Badhaus

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Badhaus (badstoven, batstube, latinisiert stupha; v. ahd. stuba = heizbarer [Bade]raum; lat. balneum). Das öffentliche Bad als zivilisatorische Errungenschaft war in der Spätantike aus dem Gebrauch gekommen. In Mitteleuropa sind grundherrliche, gemeindliche und städtische Badhäuser (Badstuben) erst für das 12. Jh. belegt (erster urkundlicher Beleg Fulda, ca. 1150); private Badhäuser konnten wegen des hohen Kostenaufwands für Gebäude, Inventar und Feuerholz kaum eingerichtet werden, außerdem stand eine körperfeindliche Tendenz des christl. Eiferer dagegen. Bis dahin unterhielten nur die Klöster Badhäuser, die speziell für Laien eingerichtet waren (s. Hygiene). Häufig waren mit dem Badhaus Zwangs- und Bannrechte verbunden, stand der Bader dem Badhausbesitzer gegenüber in einem Erbleiheverhältnis. Badestuben und hölzerne Badehäuser mit Holzzubern und Dampfbädern sind häufig als Bestandteil von Burgen und Herrensitzen genannt, allerdings sind sie archäologisch nur selten nachzuweisen.

Üblicherweise lagen im Badhaus Vorraum (Diele), Heiz- und Auskleideraum und Badstube parterre, die Wohnung des Badstübners im Obergeschoss. Erst zu Anfang des 16. Jh. kamen nach den Geschlechtern getrennte Badebereiche auf. Wegen des großen Wasserbedarfs wurden Bäder in der Nähe von Fließgewässern oder ergiebiger Schöpf- oder Laufbrunnen angelegt. Erwähnenswert ist auch der Verbrauch an Feuerholz, der einige Hundert Festmeter p.a. betragen konnte. Wegen der Brandgefahr und wegen der Anrüchigkeit des Badegewerbes lagen Badhäuser oft in städtischen Randlagen.

Der Besuch in der Badstube diente neben dem Reinlichkeitsbedürfnis, der Körperpflege (s. massieren) und der Gesundheitsvorsorge auch der Geselligkeit, mit dem Aufkommen des gemischten Badens auch eindeutig erotischen Vergnügungen bis hin zu offenbarer Badeprostitution; Bader galten als notorische Kuppler. Auf zeitgenössischen Darstellungen sind die Badenden teils nackt dargestellt, teils tragen Männer ein knielanges Leinenhemd (bade-gewant, bade-kleit) oder eine Art Slip (bruech, Badeehr) und Frauen ein wadenlanges Badekleid, dazu eine Badehaube. Auch das Badepersonal, Bader und Badmägde oder -diener, trugen im Dienst derartige Hemden. Auf mittelalterliche Darstellungen erscheinen hübsche Bademägde in durchsichtigem Hemd und mit Badeutensilien wie hölzerner Kufe und einem Bündel belaubter Zweige (Badequast).

In den meisten Badhäusern gab es neben den Schwitzbädern, die als wirksame Vorbeugung gegen den Aussatz (s. Lepra) galten, auch Einzel-oder Gemeinschaftsbäder in Holzzubern (badevaz; Kisten-, Kufenbad). Bis zum 12. Jh. kannte man wahrscheinlich nur Schwitzbäder nach römischer Art, also mit trockener Heißluft. Danach kamen nach russischem Vorbild auch Dampfstuben auf, in denen erhitzte Steine mit Wasser übergossen wurden. Heilschwitzbäder, in denen der Dampf aus Kräuterabkochungen bereitet wurde, nahm man auch in einem hölzernen Schwitzkasten, aus dem nur der Kopf des Patienten herausschaute. Das Wasser der Wannenbäder war mit Kochsalz oder Harzen, mit Kräuteressenzen oder Schwefel versetzt. In den besseren Häusern wurden die Badenden von hübschen Badehostessen (Badmägden) verwöhnt, konnten bei musikalischer Begleitung nebenher Speisen und Getränke genießen, während eine Gewandhüterin über die abgelegten Kleidungsstücke wachte. Es galt der Brauch, dass im Bad Schuldner vom Gläubiger nicht belangt werden durften.

Dem Badebetrieb stand der – üblicherweise städtisch angestellte – Bader vor, der auch Rasieren, Kopfwäsche, Massieren, Frottieren, Aderlassen, Schröpfen, Klistieren und kleine chirurgische Eingriffe einschließli des Zahnziehens und Stechens des Stars besorgte. Ihm assistierten Angießer (welche Heilgüsse mit Kräutersuden verabreichten), Baderlehrlinge und Gesellen.

