Ameise

Cinque Terre Forest
Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Ameise (mhd. ameize = eigtl “das Abgeschnittene”, nach dem scharfen Einschnitt zwischen Vorder- und Hinterleib; lat. formica). Familie staatenbildender und nesterbauender Insekten mit vielen Unterfamilien; weltweit beheimatete Allesfresser, die in ihren hochorganisierten Bauten Brutpflege und Vorratshaltung betreiben und in Symbiose mit Blattläusen leben, von denen sie Honigtau – ein zuckerreiches Sekret – ermelken.

Der Physiologus beruft sich auf Sprüche Salomonis (6,6-8), wo steht: “Gehe zur Ameise hin, Fauler! Und siehe ihre Wege an und lerne Weisheit. … schafft sie sich doch im Sommer ihre Speise und sammelt in der Ernte ihre Nahrung ein.” Damit meint er, dass der Rechtgläubige die Worte der Glaubenswahrheit sammeln und bewahren solle, wie die Ameise die Weizenkörner.

Hildegard von Bingen führt aus: “Die Ameise ist warm und wächst aus jenem Saft hervor, der Wohlgerüche hervorbringt. Wie die Vögel produziert auch sie mit ihren Fortpflanzungsorganen Eier.” Gegen zu viel Schleim im Kopf und in der Brust helfe die Inhalation von Dampf von kochendem Ameisenhaufen samt den Insekten. Eine Rezeptur von Ameiseneiern empfiehlt sie gegen Hautkrankheiten (“orfimas”) und ein polypragmatisches Rezept auf der Grundlage von feuchter Erde vom Grund eines Ameisenhaufens gegen “Lepra gleich welcher Art.”

Auch Albertus Magnus stellt in seiner moraltheologischen Schrift “De natura boni” die Ameise als Vorbild praktischer Lebensweisheit dar. Obwohl eines der geringsten der Lebewesen, sei sie durch ihren zielgerichteten, beharrlichen Fleiß “weiser als die Weisen”. Albert meint, dass die Ameise zwar kein Lenkungsprinzip, wohl aber Vorstellungsvermögen (imaginatio, phantasia), Gemeinsinn (sensus communis) und Urteilskraft (aestimatio) besitze, aufgrund deren sie sich um das Gemeinwohl ihres Staates bemühe, kunstvolle Nester baue und Nahrungsvorräte anlege. In einer ausführlichen zoologischen Beschreibung in “De animalibus” handelt er – wohl aufgrund eigener Beobachtungen – u.a. vom Körperbau der Ameise, von deren Nest und Staatsform, von ihrer Ernährung und von ihrer Technik, sich durch Verspritzen einer “scharfen und brennenden Flüssigkeit” zu wehren. (Auf Thomas von Chantimpre fußend erwähnt Albert die angeblichen hundegroßen Riesenameisen Indiens, die Goldschätze bewachten und Menschen zerrissen.)

“Ameisler” waren auf das Sammeln von Ameisenpuppen spezialisierte Waldarbeiter, die ihre Ernte trockneten und an Freunde von Stubenvögeln als Futter für ihre Lieblinge verkauften.

Im Aberglauben haben Ameisen eine Bedeutung als Wetterorakel und Heilmittel. So steht z.B. ein milder Winter bevor, wenn sich die Ameisen im Herbst oben im Bau aufhalten und umgekehrt. Fliegende Ameisen in der Zeit um Laurenzi (10. August) verheißen Unwetter. Tragen die Ameisen ihre Puppen (“Eier”) an die Oberfläche des Baues, so folgt schönes Wetter. – Als Medizin verwendete man Ameiseneier gegen schlechtes Gehör, Kopfgrind und Augenleiden. Der aus toten Ameisen gepresste Saft galt in der Volksmedizin als Heilmittel gegen Triefaugen und Schwindel. Eine Essenz aus lebend gebrühten Ameisen sollte gegen Gicht und rheumatische Beschwerden helfen.

(s. Ameisennaht)

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