Brennen (Med

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Lexikon des Mittealters Leben im Schatten der Zinnen: Burgen des Mittelalters und ihr Alltag
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Brennen (Kauterisieren = Gewebsreizung/-zerstörung durch Hitze) war eine ebenso geläufige wie schmerzhafte Behandlungstechnik der mittelalterliche Medizin. Oberflächliches Brennen sollte schmerzableitend gegen Migräne, rheumatische Beschwerden, Magen-, Leber- und Milzbeschwerden wirken. Bei Epilepsie und Melancholie – soweit sie als hirnorganische Störungen aufgefasst wurden – kam Brennen am Schädel zur Anwendung. Ferner wurde das Brenneisen (mhd. brennisen, bolz; mlat. cauterium) benutzt zur Blutstillung an Wundrändern und einzelnen Gefäßen (überwiegend Arterien), zur Verödung von Varizen und Hämorrhoiden, gegen Mastdarmfisteln, Abszesse, Gangräne und tumoröses Gewebe sowie zur Nachbehandlung bei Bruch- und Zahnoperationen.

Das Kauterisieren ging auf empirische Erkenntnisse und auf theoretische Spekulationen nach der Humorallehre zurück. Auf Empirie beruhte das Verschorfen bei Blutungen oder die Resorption chronisch-entzündlicher Veränderungen durch Verursachung einer örtlichen Hyperämie. Der Säftelehre gemäß suchte man bei Organ- oder Allgemeinstörungen das Ungleichgewicht der Säfte (Dyskrasie infolge eines Überschusses an kalter und feuhte Materie) durch den Anstoß des Hitzereizes und durch den Abfluss des sich in der Wunde bildenden Eiters wieder in den Normzustand (Eukrasie) zurückzuführen. (Dieser Vorstellung könnte die Idee der “Unspezifischen Reiztherapie” entsprechen.) Aus dem Hochmittelalter sind zahlreiche illustrierte Handschriften erhalten, die Hinweise auf die Kauterisationsstellen geben (Kauterienbilder, Brennstellen-Schemata). Nach Hildegard von Bingen sollte nicht mit dem Eisen gebrannt werden, “weil dies zu viele Schleime anzieht”, auch nicht mit Schwefel oder Weihrauch, sondern mit Feuerschwamm, mit dem Mark des Spindelbaums (Euonymus europaeus [Pfaffenhütchen]) oder mit einem zusammengeknoteten Stück Leinwand. Dem Kauterisieren sollte man sich höchstens zweimal pro Jahr unterziehen; es sollte die gleiche Stelle nicht wiederholt gebrannt werden; die Wunde sollte nicht länger als zehn Wochen lang offen gehalten werden.

Auch beim “Kautern” waren islamische Vorbilder maßgeblich gewesen. Abulcasis (10. Jh.) z.B. beschrieb 30 verschiedene Instrumente zum Brennen. Wundärzte, Bruch- und Steinschneider, Zahnkünstler, Rossärzte und Schmiede haben mit dem Brenneisen mehr Schäden und unnötige Qualen verursacht als Heilung oder Linderung erreicht.

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