Psychologie

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Psychologie (grch., = Seelenlehre). Die mittelalterliche Wissenschaft von der menschlichen Seele geht im Wesentlichen auf Aristoteles und Augustinus zurück. Aristoteles begriff die Psychologie als Fach der Naturphilosophie und deutete die Seele als Zentrum aller Lebenserscheinungen (“Drei Bücher über die Seele”). Die Psyche (Seele) sei entwicklungsgeschichtlich in drei Qualitäten gegliedert: eine vegetative oder Pflanzenseele (zuständig für Ernährung), eine Sinnen- oder Tierseele (zusätzlich begabt für Empfindung und lokale Beweglichkeit) und die Vernunft (nous), die erst dem Menschen über die anderen, naturgegebenen Seelenarten hinaus zukommt und diesen von außen zugefügt wird; sie ist Grundlage für seine geistige Tätigkeit, für sein Denkvermögen. Die Vernunft ist somit eine eigenständige Kapazität der Seele. Sie gliedert sich in eine empfangende und in eine tätige (schaffenden) Vernunft, wobei erstere den Stoff (Potentialität) und letztere die Form (Aktualität) vertritt. Im Gegensatz zu den anderen Seelenteilen ist die Vernunft nicht an den Leib gebunden und damit unsterblich. Wissen entstehe durch korrekte Interpretation der Sinneseindrücke und logisches Denken. Aristoteles nimmt einen freien Willen an, der durch Klugheit und die von der Natur vorgegebenen ethischen Tugenden auf das Gute hin ausgerichtet wird. Der aristotelische Entwurf einer eigenständigen Wissenschaft von der Seele geriet in der frühchristlichen Zeit in Vergessenheit. Stattdessen gewannen die Lehren des Augustinus an Bedeutung. Er deutete die Seele des Menschen als Dreiheit von Bewusstsein (memoria), Verstand (intelligentia) und Wille (voluntas). Die Hauptkraft der Seele sei die Macht des freien Willens, der für alles menschliche Handeln und Glauben verantwortlich ist. Die Selbsterkenntnis – das subjektive Reflektieren über den eigenen Geist – sei zuverlässiger als das Wissen, das durch Sinneseindrücke zu gewinnen ist (“noli foras ire, in te ipsum redi; in interiore homine habitat veritas”).

Im 6./7. Jh. kamen lat. Übersetzungen alexandrinischer Texte ins Abendland, die sich auf die Gliederung des Gehirns bezogen. Dieses war demnach von vorn nach hinten in drei Bereiche unterteilt, in deren erstem die sinnlich wahrgenommenen Eindrücke erfasst, im zweiten beurteilt und im dritten abgespeichert würden. Die Dreiheit von Bildauffassung, Urteilsvermögen und Gedächtnisstärke bilde die Vernunft.

Den Sitz der Seele im Körper suchte man im Mittelalter gemäß Galen zumeist im Herzen, seltener nach Erkenntnissen arabischer Ärzte im Hirn.

Thomas von Aquin übernahm sowohl den Begriff des “Willens” von Augustinus wie den des “Verstandes” von Aristoteles, wobei er den Willen dem Verstand unterordnete, die Willensfreiheit also aufhob. Willensfreiheit lässt Thomas nur in dem Sinne zu, als der menschliche Wille nicht stets durch ein von “Außen” wirkendes, sondern auch von der Vernunft im “Innern” des Menschen bestimmt ist. Die Seele ist nach Thomas zusammengesetzt aus einem nicht-körperlichen, nicht-vergänglichen rationalen Teil (anima intellectiva) sowie den körperverhafteten Seelenteilen: einem sensorischen (anima sensitiva) und einem vegetativen Teil (anima vegetativa s. nutritiva), welch letztere beiden aufgrund ihrer körperlichen Qualität sterblich sind. Das Streben der intellektuellen Potenz sei auf das Erkennen gerichtet, ihr eigne freies Entscheidungsvermögen (liberum arbitrium). Die anima sensitiva produziere Leidenschaften (passiones, z.B. Liebe oder Hass, Angst oder Zuversicht), sie sei durch die Sinnesorgane und durch das Gehirn fähig zu Wahrnehmung und Gedächtnis; die anima vegetativa sei verantwortlich für physiologische Leistungen (z.B. Bewegung, Verdauung, körperliche Triebhaftigkeit).

Eine von der thomistischen Seelenlehre abweichende Meinung vertraten die Anhänger des ® Averroes, welcher anstelle einer unsterblichen Einzelseele einen überindividuellen universellen Intellekt annahm, der sich vorübergehend mit den menschlichen Einzelseelen verbinde. (s. Monopsychismus, Siger von Brabant)

Zur Psychologie entstanden im Mittelalter über Thomas hinaus keine weiteren wissenschaftlichen Werke, wohl aber Schriften selbstbeobachtender Bewusstseinsbeschreibung (Autobiographien; Schilderung seelischer Befindlichkeiten im Minnesang) und mystischer Vereinigung der Seele mit Christus (s. Mystik).

(s. Seele, Seelenschmerzen)

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