Blutfrevel

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Blutfrevel (Blutschuldlüge, Ritualmordlüge). Die Anklage, für rituelle Zwecke das Blut getöteter Menschen zu verwenden, wurde im ersten nachchristlichen Jh. – wohl um das Abendmahl zu diffamieren – von Römern gegen Christen erhoben. Vom 12./13. Jh. an wurde diese Beschuldigung von Christen an die Judenheit gerichtet: Juden würden unschuldige christliche Kinder töten, um sich an deren Qualen zu weiden oder um deren Blut zur Bereitung der Mazze (des Pessachbrotes) oder für therapeutische Zwecke zu verwenden.

Als erster Fall vorgeblichen Ritualmordes durch Juden an einem Christenkind gilt der des zwölfjährigen Kürschnerlehrlings William aus dem ostenglischen Norwich. Der soll nach der Erzählung des Benediktinermönchs Thomas von Monmouth “De vita et passione Sancti Willelmi martyris” (verfasst zwischen 1150 und 1173) im Jahre 1144 schändlich umgebracht und verscharrt worden sein. Nachdem der “Ermordete” auf wunderbare Weise gefunden und auf einen Klosterfriedhof überführt worden war, ereigneten sich bald Wunder und Offenbarungen am Grab, worauf der Leichnahm in die Kathedrale von Norwich überführt und Anlass zu einer höchst einträglichen Wallfahrt wurde. Zwar hat es im Zusammenhang mit dieser Ritualmordlüge keine Totschlagopfer unter den Juden der Gegend gegeben – die Obrigkeit hatte sich der Volkswut entgegengestellt -, jedoch begründete der Vorfall um 1150 die Tradition dieser Art von Legendenbildung. Der “jungfräuliche Knabe” William wurde nie offiziell heiliggesprochen, vom Volk jedoch aufgrund klerikaler Legendenpflege als Wundertäter und Heiliger verehrt.

In Deutschland gab es einen frühen Ritualmordvorwurf 1234/35 in Lauda und Tauberbischofsheim, woraufhin es 1236 in Fulda zur Ermordung der 34 ortsansässigen Juden kam.

Kaiser Friedrich II. ließ die ungeheuerliche Anschuldigung des “Blutfrevels” anlässlich eines angeblichen Ritualmordes in Fulda aufs gründlichste untersuchen und erklärte sie daraufhin (1236) für unhaltbar und erlogen. (Juden war laut Thora der Genuß jeglichen Blutes verboten.)

Obwohl sich in der Folgezeit Päpste, Kaiser, Bischöfe, Gelehrte und Richter gegen die Ritualmordlüge aussprachen, wurde sie von den Bettelorden weiterhin verbreitet, blieb sie über Jahrhunderte ein “Verleumdungsmittel ohne Beweiszwang” (Gidal). Immer wieder führte die Verdächtigung, ein Ritualmord sei begangen worden, zu Pogromen, die ganze Landstriche erfassten und viele Opfer forderten. So etwa nach dem angeblichen Ritualmord an dem Gerberlehrling Werner von Bacharach (am Karfreitag 1287), als im Mittelrhein- und Moselgebiet eine judenfeindliche Massenhysterie ausbrach und mehr als 500 Juden getötet wurden. Nachdem sich am Grabe des Werner Wunder ereignet hatten, wurde es zum Ziel von Wallfahrten, entstand ein regionaler Kult um den “guten Werner”. Reichlich fließende Spenden der Wallfahrer ermöglichten den Bau einer anspruchsvollen Grabes- und Wallfahrtskirche (“Wernerkapelle”), deren Altar 1293 geweiht wurde und deren Bau im Stile der rheinischen Kathedralgotik sich bis ins 15. Jh. hinzog. Noch im 15. Jh. gab es Bestrebungen für die Heiligsprechung des “Märtyrers” Werner von Bacharach.

(s. Brunnenvergiftung, Hostienfrevel, Judenpogrom)

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