Abtreibung

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Abtreibung (lat. abortus arteficialis). Die christliche Lehre lehnte, jüdischer Tradition folgend, jede Abtreibung radikal ab. Abtreibung galt als Mord (s. Bußbuch), wobei jedoch zeitweilig diskutiert wurde, von welchem Schwangerschaftszeitpunkt an. Nach der aristotelischen Naturlehre galten männliche Feten vom 40. Tag an, weibliche dagegen erst vom 80. Tag an als beseelt, und so befanden manche Scholastiker, dass erst von da an Mord vorliegen könne. (Hatte doch der Fetus vor der “infusio animae” erst eine pflanzliche, dann eine tierische Seele.) De facto lief diese Bewertung, da keine Geschlechtsdifferenzierung möglich war, auf eine Fristenlösung von 80 Tagen hinaus, und so waren die Kirchenstrafen für die Abtreibung eines foetus inanimatus geringer als jene für die Abtreibung eine foetus animatus. Die weltliche Gerichtsbarkeit des Mittelalter ließ die Abtreibung straffrei: zu unsicher war die Altersbestimmung eines Feten und somit die Beurteilung des Grades seiner Beseelung, zu wenig wusste man einen Spontanabort von einer künstlich herbeigeführten Fehlgeburt zu unterscheiden.

Begründet waren Abtreibungen zumeist durch soziale Zwänge: unverheiratete Frauen verfielen durch eine Geburt der Schande; Prostituierte konnten sich Kinder nicht leisten, bedeutete Schwangerschaft doch zeitweiligen Verdienstausfall; arme Frauen (pauperculae) waren nicht in der Lage, Kinder zu ernähren; adelige Herren wollten von ihren Konkubinen keine Nachkommen, die Anspruch auf Unterhalt oder Erbe erheben konnten. Daneben gab es medizinische Indikationen wie geburtsuntaugliches Becken oder schwangerschaftsbedingte Blasenprobleme.

Abtreibungen wurden vorgenommen von Kräuterweibern, Hebammen und Quacksalbern. Pflanzliche Abortiva (z.B. Mutterkorn, Efeu, Gartenraute, Haselwurz, Petersilie, Rainfarn, Sadebaum, Salbei, Wermut, Malve) wurden oral, vaginal oder äußerlich verabreicht. Die Anwendung von Emmanagoga (menstruationsauslösenden Mitteln) war geläufig; es ist jedoch nicht sicher, ob sie zu therapeutischen Zwecken oder in der Absicht, Abort auszulösen, angewandt wurden. (Der Menstruations-Blutfluss wurde als Ausscheidung schädlicher Säfte betrachtet; sein Ausbleiben war demnach behandlungswürdig. Rezeptbeispiel (St. Gallener Hs., 9. Jh.): “Koche Sade, eine Selleriewurzel, Fenchel, Liebstöckel und Petersilie in Wein und gib es zu trinken. Dazu lege Rainfarn, Fieberkraut und Beifuß in Butter auf den Nabel”.) Außer mit Medikamenten suchte man den Fetus abzutreiben durch heiße Sitzbäder, Aderlass, Klistiere, exzessive Bewegung, Heben schwerer Lasten, Massagen, Fasten- und Abführkuren sowie durch mechanische Eingriffe. Letztere hatten oft verheerende Schäden, wenn nicht den Tod der Frau zur Folge. Neben Abtreibungsmitteln, die auf überkommenem Wissen um pflanzliche Kräfte beruhten, gab es viele Rezepturen, die auf dem Glauben an magische Kräfte beruhten.

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