Stadthaus

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Stadthaus, Bürgerhaus. In Städten und Marktorten gelegene Wohn- und Wirtschaftsbauten der Bürger erhielten seit dem 13,/14 Jh. eine charakteristische Erscheinungsform je nach sozialer Stellung der Erbauer (s. Stadtbevölkerung, örtlicher Baumaterialien und -traditionen Sowie gesetzlicher Verordnungen (s. Bauordnung).

Mittelalterlich anmutende Stadthäuser stammen fast ausnahmslos aus nachmittelalterlicher Zeit. Für Holzbauten aus dem 15. und 14. Jh. gibt es nur mehr vereinzelte Beispiele, ebenso für Steinbauten vor dem 13. Jh. Fachwerkbau überwog in Nordwest- und Mitteldeutschland, Franken und Südwestdeutschland. In den übrigen Gebieten bis weit in den Osten Mitteleuropas hinein herrschte der Steinbau vor. Archäologische und hauskundliche Forschungen haben ergeben, dass die Bürgerhäuser sich nicht aus in die Stadt verpflanzten Bauernhäusern entwickelt haben, sondern von Anfang an auf die Erfordernisse von Handwerk und Handel zugeschnitten waren. Bei Fachwerkhäusern dominierte in Niederdeutschland der Hallenbau, in Oberdeutschland der Geschossbau. (Beim Hallenbau sind die Kammereinbauten vom Hausgerüst unabhängig, beim Geschossbau sind die Kammern durch die Gerüstkonstruktion vorgegeben.) In den Ostgebieten verdrängte der Gerüstbau den dort üblichen Blockbau. Die Gefache des Holzgerüstes wurden durch Flechtwände mit Lehmbewurf oder mit waagrechten Bohlen ausgefüllt (s. Ausfachung), das Dach wurde je nach Region mit Stroh, Schilf, Holzschindeln, Kalksteinplatten oder Plattenschiefer gedeckt, vom 14. Jh. an setzte sich aufgrund städt. Bauordnungen allmählich die Ziegeldeckung durch. Dass die Umstellung auf nicht-entflammbare Materialien – trotz baupolizeilicher Verordnungen und städt. Zuschüsse – nur zögernd vorankam, lag zum einen an den hohen Kosten, zum anderen an der geringen Belastbarkeit der Außenwände; deren Statik war der Last eines Schindel- oder Strohdachs, nicht jedoch der eines Ziegel- oder Steindachs gewachsen.

Vom 12. Jh. an errichtete sich das Stadtpatriziertum steinerne Wohnbauten mit einem repräsentativen, kaminbefeuerten Saal im Obergeschoss (Saalgeschosshaus). Die Ideen des hochmittelalterliche Steinhauses der Oberschicht und des frühmittelalterliche Handwerkerhauses verschmolzen im 13. Jh. zum Typ des Bürgerhauses, wie er uns in Nordwest- und Mitteldeutschland, in Franken und Südwestdeutschland als Fachwerkbau, im übrigen Deutschland als Steinbau geläufig ist. Wo im Spätmittelalter vom Holz- zum Steinbau übergegangen wurde, dürfte dazu nicht allein Langlebigkeit, Feuerbeständigkeit und höheres Prestige, sondern auch die wachsende Holzverknappung motiviert haben. Häufig fanden sich auch Häuser in Mischbauweise, wobei über dem gemauerten Keller- und Erdgeschoss ein oder zwei Stockwerke in Holzbauweise lagen. Das Mauerwerk bestand aus hammerrecht behauenen Bruchsteinen oder aus Quadersteinen; es war im Keller 1 – 1,5 m bzw. – bei Quaderbauweise – 0,5 – 0,7 m stark, und verjüngte sich zum Erd- und Obergeschoss jeweils um die Stärke der Auflagen für die Deckenbalken.

