Physiognomik

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Physiognomik (grch., = zur Beurteilung fähig; die Lehre von der Deutung der Körperzeichen, besonders denen des Gesichts, als Ausdruck charakterlicher Eigenschaften). Physiognomisches Gedankengut war Bestandteil griechisch-antiker Geheimlehren und wurde von Aristoteles in den Rang einer Wissenschaft erhoben. Auf arabische Bearbeitungen des Secretum Secretorum des Aristoteles gingen mittelalterliche Werke zurück, wie der Liber physionomie des Michael Scotus (um 1230), die Compilatio physionomiae des Pietro d´Abano (1295) oder das Speculum physionomiae des Michele Savonarola (um 1455). Einschlägige Gedanken finden sich schon bei Albertus Magnus (13. Jh.).

Der Kern dieser Lehre ist, dass aus sichtbaren Körperzeichen einer Person Schlüsse auf deren Charaktereigenschaften, Verhalten und künftiges Schicksal gezogen werden können, und dass gleiche Zeichen bei verschiedenen Menschen Gleiches bedeuteten. In einschlägigen Zeichenkatalogen wurde z.B. behauptet, dass ein schwarzes Muttermal auf der linken Hand einen Verräter kennzeichne, dass eine faltenlose Stirn “einen höfischen und wohlerzogenen Mann mit einem Gehirn von kalter Komplexion” verrate und dass man an einer breiten Nase einen Lügner erkenne; frühergraute Haare ließen auf einen “unkeuschen, lügnerischen und geschwätzigen” Menschen schließen, “ein dünner Bart verrate einen weibischen, schwachen Mann” usw. (Zitate nach V. Groebner). Zeichenlisten dieser Art fanden sich in volkssprachlichen Medizintraktaten des SMA., in Volkskalendern und un der Hausbuchliteratur. Unter den Wissenschaften war die Physiognomik verwandt mit spekulativen Fächern wie Astrologie, Iatromechanik und Alchemie.

Weibliche Komplexionen wurden nur selten thematisiert, und wenn, dann mit negativer Konnotation, als schlechtes Gegenbeispiel zu männlichen Verfassung.

Eine wesentliche Quelle der mittelalterliche Humanphysiognomik bildete die Tierphysiognomik. Zoomorphe Analogien hat es schon in der Antike und in vielen – auch außereuropäischen – Kulturkreisen gegeben und hat in Form der Tiersymbolik Eingang in die Bildende Kunst, in Heraldik und Dichtung gefunden. Der gelehrte Augustiner-Eremit Aegidius Romanus (um 1243 – 1316), Schüler des Thomas von Aquin und selbst Lehrer an der Pariser Universität, hat sich in seinem Fürstenspiegel “De regimine principum” auch zu tierphysiognomischen Überlegungen geäußert: “homines similiores animalibus bellicosis, utiliores videntur esse ad bellum” (Menschen, die kämpferischen Tieren ähneln, sind offenbar kriegstauglich). Maßgebliche Zeichen für Tapferkeit seien eine löwengleich breite Brust, große Gliedmaßen, ein aufgerichteter Hals und bewegliche, falkengleiche Augen.

(s. Allegorie, Drolerie, Komplexionen, Wappenzeichen)

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