Pferde

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Pferde (mhd. phert, pfert; ahd. pfarfrit, pfarifrit, pferfrit; v. frühmlat par[a]veredus = Kurierpferd [aus grch. para = neben und kelt./röm. veredus = postpferd, also eigtl. Postnebenpferd]; das lat. equus geht in den roman. Volkssprachen verloren, wird ersetzt durch vulgärlat. caballus; mhd. ros, ross, rossphert = Streit- oder Wagenpferd, Hengst; münchphert, hengest = Wallach; stuot, stuotphert = Stute; vülhe, vülin = Füllen; merhe = altes Pferd). Säugetier aus der Gattung der Einhufer (equiden), verbreitet über weite Gebiete Eurasiens mit einem Schwerpunkt in Nordosteuropa.

Hauspferde sind die domestizierten Abkömmlinge verschiedener Arten von Urpferden. So stammen unsere Kaltblüter vom europäischen Waldpferd (equus ferus silvaticus) ab, das noch im Mittelalter in Osteuropa bejagt wurde. – Die Pferde der Germanen waren mit einer Widerristhöhe von ca. 135 cm wesentlich kleiner als die röm. Pferde der Kaiserzeit, die bis zu 160 cm groß wurden. Im Frühmittelalter kannte man in Westeuropa Pferde von unterschiedlicher Wuchsform und Größe (125 cm im Ostbaltikum bis 145 cm in Friesland und 150 cm in England). Ansätze einer Rassenzucht lassen sich anhand osteologischer Befunde jedoch erst für das Spätmittelalter nachweisen.

Die Reitervölker Vorder- und Zentralasiens züchteten aus dem Wildpferd der Steppen (Equus ferus ferus) das Haus- bzw. Reitpferd, das sie auf ihren Kriegszügen in den Mittelmeerraum und nach Europa brachten. Genutzt wurde es als Reit-, Trag- und Zugtier sowie zur Fleisch-, Milch- und Ledergewinnung.

Ma. Pferdetypen waren das schwere Schlachtross (mlat. dextrarius, weil es der berittene Knappe auf dem Weg zum Kampfplatz zu seiner Rechten führte), das nur zum Kampf geritten wurde, das leichtere Marschpferd (palafredus, palefridus v. paraveredus = Dienstpferd), der leichte warmblütige Zelter (mhd. zelter, zeltenphert, lat. equus trutinans = Passgänger) und Pferde, die als Trage- und Vorspanntiere gezüchtet wurden und ebenfalls von leichterem Bau waren (mlat. roncinus, mhd. runzit = Klepper). Im 12. Jh. kam es durch Einkreuzungen von “Arabern” aus Spanien und von Pferden aus dem Nahen Osten (die man nach den Kreuzzügen mitgebracht hatte) zu leichteren und schnelleren Typen von Reitpferden. Kaltblutartige Pferde kamen erst im Spätmittelalter auf. – Hatte ein Bauernpferd, das Inhaber von Freienhufen, seltener Hörige, im Frühmittelalter im Rahmen der Grundherrschaft für Kurier- und Kriegsdienste zu halten hatten, den Gegenwert von zwei Kühen, so war das schwere, abgerichtete Schlachtross von mehrfachem Wert.

Die Anspannung, die ursprünglich in Jochgabel oder Halsriemen bestand, wurde in der zweiten Hälfte des ersten Jahrtausends durch Kummet- und Sielenanspannung vorteilhaft abgelöst. (Als erste Darstellung eines Kummets gilt die in der “Trierer Apokalypse” [um 800], die älteste Abbildung der Sielenanspannung findet sich auf dem “Osebergteppich” [9. Jh.]). Steigbügel kamen in Europa im 7./8. Jh. auf; der Hufbeschlag war zwar schon den Kelten bekannt gewesen, kam jedoch erst im 9. Jh. wieder zur Verwendung. Von ausschlagebender Bedeutung für den Aufschwung der Pferdehaltung war die Ausweitung des Anbaus von Hafer; vermehrter Einsatz von Pferden als Zugtieren führte wiederum zur Steigerung der Felderträge. Gegen Ende des Mittelalter setzte bei den Hauspferden ein allgemeiner Größenanstieg ein, fanden Pferde zunehmend statt der Ochsen als Zugtiere Verwendung. Erwähnt sei die Nutzung der Pferdestärke bei der Waldarbeit (“Rücken” von Stammholz) und beim Treideln.

