Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Apotheke (mhd. apoteke; v. grch. apotheke = Abstellraum, Aufbewahrungsort, Niederlage, Magazin, Lagerhaus [apotheka vinorum = Weinlager, a. librorum = Bibliothek]; mlat. officina = Vorrats-, Arbeits- und Verkaufsraum; volkssprachlich kreme, schirn, gaden, schragen, cremyn). Bis zum 13. Jh. wurden als Apotheke Speicher und Lager jeder Art bezeichnet, erst danach stand das Wort – im deutschsprachigen Raum – für Arzneiwarenlager und Arzneiwarenhandlung (apotheka medicamentorum).
Die mittelalterliche Apothekenkultur begann in den Klöstern. Dort wurden neben dem Ärztehaus eine Apotheke (armarium pigmentorum, operatorium, statio specialium) und ein Heilkräutergarten (herbularius) eingerichtet. Nach dem Vorbild der Klosterapotheken wurden zunächst Hospitalapotheken, später privilegierte private und städtische Apotheken (Ratsapotheken), gegen Ende des Mittelalter auch Universitätsapotheken (z.B. Wien, 1492) und noch später fürstliche Hofapotheken (z.B. Stuttgart, 1551) eingerichtet.
Bis zum Aufkommen privilegierter Apotheken im 13. Jh. gab es auch ambulante Apotheker, die ihre Buden und Stände (Schragen) auf Märkten, bei Kirchen und Rathäusern oder bei Brücken aufschlugen. In städtischen Bürgerlisten finden sich apotecarii von der Mitte des 12. Jh. an in wachsender Zahl. So in Köln (ab 1163), Trier (ab 1241), Würzburg (ab 1254), Konstanz (ab 1264), Regensburg (ab 1311) usf. Frühe Apotheken sind ferner belegt für Rostock (1262), Hamburg (1265), Münster (1267), Magdeburg (1270), Augsburg (1285), Speyer (1290), Bozen (1317), Innsbruck (1326).
Die städtischen Apotheken lagerten ihre Waren in Gewölben, die hinsichtlich der Hygiene nicht problemlos gewesen sein dürften. Verkauft wurde aus einem Fenster, über den herabgelassenen Fenster-“Laden” hinweg, direkt auf die Straße. Die Apotheken hatten, wie Wohnhäuser auch, Hausnamen, die oft die topographische Lage in der Stadt (z.B. Obere, Untere A., A. in der Krämergasse) oder die nachbarschaftliche Lage zu einer Kirche oder einem Kloster auswiesen. (So etwa “Bei unserer Lieben Frau” oder “Bei den Predigern”.) Beliebt waren auch Benennnungen nach mythologischen Tieren (Löwen-, Adler-, Bären-, Hirschen, Schwanen-A.) oder nach Schutzpatronen (Marien-, Engel-, Markus-, Lukas-A.). Im übrigen machten sie durch sinnfällige Zeichen – etwa Mörser und Pistill – auf sich aufmerksam oder rühmten sich der Herkunft ihrer Spezialitäten aus fernen Ländern (Mohren-, Türken-A., A. zum schwarzen Elefanten).
Seit dem 15. Jh. wurden – vornehmlich in den nord- und mitteldeutschen Hansestädten – Ratsapotheken eingerichtet. Die Benennung rührt daher, dass der Rat ein geeignetes Gebäude zur Verfügung stellte, einen Apotheker bestallte und vereidigte, ihn mit Geld und Naturalien entlohnte und die finanziellen, kaufmännischen und rechtlichen Belange überwachte. Der Gewinn aus dem Apothekenhandel floss in den städtischen Haushalt. Die Wirtschaftlichkeit vieler Ratsapotheken war derart gering – musste der Rat doch für den Wareneinkauf aufkommen (“Pro specibus et confectionibus”) -, dass bis zur Mitte des 16. Jh. manche Apotheken verpachtet oder reprivatisiert werden mussten. Die Apothekenbetriebsrechte der Ratsapotheken verblieben jedoch bei der Stadt.
Zu den Arbeitsgeräten in den dt. Apotheken zwischen dem 13. Jh. und dem Ende des Mittelalter gibt es keine Aufzeichnungen und nur wenige Abbildungen. Es dürfte im wesentlichen bestanden haben aus: Waagen unterschiedlicher Meßgenauigkeit, Mörsern verschiedener Größe samt Stößeln, Reibschalen und Pistillen, Pressen zum Auspressen von Pflanzenteilen, Reibsteinen, verschließbaren Gefäßen in allen benötigten Formen und Größen aus Holz, Ton, Glas, Kupfer, Messing oder Zinn zum Aufbewahren von Ausgangsstoffen und angefertigten Arzneien jeder Form, eine Vielzahl von Schalen, Becken, Schüsseln und Kesseln zum Ansetzen, Erwärmen, Konzentrieren und Sieden von Arzneistoffen, eine offene Feuerstelle oder ein gemauerter Ofen, Geräte zur Destillation, Mensuren, Löffel, Wiegemesser, Siebe, Spachtel usf.
Zu den in Apotheken geführten Waren zählten neben Arzneistoffen und Medikamenten auch Spezereien (wie Pfeffer, Ingwer, Muskat, Safran, Gewürznelken, Zimtrinde oder Weihrauch) sowie kostbare Farbstoffe (z.B. Brasilholz aus Zeylon oder Lapislazuli aus Afghanistan), Mittel für Malerei und Kosmetik (etwa Gummi arabicum oder Mastix) aber auch Feigen, Weinbeeren, Mandeln, Seife, Wachs, Gips oder Confect, allerlei Kramwaren und Papier. (Göttingen, 1448; zit. nach H. Kühnel)
(s. Apothekenordnungen, Apotheker, Apothekermaße und -gewichte, Arzneimittel, compositum, Drogen, Gradenlehre, Heilpflanzen, medizinischer Kannibalismus, simplicia)