Aberglaube

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Lexikon des Mittealters Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen
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Aberglaube (spmhd. abergloube [“aber” i.S.v. “verkehrt”, “wider” wie in aberlist = Unklugheit oder abergunst = Missgunst]; auch: Afterglaube, Missglaube, ungloube, mndd. biglove, overglov; mlat. superstitio = Wahnglaube). Die Bereitschaft zum Aberglauben ist allgemeinmenschlich und in dem Streben begründet, mit okkulten, empirisch nicht nachweisbaren Mitteln eigenen Wunschvorstellungen zum Ziele zu helfen und diffuse Ängste an konkreten Symbolen und Figuren festzumachen und abzuleiten. Nach dem Verständnis der Kirche liegt Aberglaube dann vor, wenn die angewandten Praktiken und Hilfsmittel jenseits der christl. Glaubensgrenzen angesiedelt, nach ihrem Verständnis “illegitim” waren. (Ein Zauberamulett war leerer Wahn, eine Reliquie hatte durch Lehre gesicherte Wirkkraft.) Nach Wilhelm Hehlmann (Wörterbuch der Psychologie, 1974) ist das Wesentliche am Aberglauben, dass er “den in einer Gesellschaft herrschenden religiösen oder ideologischen Vorstellungen nicht entspricht”. Dies trifft fürs Mittelalter jedoch nur unter der Einschränkung zu, dass besagte “Vorstellungen” zwar denjenigen der christl. Lehre entsprechen sollten, dass in der Laiengesellschaft jedoch – und auch in großen Teilen des Klerus – rechter Glaube und Wahnglaube sich ständig vermengten. Nach A. Hellwig ist “Aberglaube als derjenige Teil des Volksglaubens zu bezeichnen, welchen die herrschende wissenschaftliche Richtung unserer Zeit für irrig erachtet.”

Im Aberglauben des Frühmittelalter mischten sich germanische, griechisch-römische und christliche Anschauungen; aus den Gestalten alter Mythen wurden Geister, Dämonen und Teufel, und manches Paralogische am christl. Glauben zog einen abergläubischen Wildwuchs der Religion (observantia vana) nach sich. Magie und Mantik (Wahrsagerei) wurden unverhohlen praktiziert und fanden derartigen Zuspruch, dass die Kirche sich zur Stellungnahme gezwungen sah: All das sei reine Einbildung, Illusion, und wer daran glaubte, frevelte an der christl. Lehre und wurde mit Kirchenbußen belegt. Später änderte sich die Ansicht dahin, dass man superstitiöse Erscheinungen zu real existentem Dämonenwerk erklärte; nunmehr war es strafbar, nicht an ihre Existenz zu glauben. Zusätzliche Legitimation erhielt der Aberglaube durch die anerkannten Wissenschaften der Alchemie und Astrologie, die – nach heutigem Verständnis – größerenteils selbst nur wissenschaftlich verbrämter Aberglaube waren. Die “wissenschaftliche” Ausdeutung von Himmelszeichen wie Kometen oder Planetenkonstellationen, der “wissenschaftliche” Humbug betrügerischer Alchimisten bestärkten den Aberglauben der Zeit. Die im Mittelalter kursierenden Zauberbücher zur magia naturalis und magia daemonica waren ausschließlich den Gebildeten der Zeit zugänglich. Schriftliche Zeugnisse volkstümlicher Zauberpraktiken existieren nicht.

(s. Amulett, Analogiezauber, apotropäische Bauplastik, Bauopfer, Berufen, Besprechen von Krankheiten, Böser Blick, Dämonen, Festmachen, Flug, Glaube, Hexe, Iatromechanik, Kröte, Krötenstein, Mantik, Namenmagie, Namenmantik, Notfeuer, Ponderation, Sakramentenzauber, Rachepuppe, superstitio, Sympathiezauber (s. Analogiezauber), Tagwählerei, Vermessen, Vernageln, Volksglauben, Volksmedizin, Bildzauber, Wechselbalg, Werwolf, Wünschelrute, Zauberei)

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