Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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In Westeuropa gab es im 12. und 13. Jahrhundert viele Städte, aber dort lebte nur ein Zehntel der Bevölkerung. Europa war vorwiegend ein Agrarland geblieben: die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung bestand aus hörigen und leibeigenen Bauern.
Die Bauern
Das Leben der hörigen und leibeigenen Bauern im Mittelalter war zwar leichter als das Leben der Sklaven im Altertum, aber es war doch sehr hart. Der Bauer hatte schwere Frondienste zu leisten, er arbeitete auf dem Feld der Feudalherren unter der Aufsicht eines herrschaftlichen Verwalters, der mit einem Stock bewaffnet war. Bei schlechter Arbeite machte er von seinem Stock reichlichen Gebrauch.
Der Feudalherr hatte zwar nicht das Recht, den Bauern zu töten, aber er konnte ihn kaufen und verkaufen, ins Gefängnis bringen und in Ketten schmieden. Wenn die Feudalherren auf die Jagd gingen, war es ihnen gleichgültig, ob die Felder der Bauern zertrampelt wurden oder nicht. Die Bauern durften das Wild nicht töten, das ihre Saaten verwüsteten, denn es gehörte dem Herrn. Die groben, ungestümen und oft betrunkenen Feudalherren konnten den Bauern jederzeit schlagen, beleidigen oder auf andere Weise erniedrigen, Stets brauchten sie Geld für ihre Kriegszüge oder um es bei Gelagen und für kostbare Luxusgegenstände zu verschwenden; deshalb legten sie den Bauern immer neue Verpflichtungen auf.
Die Bauern lebten in völliger Armut in kleinen Hütten ohne Rauchfang zusammen mit ihrem Vieh. Hungersnöte waren eine gewöhnliche Erscheinung, und ansteckende Krankheiten nahmen in den Dörfern des Mittelalters nie ein Ende.
Der hörige Bauer konnte nirgends Recht gegen sein Herrn finden. Aber eine gewisse Grenze war der Habgier und der Gewalt des Feudalismus doch gesetzt. Alle Bauern eines Dorfes bildeten eine Gemeinde, die auch unter der Herrschaft des Feudalismus erhalten blieb. Auf der Gemeindeversammlung besprachen die Bauern ihre gemeinsamen Angelegenheiten, die Aufteilung der Wiesen, die Benutzung des Weidelandes und des Waldes und die Schlichtung der Grenzstreitigkeiten. Wenn die Feudalherren die Bauern übermäßig unterdrückten, mussten sie mit Ungehorsam oder Verweigerung der Erfüllung der Verpflichtungen und sogar mit bewaffnetem Widerstand rechnen. Der Feudalherr hatte es also nicht mit vereinzelten wehrlosen Bauern, sondern mit einer zusammengeschlossen, an gemeinsamem Vorgehen gewohnten Gemeinde zu tun.
Als Waffen hatten die Bauern Bogen und Pfeile, und auch Äxte und Sensen wurden zum Kampf benutzt. Manch stolzer Lehnsherr musste eine Erpressungen und Grausamkeiten mit dem Leben bezahlen. Die Kühnsten und Widerspenstigsten der Bauern flohen in die Wälder und schlossen sich zu Haufen zusammen, deren Feudalherr nicht habhaft werden konnte. Diese Haufen waren ein Schrecken für die Grundbesitzer und die reichen Kaufleute. Das Volk aber liebte die „Waldschützen“ und pries sie in Liedern und Legenden. Es kam häufig zu Bauernaufständen, die ganze Gebiete umfassten. Die Feudalherren hassten und verachteten die Bauern, gleichzeitig fürchteten sie sie aber auch.
Die Ritter und der Adel
Hasserfüllt blickten die Bauern auf die Burg, die sich über ihrem Dorf erhob, auf das Nest des feudalen Räubers. Meistens standen die Burgen auf einem Hügel oder auf einem steilen Felsen. In der Ebene wurde ein künstlicher Hügel aufgeschüttete oder die Burg auf einer Insel in einem Fluss oder einem See errichtet. Hohe Mauern mit Türmen und Schießscharten schützen sie. Man konnte sie nur durch ein einziges schmales Tor betreten, zu dem eine Zugbrücke führte. Innerhalb des ersten Burghofes las ein zweiter, der wieder von einer Mauer umgeben war. In diesem zweiten Hof lagen das Haus der Feudalherren und der hohe Wachturm. Unter dem Haus und dem Turm befanden sich Keller, in denen Nahrungsmittelvorräte für den fall einer langen Belagerung aufbewahrt wurden. Dort waren auch die Kerker, in denen die in Ketten geschmiedeten Häftlinge gefangen gehalten wurden, ohne jemals einen Lichtstrahl zu sehen. Solch eine Burg war für Angreifer nahezu uneinnehmbar. Hier verbarg sich der Feudalherr vor seinen Feinden, und von hier aus führte er auch seine plötzlichen Raubüberfälle auf seinen Nachbarn durch.