Schwitzbäder wurden hauptsächlich zur Behandlung von Hautleiden – einschließlich der Lepra – verordnet und dazu, mit dem Schweiß schädliche Körpersäfte auszuscheiden. Wannenbädern wurden vielseitige Heilwirkungen nachgerühmt, so gegen “Lähmung, Fieber, Koliken, Epilepsie, Katarrh, Schwindsucht, Nierenleiden oder Sterilität.” (Nach Frank Meier, S. 99).

Bäder waren in kleinen Orten nur samstags, in größeren zweimal wöchentlich und in Städten an drei Wochentagen geöffnet. War die Badstube angeheizt, so wurde die angezeigt durch lautes Schlagen eines Beckens, durch Blasen oder Rufen. Das Badewesen wurde äußerst populär: 1489 zählte man in Ulm 168 Badstuben; im spätmittelalterliche Wien gab es 21, in Frankfurt am Main 15 derartige Einrichtungen. (Daneben dürfte es eine größere Anzahl an privaten, nicht kommerziellen Badstuben gegeben haben.)

Einige Besonderheiten des mittelalterliche Badewesens: Badschicht nannte man das Recht einiger Handwerkszweige, am Samstag die Arbeit früher zu beenden, um auf Kosten des Meisters (Badgeld) ins Badhaus gehen zu können. – Brautbad oder Hochzeitsbad nannte man den Brauch, die Hochzeitsgäste nach der Trauung und vor dem Festessen ins Bad zu laden. Dabei wurde sowohl nach Geschlechtern getrennt als auch gemeinsam gebadet. Die Zahl der Badegäste und der mit dieser Geselligkeit verbundene Aufwand waren Gegenstand limitierender Verordnungen. – Vor allem in der Schweiz gab es Brotbäder, d.h. Schwitzstuben über dem Backofen, in welche die heißen Brotdämpfe geleitet werden konnten. – Seelbäder waren barmherzige Stiftungen für unentgeltliches Baden.

In einem um 1460 entstandenen Regimen sanitatis wird zum Baden festgestellt, dass ein Bad vor dem Essen Abmagerung, eins nach dem Essen Fettleibigkeit verursache, dass man deswegen grundsätzlich nicht mit vollem Bauch baden solle und dass man von heißem Baden – wie auch von Nachtschwärmerei und Sauferei – Triefaugen bekäme. Des Schreibens habe man sich nach dem Bad zu enthalten, wollte man nicht schwachsichtig werden. An Sonn- und Feiertagen und in der Karwoche wurde nicht gebadet. Hauptbadetag war der Samstag, mit dem die Arbeitswoche zu Ende ging. In Dörfern und kleineren Ortschaften wurde nur Samstags gebadet, während man in den Städten auch an den übrigen Wochentagen – vornehmlich aber Dienstags und Donnerstags – das Bad aufsuchte. Besondere Heilkraft wurde den Bädern “an den dreyen phinztagen im Merzen” nachgerühmt. Bei Oswald von Wolkenstein heißt es: “adryanus der wardt gesund phincztages inn merczischen pad”. Auch von den Frühlingsbädern im Monat Mai erwartete man Kräftigung und Heilung: “So ist doch dechaine zit besser … zu badenne” denn im Lenz (13.Jh.).

Juden durften öffentliche Badstuben nicht besuchen, sie richteten sich ihre eigenen Bäder ein (stupae balnealis judeorum). Eine Nürnberger Verordnung zum Badewesen schrieb vor: “Es sol auch ein jeclich Jud paden in der Juden patstuben und in keiner anderen; swer daz brichet, ez si Jude oder Judein, als oft muz er geben ain pfunt und der bader 9 haller”.

Um der Badhausprostitution entgegenzuwirken, wurden im Spätmittelalter mancherorts für Männer und Frauen je eigene Badezeiten festgesetzt oder nach Geschlechtern getrennte Badstuben vorgeschrieben. Auch sollten die Bademägde keine Dirnen sein. Auf Nichtbeachtung derartiger Verordnungen seitens der Bader standen Geldstrafen, fallweise auch befristetes Berufsverbot.

(Die Badhauskultur kam erst im 16. Jh. zum Erliegen, als der Englische Schweiß und die Syphilis oder “Franzosenkrankheit” [malo franco] grassierte, welch Letzterer “1495 ins Teutschland” gekommen sei. Ein weiterer Grund für den Niedergang des Badwesens dürfte der im 15. Jh. kräftig gestiegene Holzpreis gewesen sein.)

(s. Heilbäder, Hygiene, Schwitzbäder)

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