Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Als die Franken in Gallien vom Land Besitz ergriffen, verfiel das Wirtschaftsleben der antiken Zeit bereits. Handel und Verkehr hatten ihre alte Bedeutung eingebüßt und gingen im 6. und 7. Jahrhundert immer mehr zurück. Die Städte verödeten und spielten nur noch eine Rolle als Sitze der kirchlichen Verwaltung
(Bischöfe). Der Geldumlauf und die Verwendung von Geld nahmen immer mehr
ab. Deshalb hatte nur noch die landwirtschaftliche Produktion Bedeutung; jede
Wirtschaft stellte aus eigenen Mitteln alles, was sie benötigte, selbst her. Die
Naturalwirtschaft herrschte nun auch in den ehemals römischen Gebieten vor.
Allerdings war der Großgrundbesitz in Gallien, den die Franken schon vorfanden,
für die zukünftige Produktionsweise von Bedeutung. Er bestand nicht aus einer
zusammenhängenden Landmasse wie in der Antike die Gutswirtschaften oder die
Latifundien, sondern oft gehörte dazu eine Menge kleiner selbständiger landwirtschaftlicher Betriebe. Auf diesen wirtschafteten Hörigen und Sklaven, die auch
von den Franken dort belassen wurden.
Der Adel und die Kirche als die größten Grundbesitzer neben dem König standen
vor der Aufgabe, die Bewirtschaftung ihres über weite Gebiete verstreut liegenden
Grundbesitzes zu organisieren und eine Form zu finden, die die Lieferung von
Produkten durch die abhängigen Hörigen oder abhängig gewordenen Bauern
sicherte. Da der Markt fehlte, auf dem früher die antiken Großgrundbesitzer
ihre Überschüsse verwertet hatten, um. aus dem Erlös Beamte und Truppen zu
unterhalten, mußte man jetzt die landwirtschaftlichen Produkte an Ort und Stelle
verbrauchen. Gefolgsleute und Krieger großer Grundbesitzer erhielten also die
Nutzung der aus bestimmten landwirtschaftlichen Betrieben anfallenden Abgaben
übertragen. Das System, das dazu entwickelt wurde, nennt man Fronhofverfassung
(mhd. vron – herrschaftlich). Der lateinische Ausdruck für den Fronhof lautet
villa (ursprünglich soviel wie Landgut). Der Verwalter eines solchen Landgutes war der Villicus. Man spricht deshalb auch von Villen- oder Villikationsverfassung. Der Feudalherr errichtete in einem Gebiet einen oder mehrere Höfe als Stützpunkte. Er nahm dazu auch oft den Hof eines Bauern, der sich in Abhängigkeit begeben hatte. Der normale Umfang des zu einem Bauernhof gehörenden Landes, der sogenannten Hufe, betrug 30 bis 40 Morgen. Das Land des Fronhofes, das Salland, umfasste etwa vier bis sieben Hufen.
Auf dem Fronhof wirtschaftete im Auftrage des Feudalherrn der Villicus oder
Meier. Das Salland bebauten unfreie Knechte und Mägde (Leibeigene), die
ständig am Fronhof wohnten, außerdem vom Feudalherrn abhängige, ihm hörige
Bauern. Diese Bauern hatten sich bei ihrem Eintritt in die Grundherrschaft verpflichten müssen, eine bestimmte Zeit in der Woche auf dem Fronhofe zu arbeiten.
Das Salland war überhaupt nur mit der Arbeitskraft der Bauern zu bestellen, die
Knechte und Mägde reichten dazu nicht aus. Außerdem mussten die Bauern die
ihnen auferlegten Abgaben zum Fronhof bringen. Der Fronhof war also innerhalb
einer ganz und gar dezentralisierten Naturalwirtschaft der Stützpunkt des Feudalherrn, an welchem er die für sich und seine Leute erforderlichen Lebensmittel und
andere Produkte einsammeln ließ. Dieses System sicherte bei festgelegten Abgaben dem hörigen Bauern einen bestimmten Teil des Arbeitsertrages. Da es
noch keine Möglichkeit gab, die von den Bauern gelieferten Produkte auf einem
Markt abzusetzen, entfiel vorläufig auch der Anreiz, sich durch Anwendung noch
stärkerer Zwangsmittel von den Bauern zusätzlich Produkte zu beschaffen. Es kommt
noch hinzu, dass der hörige Bauer Produktionsinstrumente besaß. Pferde, Vieh
und Ackergeräte, wie Pflug, Egge, Hacke und Spaten, gehörten ihm. Die Frondienste
hinderten jedoch die Bauern an der Bestellung des ihnen zur Verfügung stehenden
Bodens. Die Dauer der Dienste, die der Bauer auf dem Salland leisten musste, ist
nicht genau bekannt, war auch nicht überall die gleiche. Im Durchschnitt wurden
drei Tage in der Woche gefordert. Es kam vor, dass Bauern, die sehr weit von der
Villa entfernt wohnten, keine Dienste, dafür aber mehr Abgaben leisten mussten.
Die Feudalherren durften zwar die Bauern nicht töten, aber es stand ihnen das
Züchtigungsrecht zu. Oft tauschten sie untereinander Hörige zusammen mit deren
Land aus.
