Bildung

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Bildung (der pädagogische Begriffsinhalt entstammt dem 18. Jh.; mhd. bildunge, ahd. bildunga bedeutete Schöpfung, Bildnis). Das frühe Christentum war von geradezu militanter Bildungsfeindlichkeit. Alles Wissens- und Lernenswerte war im Wort Gottes, in der Hl. Schrift enthalten; was darüberhinausging, war von Übel. (Der Apostel Paulus sagt: “Die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott.” [1 Kor 3,19]). Die Feindschaft gegen antike Bildung kam zum einen daher, dass die gesamte antike Geisteswelt als heidnisch, gottlos diffamiert wurde und ausgemerzt werden sollte, zum andern war kulturelle Betätigung, war die Pflege von Philosophie, Wissenschaft oder Literatur mit dem christl. Endzeitglauben nicht zu vereinbaren, konnte nur von der Vorbereitung auf das bevorstehende Weltgericht abhalten, und zum dritten war der Sündenfall als Strafe für das Kosten der verbotenen Früchte vom Baum der Erkenntnis geschehen, wurden Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben, weil sie wissend sein wollten wie Gott. Zudem waren die altchristlichen Gemeinden in den untersten Bevölkerungsschichten beheimatet, denen höhere Bildung fremd war. Mit der Ausbreitung des Christentums ging der Rückzug der Schulbildung und die Vernichtung nichtchristlichen Schrifttums einher. Bücherverbrennung ging sogar symbolhaft als verdienstvolles Werk in hagiographische Berichte ein. Dass Lesen und Schreiben wenigstens bei Klerikern nicht in Vergessenheit gerieten, war durch die Notwendigung des Umgangs mit der Hl. Schrift und der Verbreitung von Kommentaren und Weisungen begründet.

Zu Beginn des Mittelalter bestand die Laienwelt Westeuropas aus Analphabeten, ein Umstand, zu dem auch die germanische Völkerwanderung beigetragen hatte. Durch die karolingische Bildungsreform, die vornehmlich verwaltungs- und kirchenpolitische Zielsetzung hatte, wurde systematisch an antiker Tradition wiederangeknüpft. Aus Ländern, in deren Klöstern sich die geistigen Werte der Antike erhalten hatten (Italien, Irland, England), wurde durch Missionare und Gelehrte wesentliches Bildungsgut vermittelt (Sprache, Schrift, Philosophie, Kunst, handwerkliches Können). Das Bildungswesen wurde systematisiert, die Einrichtung von Dom- und Klosterschulen für die Ausbildung des Klerikernachwuchses angeordnet. Die Anstrengungen Karls d. Gr. waren grundlegend für den Aufstieg der mittelalterliche Kultur, wenngleich die Entwicklung in der Folgezeit nicht überall ohne Rückschläge verlief. Alleinige Bildungsträger waren im Frühmittelalter die Dom-, Stifts- und Klosterschulen. Gemeinsame Schulsprache im gesamten christl. Abendland war das Lateinische. Bildungsinhalte waren die septem artes liberales als Grundwissen, Theologie, Medizin und Recht als weiterführende Bildung. Die Rezeption antiken Bildungsgutes erfolgte in Schüben, immer wieder von Abwehr seitens konservativer Kleriker gehemmt. Wesensmerkmale der idealen mittelalterliche Bildung waren: Vielseitigkeit (Annahme von Bildungsgut verschiedener Völker und Zeiten), Streben nach Wahrheit (im Rahmen der christl. Glaubensgebundenheit), Streben nach einer übergeordneten, umfassenden Sinngebung und nach vollendeter Form.

Im Hochmittelalter wurde die europäische Bildung ganz wesentlich durch die Rezeption arab. Kulturgüter (Philosophie, Naturwissenschaften, Dichtung) beflügelt. Lehrbetrieb außerhalb der Kloster- und Domschulen kam auf, es entwickelten sich “Schulen” (wie etwa “St. Victor” in Paris), die Keimzellen der späteren Universitäten. Hma. Denker Deutschlands (Rupert von Deutz, Gerhoh von Reichersberg, Otto von Freising, Hildegard von Bingen) blieben meist einem konservativen, d.h. symbolistischen Denken verhaftet. Für das Aufkommen empirischen Denkens stehen Namen wie Albertus Magnus, Friedrich II., Witelo und besonders die der Franziskaner Robert Grosseteste und Roger Bacon aus Oxford.

Das spätmittelalterliche nominalistische, empirische Denken wurde in Deutschland von Marsilius von Inghen, Gabriel Biel und Nikolaus Cusanus vertreten. Vom 13. Jh. an drang Bildung auch in nichtklerikale Kreise ein. Das komplexer werdende Handels-, Verwaltungs- und Rechtswesen bedingte einen steigenden Anspruch an schulische Bildung. Im 15. Jh. kamen in den Städten neben Lateinschulen (schuol) deutschsprachige Rats- und Privatschulen (diutsche schuol, schribeschuol) auf, an denen praxisbezogene Schreib-, Lese- und Rechenkenntnisse vermittelt wurden. Latein konnte hier allenfalls als Zweitsprache erlernt werden. Die bislang propädeutischen Artes liberales kamen in die alleinige Kompetenz der Universitäten.

Schulbildung – und sei es nur die Beherrschung von Lesen und Schreiben – war im Mittelalter und bis weit in die Neuzeit hinein den Eliten (hohe Kleriker, Adelige, Patrizier, wohlhabende Kaufleute und Handwerker) vorbehalten. Selbst Angehörige des niederen Klerus (vor allem die Dorfpfarrer) hatten nur mangelhaftes Schulwissen und mancher Schullehrer wurde wegen Unfähigkeit davongejagt. Mädchenschulen (mädlin schul) waren selten, da man Ausbildung in Dingen des Haushalts für ausreichend hielt. Der Zugang zu Universitäten war dem weiblichen Geschlecht generell verwehrt. Gänzlich ungebildet blieb der Großteil der Bevölkerung, nämlich die Bauernschaft und die Unterschichten in Stadt und Land.

(s. “Akademie”, Artes liberales, Domschule, Erziehung, Hofschule, Klosterschule, Ordensschulen, Pfarrschule, Stadtschule, Stiftsschule, Universität, Wissenschaft)

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