Traum

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Traum (ahd., mhd. troum; zu ahd. triugan, mhd. triegen = täuschen, irreführen; lat. somnium). In bestimmten Phasen des Schlafes bei Menschen und höheren Tieren auftretendes halluzinationsartiges Erlebnis, hauptsächlich visueller Natur. Im Gegensatz zur sinnfälligen, klaren Vision (meist im Zustand einer Ekstase erlebt) und zur Erscheinung (die im Wachzustand wahrgenommen wird) ist der Traum (der einem während des Schlafs widerfährt) erklärungsbedürftig, dunkel. Ma. Theologen zufolge war Träumen – ungeachtet dessen, dass die Bibel und die Heiligenlegenden von zahlreichen offenbarenden, also gottgegebenen Träumen erzählt (z.B. des Pharao, des hl. Joseph, des hl. Martin) – prinzipiell zu misstrauen, da sie überwiegend vom Satan oder seinen Dämonen eingegeben waren (wie z.B. der Traum des hl. Antonius). Überdeutlich wurde dies an Träumen sexuellen Inhalts. Weniger klar war die Herkunft von Träumen religiösen Inhalts; auch sie wurden indes von der Kirche diffamiert, stellten sie doch potentiell einen nicht von ihr vermittelten Zugang zum Göttlichen dar.

Ursprünglich als von feenhaften Wesen (Alben) verursacht, später als dämonischen Ursprungs wurden Alpträume erachtet, nächtliche, häufig mit Angstträumen verbundene Beklemmungszustände (oppressio nocturna; pavor nocturnus), die oft mit schreckhaftem Erwachen endeten (s. Alp). Von derlei Schrecken sind nach Hildegard v. Bingen nur Leute verschont, “die sehr sicher und sehr zum Frohsinn geneigter Natur sind, … von ehrenhaftem, fröhlichem Wesen …”. Naturwissenschafter erklärten Alpträume daraus, dass entweder die Atmung auf irgendeine Weise behindert ist oder der volle Magen auf das Herz drücke und so das freie Fließen der Lebenskraft behindere.

Selbst Träume, die sich bewahrheiteten, sollten verachtet werden, waren Trugwerk der Dämonen (Isidor von Sevilla: “Si dixerint vobis, et ita evenerit, non credatis” – “Wenn sie euch etwas gesagt haben, und es geschieht, so glaubt ihnen nicht”). Lediglich einer privilegierten Elite – Königen und Heiligen – traute die Kirche zu, von Gott eingegebene, “wahre” Träume von den “falschen” Träumen satanischer Herkunft zu unterscheiden. Während die kirchlichen Autoritäten sich der “wahren und nützlichen” Träume bedienten, um ihre Lehre zu propagieren, suchten sie die berufsmäßige Traumdeuterei zu unterdrücken (1. Konzil von Ankyra, 314). Mantische Traumauslegung (Oneiromantie) wurde zu einer geheimen, im Verborgenen geübten Angelegenheit von weisen Frauen, Hexern oder Gelehrten.

Während also christl. Lehrer Träume anfänglich für Teufelswerk hielten (Hieronymus, Augustinus, Gregor d. Gr.), erklärten praktische Geister des späteren Mittelalter (z.B. Albertus Magnus, Arnaldus de Villanova) das Träumen als Aktivität des Schlafs (negotia somni), ähnlich der Meinung des Aristoteles, derzufolge Träumen das Seelenleben während des Schlafes sei. Träume seien abhängig von dem physischen Zustand des Schläfers (Überfüllung oder Leere des Magens, Position des Körpers, sexuelle Frustration, Krankheiten usf.) und von seiner psychischen Verfassung (Entspannt- oder Erregtsein). In diesem Sinn betrachtete Hippokrates die Traumdeutung als wichtigen Teil der ärztlichen Kunst. Thomas von Aquin unterschied zwischen innerlich und äußerlich verursachten Träumen. Erstere können seelische Ursache (z.B. wenn man von Ereignissen des Vortages träumt) oder körperliche Ursache haben (etwa als Folge der Komplexionen der Körpersäfte). Auch für äußerlich verursachte Träume nennt er solche seelicher Natur (wenn sie von Gott oder Dämonen kommen) und körperlicher Natur (wenn der Traum durch astrologische oder meteorolische Gegebenheiten bedingt ist).

Die mittelalterliche Literatur bediente sich des Topos “Traumerlebnis” – ungeachtet kirchlichen Misstrauens -, um über den zeitlichen Rahmen einer Handlung hinauszugreifen, um Spannung zu erzeugen, Charaktere und Handlungsweisen zu deuten und um klar zu machen, wie eine Handlung vom christl. Standpunkt aus zu bewerten sei. (Träume kommen z.B. vor im “Alexanderlied”, im “Rolandslied”, in der “Kaiserchronik”, in “Salman und Morolf”, im “Parcival” [Wolfram v. Eschenbach], im “Nibelungenlied” und im “Meier Helmbrecht”.) Als Quellen benutzten mittelalterliche Dichter – wie gelehrte Traumdeuter auch – verschiedene Traumbücher.

Der mittelalterliche Aberglaube kannte Mittel, um dämonische Trugbilder zu verhindern und die Wahrheit der Träume zu sichern; dazu gehörten Lorbeer, Diamant und Koralle, jeweils als Amulett am Kopf des Schläfers getragen.

(s. Alp, Mantik)

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