Verhältnismäßig selten verfügte ein Feudalherr über sämtliche Bauern eines
ganzen Dorfes. Meistens befanden sich in einem Dorfe zwei oder mehrere Fronhöfe
verschiedener Feudalherren; es kam auch vor, dass ein freier Bauer von verschiedenen Feudalherren zugleich Land zur Pacht hatte.
Die Verfassung der Markgenossenschaft konnte sich auch unter den neuen feudalen Verhältnissen weitererhalten; jedoch waren jetzt nicht mehr alle Markgenossen freie Bauern. Die Wirtschaftsweise änderte sich zwar nicht wesentlich
durch den Eintritt in eine Grundherrschaft, aber nun gehörte nicht mehr der gesamte
Ertrag seiner Arbeit dem Bauern selbst, und er konnte nicht mehr frei über
seine Arbeitszeit verfügen. In vielen Fällen gelang es dem Feudalherrn, einen
großen Einfluss auf die Gestaltung der Dorfwirtschaftsordnung auszuüben,
indem er die Beratungen der Markgenossen über den Zeitpunkt von Saat und
Ernte, über die Nutzung der Allmende zur Viehweide, über die Rodung von
Wald usw. leitete.
Nach der Ansiedlung gelangte man zu fortgeschritteneren Formen des Ackerbaus; Ganz allmählich entwickelte sich die Zweifelderwirtschaft zur Dreifelderwirtschaft. Dadurch konnte man in jedem Jahr zwei Drittel der gesamten Ackerfläche bestellen und abernten. Der Übergang zur Dreifelderwirtschaft, der sich über mehrere Jahrhunderte hinzog, bedeutete eine Weiterentwicklung der Produktivkräfte. Das Drittel, das jedes brachlag, wurde zur gemeinsamen Mark gerechnet und diente allen
zur Viehweide. Nachdem
bei der Niederlassung
schon der Hof des Bauern
sein Privateigentum geworden war, kam nun
auch noch ein Teil des
Ackers hinzu. Der Anteil,
den jeder Bauer in jedem
Gewann hatte, ging allmählich in Privateigentum über, die Genossenschaft verzichtete auf
die von Zeit zu Zeit neu
durchzuführende Verteilung.
Den Fronhof oder eine Mehrzahl von Fronhöfen
zusammen mit dem Salland und dem Land
zinspflichtiger Bauern
nennt man die Grundherrschaft. Der Grundherr verfügte nicht nur
über den Grund und Boden, sondern nahm auch gleichzeitig gegenüber den Bauern eine Reihe von
Funktionen des feudalen Staates wahr.
Über die Ausdehnung solcher Grundherrschaften unterrichten uns die Aufzeichnungen der geistlichen Grundherren. Dagegen sind von weltlichen Feudalherren solche Aufzeichnungen nicht angefertigt worden, da in jener Zeit nur der
Kirche schreibkundige Kräfte zur Verfügung standen. Diese Aufzeichnungen erschwerten eine willkürliche Verschlechterung der Lage der Bauern durch den
geistlichen Grundherrn. Bei den weltlichen Grundherren beruhte das Abhängigkeitsverhältnis nur auf mündlicher Vereinbarung. Das gab dem Feudalherrn viel
eher die Möglichkeit, den Rechtsstand der von ihm abhängigen Bauern in seinem
Interesse zu verschlechtern. Die Aufzeichnungen der geistlichen Grundherren
nennt man Urbare, das heißt Grundbuch, Verzeichnis der vom urbaren Land zu erwartenden Einkünfte. Eine sehr große Herrschaft im Frankenreich war zum Beispiel das Kloster St. Germain des Prés bei Paris (etwa 3000 Hufen). Die Abtei Prüm
in der Eifel hatte im Jahre 354 in 118 Orten Besitzungen, die von zwölf Fronhöfen
aus bearbeitet wurden. Ihr standen unter anderem zu: das Nutzungsrecht im Gemeindewald der betreffenden Dörfer für 6500 Schweine, Weiter 35 Mühlen und
7 Brauhäuser. Im Jahre 390 meldete das Klosterverzeichnis von Werden an der
Ruhr 22 Fronhöfe. Dazu kamen die Abgaben und Dienste von 200 Hufen und
von 420 sonstigen Grundstücken in Nordwestdeutschland. Eine Quelle aus dem
Jahre 316 schätzt den Umfang eines großen Stiftes auf 3000 bis 4000 Hufen, ein
mittleres auf 1000 bis 2000 Hufen, ein kleines auf 200 bis 300.
Die gesamte Wirtschaft des Frankenreiches beruhte darauf, dass die Feudalherren, die als Berufskrieger selbst nicht arbeiteten, von den Bauern einen Teil der Produkte forderten, vor allem Getreide, sowie die Beschaffung der zur Ausrüstung notwendigen Waffen und Geräte. Sie ließen von ihnen außerdem noch auf ihren
Fronhöfen Dienste verrichten. Die Sicherung dieser Ausbeutung erfolgte durch die
militärische Gewalt des Feudalherrn, die es ihm ermöglichte, jeden Widerstand der
Bauern niederzuschlagen. Auch hatte er die Handhabung der Gerichtsgewalt inne
und konnte selbst oder durch andere Feudalherren die Gesetze nach seinem Ermessen anwenden und auslegen.