Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Auch in der Verwaltung des Frankenreiches zeigt sich die Verbindung der Gentilordnung mit den Elementen der römischen Sklavenhaltergesellschaft. Die Germanen kannten ursprünglich gar keine Beamten, sondern nur ehrenamtliche Beauftragte des Volkes, die zwar dem Sippenadel angehörten, die aber
dem Volke Rechenschaft schuldig waren.
Die Macht des Königs bestand vor allem in der Ausübung und Anwendung des
militärischen Kommandos, das im Königsbann seinen höchsten Ausdruck fand.
Die römische Verwaltung war das Instrument einer herrschenden Klasse zur
Unterdrückung der breiten Masse der Sklaven und Hörigen gewesen. Sie wurde
von einer großen Schicht gut ausgebildeter Berufsbeamten ausgeübt. Der fränkische
König übernahm nun als oberster Herrscher, ausgestattet mit dem Königsbann,
gegenüber allen Einwohnern des Frankenreiches, diesen Verwaltungsapparat
und beließ die alten Beamten, soweit sie nicht
geflohen waren, in ihrer
Stellung. Dabei beruhte
die Verwaltung des Frankenreiches in der vorfeudalen Periode auf ganz
anderen Voraussetzungen
als in der frühfeudalen.
Die Merowingerkönige
konnten noch auf einen
gewissen Stamm ausgebildeter Beamter römischer Herkunft und Bildung zurückgreifen. In
der Karolingerzeit dagegen fehlte eine Schicht
weltlicher Berufsbeamten, da die weltlichen
Feudalherren nicht die
nötigen Kenntnisse besaßen. An die Stelle der
weltlichen Beamten traten daher Vertreter der
Geistlichkeit.
Die Verwaltung, die
sich aus dieser Verbindung entwickelte, dürfen
wir nicht mit der modernen vergleichen; sie
war noch sehr wenig
durchorganisiert und
konnte keine besonderen
Aufgaben lösen.
Die Zentralverwaltung
des Reiches war zugleich
der Hof des Königs. Der König wechselte mit seinem Gefolge häufig seinen Wohnsitz. Es gab eine Reihe von
Orten, (die zum Aufenthalt ausersehen waren. Sie hießen Königspfalzen, zum Beispiel Ingelheim, Herstal, Worms. Kaiser Karl der Große machte Aachen zu seinem
Hauptaufenthaltsort. Die unmittelbare Gefolgschaft beim Hofe war ziemlich groß,
am zahlreichsten (las kriegerische Gefolge. Noch aus der germanischen Zeit stammten die sogenannten Hofämter, von denen es vier gab. Der höchste Beamte trug
den Namen Seneschall, das heißt Altknecht; ursprünglich war er mit der Versorgung (der königlichen Tafel beauftragt. Aus ihm entwickelte sich der Hausmeier,
der Majordomus, der wichtigste aller Beamten im Frankenreich. Für die Getränke
hatte der Mundschenk zu sorgen, und dem Kämmerer waren die königlichen
Finanzen, die Einnahmen aus der Steuer, den Zöllen und aus den königlichen
Gütern, anvertraut. Die Aufsicht über die Stallungen sowie über Wagen und Waffen
der königlichen Gefolgschaft führte der Marschalk, dem im Kriege oft besondere
Aufgaben übertragen wurden. Diese Hofämter begehrte der Adel wegen des mit
ihnen verbundenen Einflusses und Ansehens. Zur Unterstützung der Hofämter, die
bald nicht mehr mit einer eigentlichen Dienstleistung verbunden, sondern bloß
Ehrenämter waren, gab es eine Menge Diener, die auch den König und seine Familie zu versorgen hatten.
Ein anderer sehr einflussreicher Beamter war der Pfalzgraf, der Graf in der
königlichen Pfalz. Er war der ständige Beisitzer im Gericht des Königs. Er führte
diesen Namen, weil das Königsgericht nicht immer an einem Ort blieb, sondern,
genau wie der König, durch das Reich zog. Es tagte dann in den königlichen
Pfalzen. Diese Pfalzen dienten, ähnlich wie die Fronhöfe der Feudalherren, als
Mittelpunkte des Königsgutes, als Sammelstellen für die Naturalabgaben der Bauern
und als Stützpunkte seiner Macht. Da es für einen Pfalzgrafen bald unmöglich
wurde, an der gesamten königlichen Gerichtsbarkeit am Hofe teilzunehmen„ gab es
seit dem 9. Jahrhundert mehrere Pfalzgrafen aus den verschiedenen Teilen des
Reiches.
