Wetter

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Wetter (mhd. weter, ahd. wetar; eigentlich = Wehen, Wind, Luft; lat. tempestas). Vom Wetter war die mittelalterliche Gesellschaft in ungleich höherem Maße abhängig als die heutige. Zumal im FMA., als Bevorratung von Nahrungsmitteln und Tierfutter eher eine Ausnahme war, konnte das Überleben unmittelbar von der Witterung abhängen. Missernten infolge von Überschwemmung oder Dürre hatten stets Preissteigerungen und Hungersnöte sowie höhere Anfälligkeit gegen Seuchen im Gefolge. Blieb der Schnee im Frühjahr zu lange liegen oder geriet der Sommer zu nass und kühl, hungerten Mensch und Vieh. Insgesamt scheint es in Mitteleuropa im Mittelalter und in der frühen Neuzeit häufigere Extrem-Wetterlagen gegeben zu haben als während der letzten 200 Jahre. (Einige Beispiele: Am 30. Juni 1318 fiel in Köln Schnee, nach Straßburger Quellen blühten um die Jahreswende 1386/87 die Obstbäume. Baumblüte im Januar war auch für 1158 und 1187 vermerkt. 1483 musste man der unerträglichen Hitze wegen in der Göttinger Gegend den Roggen nachts binden. Der Winter 1077/78 brachte durchgehend strengen Frost vom 01.11. bis nach dem 01.04. Rebstöcke froren aus, der Rhein blieb über 4 Monate lang begehbar.)

Transport und Verkehr waren in hohem Maße wetterabhängig. Der Überlandverkehr war vom Zustand der unbefestigten Straßen abhängig, die sich bei anhaltendem Regen in grundlosen Morast verwandelten. Schwere Lasten wie Bauholz oder Steine beförderte man vorteilhaft auf winterlich gefrorenen Wegen, meist mit Schlitten oder Schleifen. Alpenpässe konnten nach plötzlichem Wetterumschwung unpassierbar werden, die Reisenden dadurch zur Umkehr gezwungen sein. Die Flussschifffahrt konnte durch Niedrig- oder Hochwasser, durch Stürme oder Flauten, durch Vereisung oder Eisgang behindert sein, gar zum Erliegen kommen. Auch überschwemmte oder morastige Treidelpfade hemmten das Vorwärtskommen der Frachtkähne.

In noch höherem Maße von Wind und Wetter abhängig war die Seefahrt. Für die Kauffahrtei waren Ankunftstermin und Geschäftserfolg von den Launen des Wetters abhängig. Im Mittelmeer wehen im Sommer regelmäßig die Etesienwinde aus Nord bis Nordwest, im Herbst der Schirokko aus Süd; derartig zuverlässige Windströmungen, die sich auch Jerusalempilger und Kreuzfahrer zunutze machten, fehlen in der Nord- und Ostsee.

Nicht zuletzt waren mittelalterliche Kraftmaschinen – Wasser- und Windräder – vom Wetter abhängig: kamen die ersten durch Wassermangel oder Vereisung zum Stillstand, so konnten die letzteren bei Flaute und bei Sturm nicht arbeiten.

Auch nach Abschluss der Christianisierung (11. Jh.) hielt sich in der Bevölkerung die heidnische Vorstellung von der Beeinflussung des Witterungsverlaufs durch magisch-dämonische Kräfte, die von Hexen, Zauberern und Wettermachern beschworen werden konnten. Kirchliche Autoritäten betonten dagegen, dass der Herrgott allein über das Naturgeschehen bestimme. In der alltäglichen Praxis suchte das Volk Zuflucht gegen Unwetter sowohl bei Segenssprüchen und Glockengeläut als auch bei Rufen, Rasseln und sonstigem Lärmen: “Denn Rufe, Lärm und Rasseln treiben die unteren Luftschichten nach oben. Die nach oben getriebene Luft aber stellt sich dem Unwetter und dem Blitz entgegen und versperrt ihm den Weg nach unten.” (Mathias Farinator, ein theologischer Schriftsteller aus Wien, 1482). Extreme Wetterlagen finden Erwähnung in mittelalterliche Annalen und Chroniken. Das erste systematisch geführte Wettertagebuch wird dem Engländer William Merle aus Driby (Lincolnshire) zugeschrieben; esbetrifft die Jahre von 1337 bis 1344.

(s. Dürre, Eisgang, Hagelschlag, Hochwasser, Kältezeiten, Klima, Lostage, Meteorologie, Missernten, Nebel, Reisezeiten, Stürme, Sturmfluten, Wetterregeln (s. Bauernregeln), Wetterheilige, Wetterzauber)

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