Spinnen

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Spinnen (mhd. spinnen = das Ausziehen und Drehen von Fasern zu einem Faden) blieb bis ins 11. und 12. Jh. weitgehend häusliche Nebenbeschäftigung der Frauen und Mädchen aller Stände. Wolle, Flachs und Hanf wurden entsprechend vorbehandelt und mit der Handspindel oder (seit dem 13. Jh.) mit dem Rad gesponnen. Die ca. 30 cm lange Handspindel (ein Stab [mhd. zein] aus Eiben-, Hainbuchen-, Hasel-, Erlenholz) hatte die Form eines Doppelkegels und trug am oberen Ende zur Befestigung des Fasernendes einen Einschnitt. Eine die Spindel umgreifende Schwungscheibe aus Ton, Knochen oder Stein (der “Wirtel”) auf dem unteren Drittel des Stabes sorgte für gleichmäßige Drehung. Die sich schnell drehende Spindel zog, frei zu Boden schwebend, den mit Daumen und Zeigefinger aus den Gespinstfasern des Rocken zusammengedrehten Faden mit sich. War der Faden lang genug, dass die Spindel den Boden erreichte, wurde er auf die Spindel aufgewickelt, in dem Einschnitt festgeklemmt und der Spinnvorgang begann von neuem. Dabei wurden die Fasern aus dem Spinnrocken (Wocken, Kunkel), einem um einen senkrechten Stab geschlungenen Knäuel von Gespinstgut gezogen, geordnet und zum Faden verdreht (gezwirnt). Auf diese Weise konnten ca. 120 m Garn pro Stunde hergestellt werden. Leichte Spindeln wurden für feines Garn, schwere für grobes Garn verwendet. Die Spinnzeit pro Garnlänge war umso länger, je feiner das Garn wurde.

Die Spindel (mhd. spinnel, spindel) und der Rocken (mhd. kunkel) galten als Attribut der Frau, so wie das Schwert dem Manne zugeordnet war. “Spindel-” oder “Kunkelmagen” waren Verwandte mütterlicherseits, “Schwertmagen” solche von väterlicher Seite.

Das 1268 erstmals schriftlich belegte Handspinnrad vereinte Rocken und Spindel, erlaubte abwechselnd Spinnen oder Aufspulen. Es bestand aus einem mit der linken Hand gedrehtem Rad, das über eine Schnur aus Schafsdarm die Spindel in Rotation versetzte. Die rechte Hand führte das Spinngut in der Richtung der Spindelachse, schwenkte den Faden – wenn er eine bestimmte Länge hatte – um 90°, um ihn auf der Spindel aufzuspulen. Gegenüber der Handspindel war die Arbeitsleistung etwa verdoppelt. Die Verwendung des Handspinnrads bzw. die Verarbeitung des radgesponnenen Garns blieb mancherorts bis ins Spätmittelalter Beschränkungen unterworfen, um den von Hand spinnenden Frauen ihre Arbeitsmöglichkeit nicht zu schmälern. Ein Speyerische Anordnung von 1280 verfügte, dass radgesponnenes Garn nur für den Schuss verwendet werden dürfe. Die Kette (mhd. zettel) habe “cum manu et fusa” (mit der Hand und der Spindel) hergestellt zu sein.

In einer um 1480 entstandenen Bilderhandschrift ist erstmals ein Flügelspinnrad abgebildet, bei dem ein mit der Spule kreisender “Flügel” den Faden drillt und bei genügender Länge auf die Spule wickelt. Flügel und Spule sind voneinander unabhängig. Während des Spinnens laufen der verdrillende Flügel und die Spule gleichschnell; sobald die Spinnerin die Fadenspannung lockert, läuft die Spule dem Flügel etwas voraus und wickelt den Faden auf. So war der periodische Spinnvorgang durch einen kontinuierlichen abgelöst worden. Damit die Spinnerin während der Arbeit ihre Finger benetzen konnte, war am Spinnrad ein kleines Wassergefäß (“Lapperkessel”) angebracht. Der vorläufig auf der Spule des Spinnrads aufgewickelte Woll- oder Flachsfaden wurde mit der Weife zu Strängen abgehaspelt. Trotz des vereinfachten Arbeitsvorgangs war die Arbeitsleistung des Flügelspinnrads gegenüber dem einfachen Handspinnrad nicht größer sondern kleiner. Schuld daran ist das niedrigere Übersetzungsverhältnis vom Antriebsrad zur Spindel: es beträgt etwa 1 : 10 (beim Flügelspinnrad) gegenüber 1 : 45 (beim einfachen Handspinnrad).

(Das Flügelspinnrad mit Fußantrieb, bei dem die Spinnerin beide Hände zum Ordnen und Zuführen des Spinngutes frei hatte, wurde erst um 1520 in England erfunden und kam um 1530 in Deutschland in Gebrauch.)

(s. a. Garn, Haspel, Zwirn, zwirnen)

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