Eine Wichtige Einrichtung der Reichsverwaltung stellte die Hofkanzlei dar. In
ihr schrieb man die vom König erteilten besonderen Vorrechte (Privilegien) und
andere Urkunden ab. Alle Schriftstücke wurden lateinisch abgefasst. Bei den Karolingern stand an der Spitze der Kanzlei der Erzkanzler; er war immer ein Geistlicher. Wahrscheinlich sind in der Kanzlei auch die Aufzeichnungen aus den
Verhandlungen des Königsgerichts angefertigt worden, bis eine besondere
Gerichtsschreiberei eingerichtet wurde. In der Kanzlei zeichnete man auch die Ver-
fügungen des fränkischen Königs auf, die Capitularien (so genannt wegen ihrer
Kapiteleinteilung), die Anordnungen für Verwaltung, Recht und Wirtschaft enthielten.
Die Zentralverwaltung bestand aus verhältnismäßig wenig Männern; unter
den Karolingern arbeiteten in ihr vornehmlich Geistliche. Die Verwaltung des
Frankenreiches war zwar nicht besonders gut organisiert, aber sie bot doch die
Möglichkeit, eine gewisse Einheitlichkeit unter den verschiedenen Stämmen herzustellen. Den Grafschaften fiel dabei eine besonders wichtige Aufgabe zu.
Wie bereits erwähnt, hatte der Graf das Aufgebot der Franken im Kriegs-
falle aufzurufen und zu kommandieren. In den Grenzgebieten, den Marken, hatte
der Graf sogar das Recht, von sich aus das Aufgebot zusammenzurufen, denn die
Marken dienten der Sicherung gegen feindliche Einfälle und waren gleichzeitig
Aumarschgebiet für die Unternehmungen gegen die Nachbarvölker.
Als Beauftragter des Königs setzte sich der Graf nun auch in der Rechtsprechung langsam durch. ,In den Hundertschaften, die auf germanischem
Boden noch fortlebten und etwa mit den Markgenossenschaften identisch
waren, hatte früher der sog. Thungenus, ein Beauftragter der Hundertschaft,
allein _die Rechtspflege besorgt. Der Graf verdrängte ihn hier und nahm an
den Gerichtssitzungen aller Hundertschaften seiner Grafschaft teil. Eine Grafschaft umfasste etwa vier bis acht Hundertschaften. Damit war eine Zurücksetzung
der alten Gerichtsgemeinde verbunden, der Graf zog im Namen des Königs die Strafgelder beziehungsweise den Teil, der dem König zustand, ein. Im Anfang drängte der Graf als Organ des Königs den Einflusss der Volksgerichte der Freien zurück. Im Laufe des 7. und 8. Jahrhunderts wurde er immer mehr ein Organ des Adels, und damit beginnt eigentlich erst die Verbindung zwischen Königtum und den
breiten Massen der Bauern zu schwinden. Der König versuchte immer noch, durch Anwendung besonderer Mittel, diese Verbindung aufrechtzuerhalten. So schickte er von Zeit zu Zeit die Königsboten (missi regis), um die Grafen zu kontrollieren, denn er brauchte die Heeresdienste der Freien, um selbst über ein starkes Aufgebot verfügen zu können. Dieser Versuch gelang ihm jedoch nicht. Zwar konnte Karl der Große durchsetzen, dass die Grafen als königliche Beamte Von ihm ernannt wurden; es zeigte sich aber in den letzten Jahren seiner Regierung, dass auch einem starken Herrscher Grenzen gesetzt waren. Unter seinen Nachfolgern verstanden es die Grafen, das mit ihrer Stellung verbundene Lehen (Amtslehen) in ihren Familien erblich zu machen. Dadurch wurde der Amtscharakter des Grafen beseitigt, und so endete, vor allem im Westen, der Einfluss des Königs auf die lokale Verwaltung des Frankenreiches.
Besonders schwierig ließen sich Grafschaften bei den Stämmen im Osten des
Frankenreiches einrichten, denn dort wurde noch ein Stammesherzog gewählt.
Diese Stammesherzogtümer bildeten eine große Gefahr für die Einheit des Frankenreiches. Deshalb gingen die Karolinger seit der Mitte des 8. Jahrhunderts gegen
die Stammesherzogtümer vor und zerschlugen sie. Den Schlussstrich zog Karl der
Große, als er im Jahre 788 den Bayernherzog Tassilo absetzte.