Der Krieg war die Hauptbeschäftigung der Feudalherren. Jede friedliche Arbeit verachteten sie. Sie dünkten sich unendlich höher stehend als Kaufleute, Handwerker und Bauern.
Die Söhne der Feudalherren wurden von Kindheit an zum Ritterdienst erzogen. Schon mit fünfzehn Jahren konnten sie reiten, mit Bogen schießen und mit Waffe umgehen. Dann wurden sie an den Hof eines angesehenen Lehnsherrn geschickt, wo sie als Pagen oder Waffenträger dienten. Sie wurden hier weiter im Kriegshandwerk ausgebildet und begleiteten den Lehnsherrn auf seinen Kriegszügen. Mit 18 oder 20 Jahren galt die Ausbildung als abgeschlossen, und in einer feierlichen Zeremonie wurde der junge Feudalherr zum Ritter geschlagen. Vor allen Gästen, die erschienen waren, legte der Lehnsherr dem jungen Ritter die Sporen an, händigte ihm ein Schwert aus und schlug ihm mit der Hand oder dem flachen Schwert auf die Schulter. Damit war der junge Mann in den Ritterstand aufgenommen. Die Kenntnis der Lesens und Schreibens hielten die Ritter nicht für erforderlich, die Mehrzahl von ihnen war völlig ungebildet.
Die Bewaffnung des Ritters bestand aus einem geraden Schwert mit kreuzförmigem Griff, einem langen, schweren Speer und einem Schild. Der ganze Körper des Ritters war mit einem Kettenpanzer bekleidet. Später wurde dieses Kettenhemd durch einen Stahlharnisch ersetzt. Auf dem Kopf trug er einen Helm mit einem herablassbaren Visier, das das Gesicht bedeckte. Die Ritter kämpften auf großen und starken Pferden, die ebenfalls mit einem Eisenharnisch geschützt waren. Die schwere Reiterei der Ritter war eine gefürchtete Macht. Man sagte, dass hundert Ritter ebensoviel wert seien wie tausend Fußsoldaten. Aber diese Reiterei war langsam und schwerfällig, und darin bestand der Hauptmangel im Vergleich zu der schnellen leichten Reiterei der östlichen Völker. Zum Kampf stellten sich die Ritter meistens in einer keilförmigen Ordnung, einem „Keiler“ auf.
Die eisengeharnischten Ritter waren schwer zu töten oder auch nur zu verwunden. Daher war selbst in großen Schlachten die Zahl der gefallenen Ritter gering. Übrigens waren die Ritter nicht so sehr bemüht, ihre Gegner zu töten, als vielmehr sie gefangen zu nehmen, um dann ein Lösegeld für sie zu verlangen.
Beliebte Unterhaltungen der Ritter waren die Jagt und die Turnier, kriegerische Wettkämpfe. Zu den Turnieren, die an den Höfen der Könige und der großen Lehnsherren stattfanden, kamen die Ritter von weither zusammen. Auch viele Zuschauer fanden sich ein. Es wurde mit stumpfen Speeren und Schwertern gekämpft. Zweikämpfe wechselten mit Kämpfen ganzer Gruppen. Nicht selten endeten die Turniere mit Verletzungen oder sogar mit Todesfällen.
Am Schluss des Turniers fanden die Gelage statt, und die Sieger erhielten Preise. Seit dem 11. Jahrhundert entstanden große epische Werke, in denen die Heldentaten der Ritten besungen wurden, Das bedeutendste Epos des Mittelalters ist das „Rolandlied“, das in französischer Sprache verfasst ist. Das Werk behandelt den Feldzug Karls des Großen nach Spanien gegen die Moslems. Bei der Rückkehr in die Heimat übergab Karl seinem Neffen Roland, der wegen seiner Tapferkeit berühmt war, die Führung der Nachhut. Karl schenkte ihm ein Schwert und ein Horn, in das er blasen sollte, wenn ihn der Feind überfiele. Aber im Heer Karls war ein Krieger Ganelon, ein über Verräter. Er überredete die Feinde, Roland und seine Abteilung zu vernichten. Eine große feindliche Übermacht überfiel Roland, aber der tapfere Held, der die Feinde verachtete, verschmähte es, das Horn zu benutzen und Karl zu Hilfe zu rufen. Er und seine Krieger kämpften mutig. Trotzdem wurde seine Abteilung zerschlagen und er selbst tödlich verwundet. Erst im letzten Augenblick stieß er in sein Horn, legte sich das Schwert, Karls Geschenk, unter das Haupt und starb mit dem Gesicht zu den Feinden. Karl hörte Rolands Horn, kehrte mit seinem Herr um und rächte sich an den Feinden, indem er ihr großes Heer vernichtete. Das Rolandslied schließt mit der Aufdeckung des Verrats und der Bestrafung des Verräters Ganelon.
Diesem Epos liegt zwar ein historischer Stoff zugrunde, aber in Wirklichkeit hatte Roland nicht gegen die Araber, sondern gegen die Basken gekämpft. Mit der Gestalt Rolands wurde das Idealbild des Ritters geschaffen.
