Lexikon des Mittealters | Zwischen Zinnen und Alltag - Das Leben auf mittelalterlichen Burgen |
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Brief (mhd. brief, brieff, brieve; ahd. brief; v. lat. litera brevis, libellus, vlat. breve [scriptum] = kurzes [Schreiben], Geschriebens, Urkunde; schriftliche Nachricht an räumlich Entfernte). Im Mittelalter beschränkte sich die Kunst des Briefeschreibens im wesentlichen auf die schreibkundigen Kleriker, die in Klöstern oder bei Hofe private, geistliche, amtliche und wissenschaftliche Briefe in Latein niederschrieben. Gerade die wissenschaftlich gebildeten unter den Klerikern betrieben Wissensaustausch, diskutierten Fachprobleme untereinander auf brieflichem Wege. Im 12. Jh. entstand in der ®”Ars dictaminis” ein eigenes Lehrfach, das im 13. Jh. von Italien nach Deutschland vermittelt wurde. Es handelt vom kunstgerechten Aufbau, von formelhaften Wendungen und der sachgerechten Prosa (s. Urkunde). Den Artes dictaminis zufolge umfasste eine formgerechter Brief fünf Teile: salutatio (Begrüßung und Titulatur), captatio benevolentiae (Gewinnung der Gunst des Adressaten), narratio (Beschreibung des Anliegens), petitio (Formulierung des Ansuchens) und peroratio (Schluss mit actum und datum). Auf öffentliche Wirkung angelegte Briefe wurden unverschlossen und mit großem Zeremoniell übersandt (littera patens); Briefe privaten Inhalts waren verschlossen (littera clausa).
Nachdem im 14. Jh. zunehmend auch Nichtkleriker Lesen und Schreiben gelernt hatten, entstanden neben lateinischen auch volkssprachliche Briefe.
Als Beispiele mittelalterliche Briefkultur seien genannt: die 220 Briefe Gerberts von Aurillac aus den Jahren 983 – 997, für die der Autor ein Registerbuch anlegen ließ; die Briefesammlung des Reichenauer Abtes Bern (1008 – 48); der – wahrscheinlich fingierte – Briefwechsel zwischen Abaelard und Heloise (in “Historia calamitatum mearum”, um 1135); die ca. 400 Briefe der hl. Hildegard v. Bingen (1098 – 1179); der Briefwechsel zwischen den Mönchen Rudolf und Reginbald aus Lüttich bzw. Köln (11. Jh.), aus deren Diskussion über mathematische Fragen der Tiefstand dieser Wissenschaft, besonders der Geometrie, zu jener Zeit erhellt. Aus der Gattung der fingierten Briefe seien die Jenseitsbriefe (Himmelsbriefe, Teufelsbriefe) genannt.
Briefe wurden im Frühmittelalter auf Pergament, seit dem Spätmittelalter auf Papier geschrieben; sie wurden zur Beförderung gerollt oder gefaltet, durch Pergamentstreifen oder Schnüre verschlossen und – zum Schutz vor unbefugtem Lesen und zum Echtheitsbeweis – gesiegelt. Der älteste erhaltene Pergamentbrief stammt aus dem frühen 8. Jh., die Praxis des Siegelns kam im deutschsprachigen Raum im 9. Jh. auf.
Die Beförderung von Briefen wurde bis zum Ende des Mittelalter von Reisenden (Kaufleuten, Pilgern, Klerikern, Scholaren) oder – im Falle von eiligen oder hochbedeutsamen Briefsendungen – von speziellen Boten besorgt. Postkuriere benötigten beispielsweise für die Strecke von Köln nach Brügge etwa eine Woche, von Augsburg nach Venedig die doppelte Zeit. Feste Poststrecken kamen erst um 1495 auf, als der Lombarde Franz von Taxis eine feste Briefbotenlinie zwischen der Wiener Residenz Kaiser Maximilians I. und der Brüsseler Residenz seines Sohnes Philipp einrichtete. (Aus diesem Zustelldienst, der schon bald um Verbindungen zu weiteren Höfen ausgebaut wurde, sollte das europäische Postwesen hervorgehen.)
(s. Beschreibstoffe, Geheimschrift, Geleitsbrief, Siegel)