Im Laufe der Entwicklung kam es aufgrund der wachsenden Raumnot innerhalb der Stadtmauern zur engen Aneinanderreihung der nunmehr äußerlich recht einheitlichen Bürgerhäuser. Die ebenerdige Diele oder Halle des niederdeutschen Handwerker- oder Händlerhauses diente Küchen-, Wohn- und Geschäfts- bzw. Arbeitszwecken gleichermaßen. In Süddeutschland befanden sich ebenerdig Laden, Eingang, Treppenantritt und Durchgangsraum (Ern) im vorderen, die Werkstatt oder der Lagerraum im hinteren Teil. Die Wohnfläche umfasste durchschmittlich ca. 45 qm und befand sich im Obergeschoss. Die Räume hatten kleine Fenster, die durch Tuch-, Pergament-, Tierblasen- oder Lederbahnen bzw. durch Holzläden geschlossen werden konnten. Die Möblierung war spärlich, Bettstatt, Tisch mit Bänken und eine Truhe bildeten eine durchschnittliche Ausstattung. Der Kochherd, oft die einzige Wärmequelle im Haus, entließ den Rauch durch ein Fenster oder eine Luke nach draußen. Erst im Spätmittelalter fanden Rauchfang und Schornstein Verbreitung.

Vom Beginn des 13. Jh. an wurden die Häuser komfortabler. Stubenheizung, reichere Möblierung sowie umfänglicher Hausrat wurden gutbürgerlicher Standard. Im frühen 14. Jh. kam die Fensterverglasung mit Butzenscheiben auf.

Da im gesamten Mittelalter die meisten Bürger auch Ackerland bewirtschafteten, gehörte zum Stadthaus auch ein Kornboden unterm Giebel und im Hinterhof ein Verschlag fürs Vieh. Für die Körperreinigung war kein eigener Raum vorgesehen, man wusch sich in Schüsseln oder am Brunnen. Auch Aborte (“heimliche Gemächer”) waren in Stadthäusern – abgesehen von wenigen Patrizierhäusern – nicht üblich. Die Notdurft wurde bei der Dungstätte im Hof – allenfalls in einem Bretterverschlag – verrichtet, oder man bediente sich des “Nachtgeschirrs”, das gelegentlich auch auf die Straße entleert wurde. In Patrizierhäusern gab es vom 13./14. Jh. an Aborterker oder -nischen, deren Abfluss in ein unterirdisches Gewölbe (“Kasten”) oder in die Traufgasse geleitet wurde. Im Spätmittelalter gab es für einzelne Häuser oder Häuserzeilen auch Ableitungen in Fließgewässer (s. Abfallbeseitigung, Stadtbäche).

Die Anlage von Kellern war im 14. Jh. noch selten, vom 15. Jh. an schon allgemeiner Standard; durch Unterkellerung wurde das Klima in Wohnstuben verbessert, konnte Lager- oder Gewerberaum gewonnen werden. Da die Keller häufig nur ca. 1,70 m in den Boden eingetieft waren, kam das Erdgeschoss bis zu 1 m über dem Straßen- oder Hofniveau zu liegen. Zugang zum Keller bestand von der Diele oder von der Straße aus. Die Decke der Keller bestand ursprünglich aus einer Balkenlage, später war sie meist als Tonnengewölbe, bei aufwenigeren Bauten auch als Kreuzgratgewölbe mit freistehendem Pfeiler ausgeführt. In den Weinbaugegenden waren Keller zu Ausbau und Lagerung der Weine von besonderer Bedeutung.

Wer als Angehöriger der Unterschichten gegen geringen Mietzins in einem Stadthaus unterkam, gehörte zu den Glücklicheren seines Standes, auch wenn ihm nur ein winziges Gelass unter der Stiege oder im Keller zukam. Das Vermieten von Wohnraum war im Spätmittelalter gängige Praxis geworden und wurde nicht nur von Unbemittelten in Anspruch genommen, zumal der Erwerb des Bürgerrechts nicht mehr an Grund- oder Immobilienbesitz gebunden war. Mietshäuser waren – wo nicht Eigentum der städtischen Oberschicht – Eigentum kirchlicher Institutionen (Stifte, Klöster, Spitäler).

(s. Abort, Brunnen, Dachdeckung, Fenster, Fußboden, Geschlechtertürme, Haus (Arch.), Heizung, Kachelofen, Keller, Küchenherd, Möbel, Raumdecke, Steinbau)

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