Das Bürgertum und die Städter
Die mittelalterlichen Städte hatten mit den heutigen keine Ähnlichkeit. Sie sahen eher wie eine Festung aus, denn sie musste sich oft gegen feindliche Angriffe verteidigen und waren deshalb von dicken Mauern mit Zinnen, Schießscharten und Wachttürmen umgeben. Die Stadttore, zu denen man nur über Zugbrücke gelangen konnte, wurden stets bewacht. Die Stadt war gewöhnlich nicht groß. In einer mittleren westeuropäischen Stadt lebten etwa 5.000 Menschen. Eine Stadt mit 20.000 Einwohnern galt bereits als sehr groß. Die Mauern hinderten die Städte daran, sich zu vergrößern. Die Städter mussten deshalb eng zusammenwohnen. Die Gassen waren schmal und krumm, die Häuser hoch. Um mehr Platz zu gewinnen, wurden an die oberen Stockwerke über die Gassen hinausragende Galerien und Balkone angebaut. In den Gassen war es deshalb dunkle. Die Häuser waren aus Holz gebaut und mit Stroh, seltener mit Dachziegeln gedeckt. Daher kam es oft zu Feuerbrünsten. Die Straßen waren ungepflastert und furchtbar staubig und schmutzig. Die Stadttore wurden bei Nacht fest verschlossen, und die Wache ließ niemanden hinein. Außerdem wurden die Gassen innerhalb der Stadt nachts mit Ketten abgesperrt. Die Gassen waren völlig unbeleuchtet, und die Menschen fürchteten sich, ihre Häuser nach Eintritt der Dunkelheit zu verlassen. Die Städter hielten sich Kühe, Ziegen, Schweine und Gänse. Am Morgen wurde das Vieh durch die Stadttore auf die Weiden getrieben und abends wieder in die Städte gebracht. Die Sterblichkeit war in den Städten auch größer als auf dem Lande, denn ständig herrschten ansteckende Krankheiten, Die Stadtbevölkerung wuchs nur deshalb, weil Landbewohner in die Stadt übersiedelten, um den Bedrückungen durch ihre Grundherren zu entfliehen.
Im Mittelpunkt der Stadt lag der Marktplatz, der von Läden, Lauben und Budenreihen umgeben war. Zum städtischen Markt kamen aus den umliegenden Dörfern Bauern mit Brot, Leder, Wolle und Geflügel. Die Bauern oder die Diener der Grundherren verkauften die eingeführten Waren und erwarben bei den städtischen Kaufleuten und Handwerkern alles, was im Dorf nicht zu haben war: Tuche, Messer, Waffen, Pferdegeschirr, Mühlsteine und Eisenwaren. Auf dem Marktplatz fanden auch die allgemeinen Versammlungen der Stadtbevölkerung statt. Hier wurden gerichtliche Untersuchungen durchgeführt und Hinrichtungen vollzogen.
Vom Markt aus gingen die kleinen Straßen, in denen die Handwerker wohnten. Meistens wohnten und arbeiteten die Handwerker desselben Gewerbes in der gleichen Straße. Es gab eine Gasse der Gerber, eine der Kupferschmiede, der Böttcher, der Juweliere. Die prächtigsten Häuser gehörten den Kaufleuten. Auf dem Markplatz stand das Rathaus, über die zusammengedrängten kleinen Häuser ragte die Kirche empor.
Die Stadtbewohner waren bedeutend gebildeter als die Feudalherren. Die Kaufleute mussten oft weite Reisen machen; sie mussten Buch über ihre Waren und Einnahmen führen, mussten also nicht nur schriftkundig sein, sondern auch wissen, was weit außerhalb der Stadt geschah und wo man günstig einkaufen und verkaufen konnte. In den Städten lebten Ärzte, ferner Baumeister, die große und komplizierte Bauten zu errichten verstanden. Schriftkundig und gesetzeskundig mussten die Richter, Notare und städtischen Beamte sein.
Die Bürger mussten gegen die Feudalherren einen langen blutigen Kampf um ihre Selbstverwaltung führen. Sie hassten die Ritter nicht nur wegen ihrer Gewalttätigkeiten und ihrer Unterdrückungsmethoden, sondern sie verachteten sie auch als rohe und ungebildete Menschen. Bei jeder Gelegenheit wurden die hochmutigen und dummen Ritter verspottet. Auch gegen die Geistlichen und Mönche, die das „heilige Leben“ predigten, selbst aber nur an Essen, Wein und Einkünfte dachten, richtige sich beständig der Spott der Städter. Besonders beliebt waren Tierfabeln, in denen der Wolf den Ritter, der Eser den Pfaffen und der schlaue Fuchs den Bürger darstellten. Natürlich triumphierte der Fuchs in den verschiedenen komischen und unterhaltsamen Abenteuern immer über alle anderen Tiere. So entstand ein ganzes Epos, der „Roman vom Fuchs“.
In den Städten wurden Theateraufführungen veranstaltet. Der Stoff wurde gewöhnlich christlichen Legenden entnommen. Auch komische Stücke, „Possen“, wurden aufgeführt, in denen die Einfaltspinsel verspottet und Verstand und Findigkeit gepriesen wurden.