, Wurm)

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