Die Zähmung und Dressur von Reit-, Jagd- und Kampfpferden bei Hofe war Aufgabe des Marschalls (v. ahd. marah = Mähre, Pferd und scalc = Knecht), dem ein Team von Pferdeknechten (splat. poledarii) unterstand. Aus dem Amt des Marschalls – einem der mittelalterliche ® Hofämter -, der auch als Anführer der Reiterei diente, wurde das eines Oberaufsehers über das gesamte Hofwesen. Zu den Aufgaben der Pferdeknechte gehörte außer dem Stalldienst, der Bewegung und dem Aufzäumen der Tiere auch die Fell-, Mähnen- und Schweifpflege, für die man spezielle Kämme und Striegel hatte.

Gegenüber der Wertschätzung des Pferdes im frühen Christentum, dem es als Symbol des Sieges und der Freude galt, wurde es von den Kirchenvätern Augustinus und Hieronymus als hochmütig und wollüstig diffamiert. Der Genuss von Pferdefleisch galt der Kirche als sündhaft, hatten doch die heidnischen Germanen ihren Göttern Pferde geopfert und selbst vom Opferfleisch gegessen, um die Kräfte des im Pferd verehrten Gottes (Wodan) aufzunehmen. Papst Gregor III. erließ 732 ein Edikt, das den Verzehr von Pferdefleich untersagte. Hildegard von Bingen sprach geringschätzig von Pferdefleisch, aber nur wegen dessen Zähigkeit und Unverträglichkeit. Trotz solcher Verächtlichmachung erscheinen Pferde attributiv in Heiligendarstellungen, so bei Eligius und Eustachius (als Jäger), bei Georg und Jakob (berittener Streiter gegen den Drachen bzw. die Sarazenen), bei Martin (als Ritter seinen Mantel teilend) und bei Hubertus, dem Schutzpatron der Jäger. Als Pferdepatrone, in deren Namen man Umritte machte und Pferdesegen erteilte, galten vor allem St. Stefan und St. Leonhard. (Umritte und Pferdesegnungen gab es z.B. in Neudenau [Jagsttal, 14. Jh.], in Kreuth am Tegernsee [seit 1442] oder in Inchenhofen [seit 1459]).

Der Faszination, die das Pferd von jeher auf Menschen ausübte, entsprachen die ihm zugesprochenen Charaktereigenschaften (Klugheit, Treue, Mut, Stolz, Befähigung zu Freude und Trauer) sowie die bedeutende Rolle, die es im Aberglauben und in der Volksmedizin spielte. So schützte ein an den Hausgiebel genagelter Pferdeschädel vor Unglück, galten Pferde als zur Hellsichtigkeit begabt, war der Pferdefuß ein Attribut des Teufels, hatten Körperteile oder Ausscheidungen der Pferde medizinische Wirkung. (Hildegard von Bingen empfiehlt ein Bad in Pferdeblut zur Heilung von Aussatz. In der Volksmedizin kannte man vielerlei Anwendungen für Pferdemist.)

Die mittelalterliche Tierheilkunde befasst sich fast ausschließlich mit der Gattung Pferd. (s. tierheilkundliche Fachschriften)

(s. Bote, Gleve, Hufschmied, Kastration, Kummet, Lasttiere, Marstall, Rossharnisch, Reittiere, Sattel, Schlachtross, Siele, Sporn, Steigbügel, Tierheilkunde, Zaumzeug, Zugtiere)

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